Die meisten Menschen würden sicher niemals vermuten, dass ein „Abfall-Baum“ – also einer mit geringem wirtschaftlichen Nutzen – den viele Bauern entfernen, weil sie landwirtschaftliche Nutzfläche zerstören können, eine Schlüsselfunktion im Kampf gegen tödliche Bakterien besitzen könnte. Doch jetzt hat ein Wissenschaftler der University of Missouri ein Antibiotikum in der Eastern Red Cedar (Virginischer Wacholder , lat. Juniperus virginiana; Anm. d. Red.) gefunden, das effektiv gegen Methicillin-restistente Stämme von Staphylococcus aureus (MRSA) wirkt, einem sogenannten „Superbug“, der gegen die meisten Antibiotika resistent ist.
„Ich wollte einfach einen Nutzen für eine Baumart finden, die als allgemeines Ärgernis gilt“, sagte Chung-Ho Lin, Assistenzprofessor für Forschung im Zentrum für Agroforstwirtschaft der University of Missouri am College of Agriculture, Food and Natural Resources. „Diese Entdeckung könnte sowohl Patienten beim Kampf gegen die Bakterien helfen, als auch eine neue Geldquelle für die Farmer eröffnen.“
MRSA ist ein sich ständig weiterentwickelndes Bakterium, das bereits gegen die meisten Medikamente resistent ist. Bei den meisten Menschen ist die Infektion auf die Haut begrenzt. Doch sie kann auch lebenswichtige Organe befallen und ein toxisches Schocksyndrom und Pneumonie verursachen, besonders bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem. Die Anzahl der Krankheitsfälle durch MRSA steigt weltweit an. Vor 30 Jahren wurden etwa 2 Prozent der Staphylokokkeninfektionen durch MRSA verursacht. Im Jahr 2003 war diese Zahl bereits auf 64 Prozent angestiegen. Im Jahr 2005 erkrankten in den Vereinigten Staaten 94.000 Menschen an lebensbedrohlichen MRSA-Infektionen, wie einem Bericht des Centers for Disease Control zu entnehmen ist. Beinahe 19.000 Patienten verstarben während ihres Krankenhausaufenthaltes in Verbindung mit dieser Infektion.
Obwohl die Eastern Red Cedar nur geringen wirtschaftlichen Nutzen hat, kommt sie in den USA in großer Anzahl vor und ihr Verbreitungsgebiet reicht von Kansas bis in die östlichen Bundesstaaten. Alleine in Missouri wachsen schätzungsweise 500 Millionen dieser Bäume. Lin begann seine Arbeit, indem er sich auf bestehende Forschungsarbeiten stützte, die das antibakterielle Potenzial bewiesen, das auf chemischen Verbindungen basiert, welche aus dem Baum gewonnen wurden.
Lin, George Stewart, Professor und und Vorsitzender in der Abteilung Pathobiologie im College of Veterinary Medicine, und Brian Thompson, promovierter Stipendiat am Bond Life Sciences Center, identifizierten, isolierten und testeten bis jetzt 17 bioaktive Substanzen und wollen in Zukunft auch noch Weitere analysieren. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass ein in relativ geringem Anteil in dem Wacholder vorkommender Wirkstoff – nur 5 Mikrogramm pro Milliliter – wirksam gegen MRSA ist. Das Team untersuchte die Effektivität des Wirkstoffes gegen viele verschiedene Stämme von MRSA im Reagenzglas mit vielversprechenden Anfangsergebnissen.
„Wir fanden diese Chemikalie in den Nadeln des Wacholders, eine ergiebige und erneuerbare Quelle, die jährlich geerntet werden kann“, sagte Brian Thompson. „Weil sich der Stoff in den Nadeln befindet, müssen die Bäume auch nicht gefällt werden.“
Neben dem Potenzial im Kampf gegen MRSA fanden die Wissenschaftler auch noch heraus, dass bestimmte Wirkstoffe aus den Bäumen bei Mäusen Hautkrebs bekämpfen und vernichten können. Auch bei der erfolgreichen Behandlung von Hautakne ist ein Einsatz denkbar. Jedoch sagte Stewart, dass die Wirkstoffe erst in einigen Jahren kommerziell zum Einsatz kommen können, weil sie zuerst noch klinische Tests durchlaufen müssen. Die Arbeit der Gruppe wurde vor Kurzem bei der Internationalen Konferenz für grampositive Erreger präsentiert.
(SOM)
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