Im Sternbild Ophiuchus (Schlangenträger), über der Scheibenebene unserer Milchstraße, verbirgt sich eine Sternleiche, die sich mit 30 Umdrehungen pro Sekunde dreht – ein exotischer Sterntyp, den man als Radiopulsar bezeichnet. Das Objekt war unbekannt, bis es letzte Woche von drei Gymnasiasten entdeckt wurde. Die Schüler sind Teil des Pulsar Search Collaboratory (PSC) Projekts, welches vom National Radio Astronomy Observatory (NRAO) in Green Bank (West Virginia) und der West Virginia University (WVU) betrieben wird.
Der Pulsar – möglicherweise eine seltene Art von Neutronenstern, ein so genannter recycelter Pulsar – wurde am 20. Januar unabhängig voneinander von Alexander Snider und Casey Thompson aus Virginia, sowie einen Tag später von Hannah Mabry aus Kentucky entdeckt. „Jeden Tag habe ich mir gesagt, ‚Ich muss einen Pulsar finden. Ich muss einen Pulsar finden, bevor diese Klasse beendet ist'“, sagte Mabry. Als sie ihre Entdeckung machte, konnte sie ihre Aufregung kaum zurückhalten. „Ich fing an, zu schreien und zu springen“. Thompson war ähnlich aufgeregt. „Nach drei Jahren der Suche hatte ich nichts gefunden, aber als ich den Pulsar gefunden hatte, warf ich meine Hände in die Luft und sagte ‚Jaa!'“. Snider sagte: „Es fühlt sich wirklich großartig an, die erste Person zu sein, die so etwas sieht. Es ist ein erhebendes Gefühl.“
Als Teil des PSC analysieren die Schüler echte Daten vom Robert C. Byrd Green Bank Telescope (GBT) des NRAO, um Pulsare zu finden. Ihre Lehrer, Debra Edwards von der Sherando Hig School, Leah Lorton von der James River High School und Jennifer Carter von der Rowan County Senior High School stellten das PSC in ihren Klassen vor und interessierte Schüler bildeten Teams, um die Arbeit fortzusetzen. Mabry hatte auch vor der Entdeckung schon Spaß bei der Suche. „Es fühlt sich an, als würde man etwas wichtiges tun“, sagte sie. „Es ist ein gutes Gefühl“.
Nachdem der Pulsar-Kandidat an das NRAO gemeldet wurde, sah sich die Direktorin des Projekts, Rachel Rosen, die Daten an und war mit den jungen Wissenschaftlern einer Meinung. Eine nachfolgende Beobachtungseinheit mit dem GBT wurde angesetzt. Snider und Mabry reisten nach West Virginia, um bei den Beobachtungen zu helfen und Thompson trat online hinzu.
„Gemeinsam mit den Schülern zu beobachten, ist sehr aufregend. Es gibt den Schülern die sehr praxisnahe Möglichkeit, etwas über Radioteleskope und die Beobachtung von Pulsaren zu lernen und es macht extra viel Spaß, wenn wir einen Pulsar finden“, sagte Rosen.
Dagegen bemerkte Snider: „Ich wurde sehr, sehr nervös. Ich nahm an, dass ich nur zusehen würde, wie andere Leute Dinge tun und dann saß ich selbst an den Kontrollpulten. Ich wollte nichts vermasseln.“
Alles ging gut und die Beobachtungen bestätigten, dass die Schüler einen exotischen Pulsar gefunden hatten. „Ich habe in den zwei Stunden im Kontrollraum mehr gelernt, als in der Schule den ganzen Tag“, sagte Mabry.
Pulsare sind rotierende Neutronensterne, die Radiowellen oder Licht aussenden, ähnlich wie ein Leuchtturm. Ein Neutronenstern ist das, was übrig bleibt, wenn ein massereicher Stern am Ende seines Lebens explodiert. Ohne nuklearen Brennstoff, welcher Energie produziert, um dem eigenen Gewicht entgegenzuwirken, wird seine Materie extrem dicht zusammengepresst. Der Druck drückt die meisten Elektronen und Protonen ineinander, wodurch Neutronen entstehen, deswegen die Bezeichnung Neutronenstern. Ein Esslöffel von der Materie eines Pulsars würde zehn Millionen Tonnen wiegen.
Das von den Schülern entdeckte Objekt gehört einer Klasse von Pulsaren an, die sehr schnell rotieren – in diesem Fall 30 Mal pro Sekunde, vergleichbar mit der Geschwindigkeit eines Küchenmixers.
„Die große Frage, die wir beantworten müssen lautet: Ist dies ein junger Pulsar oder ein recycelter Pulsar?“, sagte Maura McLaughlin, eine Astronomin an der WVU. „Ein Pulsar, der so schnell rotiert, ist sehr interessant, weil er entweder erst vor kurzem entstanden ist, oder weil es sich um einen sehr alten, recycelten Pulsar handeln könnte.“
Ein recycelter Pulsar war einst Teil eines Doppelsternsystems. Materie von dem Begleitstern lagert sich auf dem Pulsar ab, wodurch seine Rotationsgeschwindigkeit erhöht wird. Das Rätsel, ob dieser Pulsar jemals einen Begleitstern hatte, bleibt vorerst ungelöst. Wenn das der Fall war, „so könnte es sein, dass dieser Pulsar einen massereichen Begleiter besaß, der in einer Supernova explodiert ist und seinen Orbit gestört hat“, vermutete McLaughlin. Astronomen und Schüler werden in den kommenden Monaten zusammenarbeiten, um Antworten auf diese Fragen zu finden.
Das PSC ist ein Gemeinschaftsprojekt des National Radio Astronomy Observatory und der West Virginia University und wird von der National Science Foundation finanziell unterstützt. Das Projekt beinhaltet Kurse für Lehrer und Schüler und versorgt die Schülergruppen mit Daten des riesigen Green Bank Telescope. Lehrer und Schüler helfen den Astronomen dann bei der Datenanalyse.
300 Stunden waren wür die Analyse der Beobachtungsdaten reserviert. Thompson, Snider und Mabry haben mit rund 170 weiteren Schülern aus dem ganzen Land zusammen gearbeitet. Die Verantwortung für die Arbeit und die Entdeckungen liegt bei ihnen. Sie werden von Astronomen und Lehrern angeleitet, zwischen Pulsaren und Rauschen zu unterscheiden. Das gemeinsame Urteil der Schüler trennt die Pulsare vom Rauschen.
Alle drei Schüler hatten Tausende von Datensätzen analysiert, bevor sie bei diesem angelangten. Casey Thompson, der mehr als drei Jahre beim PCS ist, hat über 30.000 Datensätze analysiert. „Manchmal höre ich kurz auf und denke über die Tatsache nach, dass ich auf Daten aus dem Weltraum schaue“, sagte er. „Es bedeutet mir sehr viel.“
Zusätzlich zu diesem Fund wurden zwei andere astronomische Objekte von Schülern entdeckt. 2009 fand Shay Bloxton aus Summersville (West Virginia) einen Pulsar, der alle vier Sekunden einmal rotiert. Und Lucas Bolyard aus Clarksburg (West Virginia) entdeckte eine schnell rotierende, vorübergehende Radioquelle, von der die Astronomen annehmen, dass es sich um einen Pulsar handelt, der Radiowellen durch Ausbrüche abstrahlt.
Durch solche Entdeckungen hofft die PSC, dass die Schüler eine Wertschätzung für Wissenschaft entwickeln, wenn sie selbst Teil davon sind. Vielleicht wird das Projekt einige der Astronomen der nächsten Generation hervorbringen. Snider jedenfalls wurde inspiriert.
„Die PSC hat meine Karriereplanung verändert“, gestand Thompson. „Ich werde Astrophysik studieren.“ Snider gibt sich damit zufrieden, einen Beitrag zur Wissenschaft zu leisten. „Ich hoffe, dass die Astronomen von Green Bank und der ganzen Welt etwas von der Entdeckung lernen können“, gab er zu verstehen. Mabry ist sichtlich beeindruckt. „Wir haben tatsächlich etwas erlebt“, sagte sie.
Das PSC Projekt wird dieses Jahr fortgesetzt.
Quelle: http://www.nrao.edu/pr/2011/studentpulsar/
(THK)
Antworten