Schlaf ist ein kostbares Gut. Jeder, der an Schlaflosigkeit leidet, weiß, wie lähmend der Verlust von Schlaf ist. Richard Stephenson und Vern Lewis von der Universität von Toronto (Kanada) erklären, dass der Schlaf eine zentrale Rolle bei einer Reihe von biologischen Prozessen spielt, darunter die Bildung von Erinnerungen, aber viele Fragen sind noch unbeantwortet. Zum Beispiel wissen wir nicht einmal, wie viel Schlaf wir brauchen. Stephenson und Lewis zufolge haben Weichtiere wie die Seehasen und die große Schlammschnecke (Lymnaea stagnalis) uns eine Menge über die neuronale Basis der Entstehung von Erinnerungen gelehrt, aber können sie uns auch Auskunft über den Schlafmechanismus geben? Vor allem weil nicht klar war, ob sie überhaupt schlafen. Stephenson und Lewis entschieden sich dafür, herauszufinden, ob Schnecken schlafen.
„Es gibt keine einzelne Eigenschaft, die unzweideutig das Schlafstadium definiert“, sagten Stephenson und Lewis, „stattdessen werden verschiedene Kriterien gemeinsam benutzt.“ Sie behielten im Hinterkopf, wie unempfänglich und wie schwer schlafende Tiere zu wecken sind und dass sie in charakteristischen Positionen verharren. Dann beobachteten sie vor diesem Hintergrund das Verhalten von Schlammschnecken in einem Tank und katalogisieren die Aktivitäten der Weichtiere, um herauszufinden, ob sie etwas taten, das wie Schlaf aussah.
Bei der Analyse der Aktivitäten fiel Stephenson und Lewis auf, dass die Tiere für mehrere Zehn Minuten inaktiv an festen Oberflächen klebten. Und die Schnecken sahen entspannt aus wie andere schlafende Spezies: Ihre Häuser hingen vom Körper herunter, während sie an den Seiten des Tanks klebten, der Fuß sah symmetrisch und entspannt aus und ihre Fühler waren nur teilweise ausgefahren.
Nachdem sie ein schlafähnliches Ruhestadium identifiziert hatten, testete das Duo die Reaktionen der Schnecke: Sie stießen die Weichtiere an und stimulierten ihren Appetit, wenn sie aktiv waren und zu schlafen schienen. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die ruhenden Schnecken viel langsamer reagierten als aktive Schnecken. Sie brauchen doppelt so lange, um sich in ihre Häuser zurückzuziehen, wenn sie angestupst wurden und sieben Mal länger um eine Reaktion auf den stimulierten Appetit zu zeigen. Alles in allem schienen die Schnecken tatsächlich zu schlafen, aber war ihr Schlafrhythmus ähnlich dem unseren und würde die Tageslänge ihn beeinflussen?
Das Team überwachte das Verhalten von acht Schnecken über 79 Tage und änderten dabei das Licht, dem die Tiere ausgesetzt waren. Anstatt ihren Schlafrhythmus über eine 24-Stunden-Periode zu regulieren, gruppierten die Schnecken ihre Schlafphasen alle zwei bis drei Tage. Und sie schienen auch nicht an „Sleep-Rebound“ zu leiden – wenn wir entgangenen Schlaf mal so bezeichnen.
Trotz der Unterschiede zwischen dem Ruheverhalten von Säugetieren und Schnecken glauben Stephenson und Lewis, dass Schlammschnecken schlafen. Sie sagen: „Wir denken, dass Lymnaea stagnalis trotz ihrer anatomischen Einfachheit und ihrer neurophysiologischen Lenkbarkeit uns von Nutzen bei der Untersuchung von zellulären Mechanismen der Schlafregulation und Schlaffunktion sein könnte.“
Quelle: http://jeb.biologists.org/cgi/content/short/214/5/i-a
(THK)
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