Acht kleine Zähne, die in einer israelischen Höhle gefunden wurden, werfen große Fragen über die früheste Existenz von Menschen und ihre Herkunft auf, sagte der Anthropologe Rolf Quam von der Universität Binghamton.
Quam gehört zu einem Team internationaler Wissenschaftler unter der Leitung von Israel Hershovitz von der Universität von Tel Aviv, das die Entdeckung untersucht und die Ergebnisse kürzlich im American Journal of Physical Anthropology veröffentlicht hat.
Die Zähne wurden in der Qesem-Höhle gefunden, einer prähistorischen Stätte nahe Rosh Haain in Zentralisrael, die im Jahre 2000 entdeckt wurde. Sie sind in Größe und Form vergleichbar mit Zähnen von modernen Menschen (Homo Sapiens), die bereits an anderen Orten in Israel, zum Beispiel Oafzeh und Skhul, ausgegraben wurden, allerdings sind sie wesentlich älter als alle zuvor gefundenen Überreste.
„Die Qesem-Zähne stammen aus einer Zeit vor etwa 200.000-400.000 Jahren, aus der es nur wenig menschliche Überreste im Mittleren Osten gibt“, sagte Quam. „Wir haben zahlreiche Überreste von Neandertalern und Homo Sapiens aus jüngeren Zeitperioden, zwischen 60.000 und 150.000 Jahre alt, aber Fossilien aus älteren Zeitperioden sind selten. Daher liefern diese Zähne neue Informationen darüber, wer die älteren Bewohner dieser Region waren und wie ihre evolutionären Beziehungen zu den späteren Fossilien aus derselben Region sind.
Die Zähne geben außerdem neue Hinweise darauf, wo der moderne Mensch entstanden sein könnte. Anthropologen glauben, dass moderne Menschen und Neandertaler einen gemeinsamen Vorfahren hatten, der vor über 700.000 Jahren in Afrika lebte. Manche der Nachkommen von diesem Urahnen wanderten nach Europa und entwickelten sich zu Neandertalern. Eine andere Gruppe blieb in Afrika und entwickelte sich zum Homo Sapiens, der später den Kontinent verließ. Falls die Überreste aus Qesem direkt dem Homo Sapiens zugeordnet werden können, könnte das bedeuten, dass der moderne Mensch im heutigen Israel entstand, oder weitaus früher aus Afrika auswanderte als man bisher angenommen hatte.
Das Ergebnis, zu welcher Spezies die acht Zähne gehören, stehe aber noch aus. Es sei eine Herausforderung für jede Art von positiver Identifizierung, sagte Quam.
„Manche Zähne stammen von demselben Individuum, aber die meisten sind eigenständige Proben“, ergänzte Quam. „Wir wissen mit Sicherheit, dass wir es mit sechs Individuen verschiedener Altersklassen zu tun haben. Bei zwei Zähnen handelt es sich um Milchzähne, was dafür spricht, dass diese Personen junge Kinder waren. Aber das Problem ist, dass alle Zähne getrennt voneinander waren, deswegen ist die Bestimmung der Spezies sehr schwierig.“
Anthropologen konzentrieren sich nicht auf individuelle Merkmale, sondern benutzen eine Kombination von Eigenschaften, um eine Spezies zu bestimmen. Beispielsweise haben Neandertaler relativ große Schneidezähne und ausgeprägte vordere und hintere Backenzähne. Dagegen sind die Zähne des Homo Sapiens kleiner, die Schneidezähne liegen gerader an der „Lippenseite“ des Gesichts. Manchmal sind die Unterschiede subtil, aber es sind diese winzigen Änderungen, die es so wichtig machen, eine Anzahl von Zähnen desselben Individuums zu untersuchen zu können.
Obwohl Quam und seine Kollegen noch nicht genau wissen, zu welcher Spezies die Zähne gehören, liefern die dentalen „Aufzeichnungen“ ihnen eine Menge Informationen über die Vergangenheit.
„Zähne sind aus Sicht der Evolution gesehen sehr konservative Strukturen“, erläuterte Quam. „Deshalb können uns Unterschiede in ihren Eigenschaften einige interessante Informationen über ein Individuum liefern. Sie können uns verraten, was sie aßen, wie schnell sie wuchsen und sich entwickelten und wie ihr allgemeiner Gesundheitszustand während ihres Lebens war. Sie können uns außerdem etwas über die evolutionären Beziehungen zwischen den Spezies mitteilen. All das vervollständigt unser Wissen darüber, wer wir sind und wo wir herkamen.“
Die Ausgrabung in der Qesem-Höhle wird unter der Leitung von Avi Gopher und Ran Barkai von der Universität Tel Aviv fortgesetzt. Die bislang freigelegten Fundstücke umfassen reichlich Steinwerkzeuge und tierische Überreste, die den Forschern einen Eindruck vom täglichen Leben und den Jagdmethoden der früheren Bewohner vermitteln.
„Dies ist eine sehr aufregende Zeit für archäologische Entdeckungen“, bemerkte Quam. „Wir hoffen, dass die fortgeführte Ausgrabung noch mehr komplexe Überreste zu Tage fördert, die uns bei der genauen Bestimmung der Spezies helfen würden.“
Quam bleibt mit den beteiligten Archäologen in Kontakt und hofft auf eine Zusammenarbeit mit dem Projekt, falls noch mehr vollständige menschliche Überreste entdeckt werden.
Quelle: http://discovere.binghamton.edu/news/teeth-3565.html
(THK)
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