Eine alte Geschichte verbreitete sich diese Woche wie ein Lauffeuer: Sie handelt von einem möglichen neunten Planeten in unserem Sonnensystem – einem Gasriesen, größer als Jupiter, der sich irgendwo in der Oortschen Wolke verbergen könnte und nur darauf wartet, gefunden zu werden.
Ein Artikel in der Zeitschrift „The Independent“ sagte aus, dass der neue Planet, genannt „Tyche“, schon mittels Daten der WISE-Mission gefunden wurde. Diese Aussage veranlasste das WISE-Team dazu, einen Widerspruch auf ihrer Facebook-Seite zu veröffentlichen: „Nicht wahr. Zwei Wissenschaftler veröffentlichten eine Studie, in der es hieß, dass WISE einen solch großen Planeten in den Weiten des Sonnensystems gesehen haben müsste. Das ist korrekt. Aber man wird die Daten während der nächsten Jahre analysieren müssen, um zu bestimmen, ob WISE so eine Welt gefunden hat oder nicht.“
Um dem ganzen einen Sinn zu geben, suchte Universe Today einen Wissenschaftler, der das Sonnensystem beobachtet hat wie kein anderer: Mike Brown, der Eris, Haumea und Makemake mitentdeckt hat, erläutert seine Meinung über Tyche.
„Ja“, sagte Brown, „das ist alles ziemlich lustig in diesen Tagen!“
Die Geschichte beginnt von mindestens einem Jahrzehnt. Über Jahre haben John Matese von der University of Louisiana in Lafayette und sein Kollege Daniel Whitmire herauszufinden versucht, warum viele Kometen, die aus der Oortschen Wolke stammen, seltsame Umlaufbahnen besitzen, welche nicht mit den Theorien zusammenpassen, die beschreiben, wie Kometen sich eigentlich verhalten sollten. Die beiden Wissenschaftler nahmen erst den Gravitationseinfluss eines dunklen Begleiters der Sonne – einem Braunen Zwerg oder roten Zwergstern – als Ursache an, der Kometen in das innere Sonnensystem lenkt. Sie nannten ihn „Nemesis“ (ein weiteres Lauffeuer), aber die Nemesis-Theorie wurde weitgehend widerlegt.
Im letzten Jahr vermuteten Matese und Whitmire dass ein großer Planet von vierfacher Jupitermasse in der Oortschen Wolke erklären könnte, warum langperiodische Kometen sich in einem gegen die Ekliptik geneigten Band konzentrieren, anstelle aus zufälligen Richtungen zu kommen.
Dann kam die Wiederbelebung ihrer Theorie mit mehreren Artikeln in dieser Woche, welche sie als Tatsache darstellten.
Könnte es einen Riesenplaneten geben, der 500 Mal weiter entfernt ist als Neptun?
„Absolut“, sagte Brown. „Viele Leute haben lange Zeit über solche Möglichkeiten spekuliert. Es ist eine faszinierende Idee, weil es gelinde gesagt Spaß machen würde.“
Aber Spaß und Aufregung außer Acht gelassen, gibt es aktuell irgendeinen Beweis?
„Naja, die Qualität der Daten, mit denen Matese und Whitmire gearbeitet haben ist ziemlich mies – kein Fehler von ihnen selbst. Es sind nur die historischen Aufzeichnungen davon, wo Kometen herkamen.“, schrieb Brown in einer Email. „Ich glaube nicht, dass irgendjemand die Einzelheiten der Daten gut genug versteht, um eine fundierte Schlussfolgerung zu ziehen. Aber Matese und Whitmire haben ihr Bestes versucht und denken, die Daten weisen auf ein Objekt dort draußen hin.“
Denkt Brown, dass es da draußen wirklich etwas gibt?
„Naja“, sagte er, „wenn ich auf eine Möglichkeit wetten müsste, würde ich auf nein wetten. Die Daten überzeugen mich nicht und es gibt nirgendwo andere Hinweise, dass es etwas gibt. Deswegen bin ich ziemlich skeptisch.“
Allerdings glaubt Brown, dass WISE eine gute Chance hat, solch ein Objekt zu finden – falls es existiert – auch, wenn die Vorhersagen nichts mit dem realen Objekt zu tun haben.
„Das ist eine Sache, nach der die Leute intensiv suchen werden, wenn die Daten veröffentlicht wurden“, sagte Brown, „und das WISE-Team sucht zweifelsfrei schon danach – nicht wegen der Voraussage, sondern weil es wichtig ist, diese unbekannte Region des Sonnensystems zu untersuchen!“
Also macht euch keine Sorgen über die Internationale Astronomische Union, die einen neuen Planeten in unserem Sonnensystem bestätigen oder ihm einen Namen geben muss – zumindest jetzt noch nicht.
(THK)
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