Im Jahr 1897 ersann sich H.G. Wells einen fiktionalen Wissenschaftler, der unsichtbar wurde, indem er seinen Brechungsindex dem der Luft anglich, so dass sein Körper kein Licht absorbieren oder reflektieren konnte. In jüngerer Zeit verschwand Harry Potter, nachdem er sich in einen Mantel einhüllte, der aus dem Fell von magischen Pflanzenfressern gewoben wurde. Zahllose andere fiktionale Charaktere in Büchern und Filmen haben in der Vergangenheit Wege entdeckt oder entwickelt, um unsichtbar zu werden – ein Thema, das lange ein Grundnahrungsmittel der Science Fiction und Quelle der Faszination für die Menschen war. Wer von uns hat sich nie die Möglichkeiten vorgestellt?
Aber es ist natürlich nicht real. Oder doch?
Solange niemand ein Gewand anziehen und verschwinden kann, hat Elena Semouchkina, Dozentin für Elektrotechnik und Informatik an der Michigan Technological University, Wege gefunden, mit magnetischen Resonanzen Strahlen aus sichtbarem Licht einzufangen und um Objekte herumzuleiten, was die Objekte für das menschliche Auge unsichtbar macht. Ihre Arbeit basiert auf optischen Ansätzen, die 2006 von den britischen Wissenschaftlern John B. Pendry und Ulf Leonhardt entwickelt und angewandt wurden, um eine Lösung für Unsichtbarkeitsprobleme zu bekommen.
„Man stelle sich vor, dass man ein Objekt anschaut, das sich vor einer Lichtquelle befindet“, erklärt sie. „Das Objekt würde unsichtbar für unser Auge sein, wenn die Lichtstrahlen um es herum geleitet würden, um Lichtbrechung zu vermeiden und wenn sie entlang der gekrümmten Pfade beschleunigt werden würden, damit sie unser Auge zur selben Zeit erreichen, wie die Lichtstrahlen, welche die Quelle verlassen, wenn das Objekt nicht da ist.“
Am einfachsten fließen die Lichtstrahlen um das Objekt herum und treffen sich wieder auf der anderen Seite, so dass jemand, der das Objekt direkt ansieht, nicht in der Lage wäre, es zu sehen – sondern nur das, was auf der anderen Seite ist.
„Man würde die Lichtquelle direkt durch das Objekt sehen“, sagte Semouchkina. „Dieser Effekt könnte erreicht werden, wenn wir das Objekt mit einer Hülle umgeben, deren Material auf spezielle Art verteilt ist und bestimmte Parameter wie Permittivität (dielektrische Leitfähigkeit) und Permeabilität aufweist.“
Sie und ihre Partner von der Pennsylvania State University, wo sie ebenfalls als außerordentliche Professorin tätig ist, haben eine nichtmetallische „Tarnkappe“ entwickelt, die konzentrische Anordnungen aus identischen Glasresonatoren verwendet. Diese bestehen aus Glas mit Chalkogen-Elementen – eine Art dielektrisches Material, das keine Elektrizität leitet.
In Computersimulationen ließ die Tarnkappe Objekte, die von annähernd einen Mikrometer oder ein Millionstel Meter langen Infrarotwellen getroffen wurden, für den Betrachter verschwinden. Die potenziellen praktischen Anwendungen dieser Arbeit könnten dramatisch sein, zum Beispiel beim Militär, so wie „Objekte unsichtbar für das Radar zu machen“, sagte Semouchkina, oder bei nachrichtendienstlichen Tätigkeiten, „um Personen oder Objekte zu verbergen.“
Weiterhin „ist es auch sehr wichtig, Objekte vor elektromagnetischer Strahlung abzuschirmen“, sagte sie und ergänzte „die Spielwarenindustrie könnte es sicherlich für neue Arten von Spielzeug benutzen.“ Multiresonator-Strukturen, die Semouchkina’s Tarnkappe umfassen, gehören zu so genannten Metamaterialien – künstliche Materialien mit Eigenschaften, die in der Natur nicht vorkommen -, welche Licht auf ungewöhnliche Arten brechen können. Dazu zählen insbesondere die „Speichen“ von winzigen Glasresonatoren, die Lichtwellen um ein Objekt herum beschleunigen und es unsichtbar machen.
Bis jetzt seien keine Materialien mit den relativen Permeabilitätswerten zwischen Null und Eins verfügbar gewesen, die von der Tarnkappe benötigt werden, um Lichtstrahlen zu beugen und zu beschleunigen, sagte sie. Allerdings würden Metamaterialien, die vor über 40 Jahren von dem russischen Wissenschaftler Victor Veselago vorausgesagt, und im Jahr 2000 erstmals von Pendry (Imperial College) und David R. Smith (Duke University) konstruiert wurden, es jetzt möglich machen, sagte sie. Metamaterialien verwenden Gitter aus Resonatoren anstelle von Atomen oder Moleküle aus natürlichen Materialien und bieten eine breite Auswahl relativer Permittivität und Permeabilität, darunter Null und negative Werte in der Umgebung der Resonanzfrequenz. Metamaterialien werden von der American Physical Society als eine der drei wichtigsten physikalischen Entdeckungen des Jahrzehnts angesehen.
„Metamaterialen wurden ursprünglich aus metallischen Ringresonatoren und Drahtanordnungen konstruiert, die ihre Isotropie (Gleichförmigkeit in alle Richtungen) und den Frequenzbereich eingrenzten“, sagte Semouchkina. „Abhängig von der Größe der Ring-Resonatoren konnten sie im Wesentlichen mit Mikrowellen und Millimeterwellen arbeiten.“
2004 schlug ihre Forschungsgruppe vor, Metallresonatoren durch dielektrische Resonatoren zu ersetzen. „Obwohl es seltsam erschien, magnetische Eigenschaften eines Metamaterials durch Nichtleiter zu kontrollieren, haben wir gezeigt, dass Anordnungen von dielektrischen Resonatoren negative Lichtbrechung und andere einzigartige Eigenschaften von Metamaterialien bereitstellen können“, sagte sie. „Verlustarme dielektrische Resonatoren versprechen, Anwendungen von Metamaterialien auf den optischen Bereich auszudehnen und wir haben diese Möglichkeit durch das Entwickeln einer Infrarot-Tarnkappe demonstriert.“
Semouchkina und ihre Kollegen berichteten kürzlich im Journal Applied Physics Letters über ihre Forschung, das vom American Institute of Physics herausgegeben wird. Ihre Co-Autoren waren Douglas Werner und Carlo Pantano von der Pennsylvania State University und George Semouchkin, der an der Michigan Technological University unterrichtet und außerdem an der Pennsylvania State University ist.
Die National Science Foundation (NSF) unterstützt ihre Forschung über dielektrische Metamaterialien und die Anwendungen des Teams durch einen mit 318.520 US-Dollar dotierten Preis, aber sie plant, einen weiteren Zuschuss zu beantragen, um spezifische Studien über Tarnkappen-Strukturen durchzuführen.
Semouchkina, die ihren Master-Abschluss in Elektrotechnik und ihren Doktor in Physik und Mathematik von der Tomsk State University in ihrem Geburtsland Russland erhielt, lebt seit 13 Jahren in den Vereinigten Staaten und ist seit 2005 US-Bürgerin. Den zweiten Doktortitel in Materialwissenschaften bekam sie 2001 von der Pennsylvania State University.
Sie und ihr Team testen zur Zeit eine vollständig nichtleitende Tarnkappe, die darauf ausgerichtet wurde, mit Mikrowellenfrequenzen zu arbeiten. Sie führen die Experimente in der Absorberhalle der Michigan Technological University durch, einer höhlenartigen Einrichtung, welche mit stark absorbierende Schaumstoffkegeln ausgekleidet ist.
Dort übertragen und empfangen „Horn“-Antennen Mikrowellen mit Wellenlängen bis zu mehreren Zentimetern, das ist mehr 10.000 Mal länger als im Infrarotbereich. Sie verstecken Metallzylinder von fünf bis 7,5 Zentimetern Durchmesser und einer Höhe von 7,5 bis zehn Zentimetern, welche eine Hülle aus millimetergroßen Keramikresonatoren besitzen.
„Wir wollen die Experimente zu höheren Frequenzen und kürzeren Wellenlängen bringen“, sagte sie. „Die aufregendsten Anwendungen werden im Bereich der sichtbaren Wellenlängen liegen.“
Quelle: http://www.nsf.gov/discoveries/disc_summ.jsp?cntn_id=118723&org=NSF
(THK)
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