Laut einer Studie der University of Michigan könnte ein steigender Kohlendioxidanteil, gepaart mit globaler Erwärmung, die Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und den Insekten, die sie fressen beeinflussen und den Kurs der Evolution von Pflanzen ändern.
Die Arbeit konzentrierte sich auf die Auswirkungen von erhöhten Kohlendioxidwerten auf die Gewöhnliche Seidenpflanze (Asclepias syriaca). Die Gewöhnliche Seidenpflanze ist eine von vielen Pflanzen, die toxische oder giftige chemische Substanzen produziert, um sich vor Fressfeinden, etwa Insekten, zu schützen. Diese chemische Verteidigung ist das Ergebnis einer langen Geschichte von Interaktionen zwischen den Pflanzen und den Insekten, die sie fressen, beispielsweise der Raupe des Monarchfalters.
Die Verteidigung der Pflanzen – und die fressenden Insekten – reagieren auch auf Umweltfaktoren wie einen steigenden Kohlendioxidanteil. Dies deutet darauf hin, dass ein erhöhter Kohlendioxidgehalt die Entwicklung von Pflanzen beinflussen könnte, in em der „Selektionsdruck“ verändert wird, den pflanzenfressende Insekten auf Pflanzen ausüben.
Der Selektionsdruck ist die treibende Kraft der Evolution und ruft Veränderungen in der genetischen Zusammensetzung einer Population hervor. Es funktioniert folgendermaßen: Wenn Insekten Pflanzen zu großen Schaden zufügen, können sich die Pflanzen nicht mehr erfolgreich vermehren. Daraus ergibt sich die Situation, in der alle Pflanzen, welche eine insektenabschreckende Fähigkeit geerbt haben, im Vorteil sind. Aufgrund dieses Vorteils werden diese Fähigkeiten in der gesamten Population verteilt, ausgelöst durch den „Druck“ der Insekten.
Die Wissenschaftler Rachel Vannette und Mark Hunter untersuchten, ob unterschiedliche genetische „Familien“ einer einzigen Population der Gewöhnlichen Seidenpflanze im Norden Michigans auf verschiedene Weisen auf einen erhöhten Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre reagieren würden – und falls ja, wie diese Reaktionen sich auf die Wahrscheinlichkeit auswirken, von Insekten gefressen zu werden.
„Wir untersuchten die Antwort der Seidenpflanzen auf gestiegene Kohlendioxidwerte in Bezug auf ihr Wachstum, asexuelle Reproduktion und die Ausbildung von chemischen und physischen Verteidigungsmöglichkeiten“, sagte Vannette. Obwohl alle Pflanzen infolge des höheren Kohlendioxidlevels größer wuchsen und alle Pflanzenfamilien vergleichbare Wachstums- und Reproduktionswerte zeigten, reagierten die Pflanzenfamilien unterschiedlich auf den erhöhten Kohlendioxidgehalt, was ihre Produktion von chemischen und physischen Verteidigungsmöglichkeiten gegen pflanzenfressende Insekten betrifft.
Genauer gesagt, unterschied sich ihre Produktion von Substanzen, die das Herz angreifen – Cardenolide genannt. Während manche Pflanzenfamilien auf den steigenden Kohlendioxidgehalt mit einer erhöhten Produktion von Cardenoliden reagierten, ging bei den meisten die Produktion zurück – um 50 Prozent.
„Das ist ein großer Unterschied, wenn du eine Raupe bist“, sagte Vannette, eine Studentin in Hunter’s Team. Hunter ist Professor für Ökologie und Evolutionsbiologie an der University of Michigan. Weil die pflanzenfressenden Insekten, die Raupe des Monarchfalters eingeschlossen, ihre Pflanze sorgfältig auswählen und ihre Wahl von der Konzentration toxischer Substanzen in der Pflanze abhängt, können diese spezialisierten Insekten als Hinweisgeber auf die Selektion von Gewöhnlichen Seidenpflanzen fungieren.
Die Abkehr von chemischen Verteidigungen war ein Schritt in Richtung physischer Verteidigungsfähigkeiten und physischen Widerstands. „Die Pflanzen hatten dickere Blätter und sie konnten die Überfälle der Raupen besser ausgleichen – es wuchs schneller nach“, sagte Vannette.
Zusammen genommen liefern die Ergebnisse Beweise dafür, dass genbasierte Unterschiede bei den Verteidigungsmechanismen von Pflanzen und die daraus resultierenden veränderten Pflanze-Insekt-Interaktionen die Art und Weise beeinflussen, wie Pflanzen sich an Klimaveränderungen anpassen.
Werden die veränderten Verteidigungsstrategien der Pflanzen den Raupen helfen, oder sie behindern?
„Wir wissen es noch nicht“, sagte Vannette, „aber wir gehen dieser Fragestellung nach“.
Die Ergebnisse erscheinen in der Märzausgabe von Global Change Biology.
Die Untersuchung wurde finanziell unterstützt von der National Science Foundation und von der U-M Biological Station in der Nähe von Pellston (Michigan) aus geleitet.
Quelle: http://ns.umich.edu/htdocs/releases/story.php?id=8268
(THK)
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