Die helle Galaxie NGC 3621, hier nebenstehend mit dem Wide Field Imager des 2,2-Meter-Teleskops am La Silla Observatorium der Europäischen Südsternwarte in Chile fotografiert, erscheint als schönes Beispiel für eine Spiralgalaxie. Tatsächlich ist sie aber recht ungewöhnlich: Sie besitzt keine zentrale Ausbuchtung („Bulge“ genannt) und wird deswegen als „Pure-Disc“-Galaxie (etwa: „Nur-Scheiben-Galaxie“) bezeichnet.
NGC 3621 ist eine Spiralgalaxie, die rund 22 Millionen Lichtjahre entfernt im Sternbild Hydra (Wasserschlange) liegt. Sie kann aufgrund ihrer Helligkeit bereits mit guten Amateurteleskopen beobachtet werden. Das Bild basiert auf Archivdaten, die von Joe DePasquale für den „Hidden-Treasures“-Wettbewerb ausgewählt wurden. Dabei hatten Amateurastronomen die Möglichkeit, das Archiv der Europäischen Südsternwarte nach unbearbeiteten Rohbildern zu durchsuchen und selbige dann zu bearbeiten, bis ein „Schatz“ (Treasure) daraus entstand. Mit seinem Bild belegte DePasquale den fünften Platz.
Die Galaxie ist sehr flach und von pfannkuchenartiger Gestalt, woraus die Astronomen schließen, dass sie noch keine engen Begegnungen oder Kollisionen mit anderen Galaxien hatte. Solch ein Kollisionsprozess hätte die dünne, aus Sternen bestehende Scheibe gestört und eine kleine Ausbuchtung, den „Bulge“, in ihrem Zentrum erzeugt. Nach Ansicht der meisten Astronomen wachsen Galaxien durch das Verschmelzen mit anderen Galaxien. Dieser natürliche Prozess dauert Milliarden von Jahren an und wird „hierarchisches Galaxienwachstum“ genannt. Im Laufe der Jahrmillionen oder Jahrmilliarden sollte auf diese Weise eine große Ausbuchtung in den Zentren von Spiralgalaxien entstehen. Neusten Untersuchungen zufolge kommen flache „Pure-Disk“-Galaxien wie NGC 3621 aber häufiger vor als angenommen.
Diese Galaxie ist von besonderem Interesse, weil sie mit 22 Millionen Lichtjahren nicht sehr weit entfernt ist – verglichen mit vielen anderen Galaxien. So können die Astronomen eine Vielzahl von Details untersuchen, darunter Sternentstehungsgebiete, Staubwolken und einen bestimmten Typ veränderlicher Sterne, Cepheiden genannt. Letztere werden in der Astronomie oft als Entfernungsmesser benutzt. Sie leuchten bis zu 30.000 Mal heller als unsere Sonne und verändern ihre Helligkeit in periodischen Abständen von Tagen, Wochen oder Monaten. Die auftretende Periode der Helligkeitsveränderung hängt direkt von der absoluten Helligkeit des Sterns ab, einem entfernungsunabhängigen Maß für seine Leuchtkraft. Durch Messungen seiner scheinbaren Helligkeit und dem Verhältnis zur absoluten Helligkeit, lässt sich die ungefähre Entfernung des Sterns zur Erde berechnen. In den späten 1990er Jahren war NGC 3621 eine von 18 Galaxien, die man für ein Schlüsselprojekt des Hubble-Weltraumteleskops ausgewählt hatte. Im Rahmen dieses Projekts wurden allein in dieser Galaxie 69 Cepheiden vermessen, was gemeinsam mit den Daten der anderen Galaxien zu eine sehr genauen Messung der Expansionsrate des Universums ermöglichte.
Für das obige Bild wurden mehrere Schwarzweißaufnahmen aus dem ESO-Archiv miteinander kombiniert, welche mit verschiedenen Farbfiltern angefertigt wurden. Daten, die mit einem Blaufilter erstellt wurden, sind auf dem Bild ebenfalls blau eingefärbt. Daten des Gelb-Grün-Filters sind grünlich dargestellt und die Daten des Rot-Filters haben ein dunkles Orange. Rot erscheinen die Daten, die auf ausgedehnte Wasserstoffwolken hindeuten. Die Belichtungszeiten pro Filter lagen bei 30, 40, 40 und 40 Minuten.
(THK)
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