CL J1449+0856: Der bislang älteste und entfernteste „erwachsene“ Galaxienhaufen

Der Galaxienhaufen CL J1449+0856. (ESO/NOAJ/Subaru/R. Gobat)
Der Galaxienhaufen CL J1449+0856. (ESO/NOAJ/Subaru/R. Gobat)

Astronomen haben eine Armada von Teleskopen am Boden und im Weltraum – darunter das Very Large Telescope am Paranal Observatorium der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile – benutzt, um den bisher entferntesten voll entwickelten Galaxienhaufen zu entdecken und die Distanz zu ihm zu bestimmen. Obwohl das Licht des Galaxienhaufens aus einer Zeit stammt, als das Universum ein Viertel seines heutigen Alters hatte, gleicht er den Galaxienhaufen, die sich im heutigen Universum befinden und deutlich mehr Zeit hatten, um sich zu entwickeln.

„Wir haben die Distanz zu dem am weitesten entfernten ‚erwachsenen‘ Galaxienhaufen bestimmt, der bis jetzt gefunden wurde“, sagte Raphael Gobat (CEA, Paris), der Hauptautor der Studie, in der auch Beobachtungen des Very Large Telescope (VLT) verwendet wurden. „Das Überraschende ist, dass dieser Galaxienhaufen nicht jung aussieht, wenn wir ihn uns genau betrachten – viele der Galaxien sind voll entwickelt und ähneln nicht den sternproduzierenden Galaxien, welche normalerweise in dem jungen Universum beobachtet werden.“

Galaxienhaufen sind die größten Strukturen im Universum, die durch Gravitation zusammengehalten werden. Astronomen nehmen an, dass diese Galaxienhaufen mit der Zeit wachsen und infolgedessen massive Galaxienhaufen im jungen Universum sehr selten waren. Obwohl noch entferntere Galaxiencluster beobachtet wurden, scheint es sich dabei um junge Galaxienhaufen zu handeln, die sich noch im Entwicklungsprozess befinden, und nicht um „ausgewachsene“ Systeme.

Das internationale Astronomenteam benutzte die leistungsfähigen VIMOS und FORS2 Instrumente am Very Large Telescope der ESO, um die Entfernung zu einigen der „Flecken“ in einem Bereich sehr leuchtschwacher, roter Objekte zu messen, die zuerst mit dem Spitzer Weltraumteleskop beobachtet wurden. Diese Gruppe, CL J1449+0856 genannt, hatte alle Merkmale eines voll entwickelten Galaxienhaufens. Der komplizierte Name ergibt sich aus der Position des Galaxienhaufens am Himmel. Die Objekte leuchten überwiegend im Infrarotbereich, weil die Expansion des zu dem Zeitpunkt noch jungen Universums die Wellenlänge des Lichts ins Rote verschoben hat. Außerdem bestehen die Galaxien vermutlich größtenteils aus verhältnismäßig kühlen, rot leuchtenden Sternen. Die Ergebnisse der Beobachtungen zeigten, dass wir dort tatsächlich einen Galaxienhaufen zu dem Zeitpunkt sehen, als das Universum etwa drei Milliarden Jahre alt war – weniger als ein Vierteil seines heutigen Alters.

Nachdem das Team die Entfernung zu diesem sehr seltenen Objekt bestimmt hat, untersuchte man die zugehörigen Galaxien sorgfältig mit dem Hubble-Weltraumteleskop der NASA/ESA und mit bodengestützten Teleskopen, einschließlich dem VLT. Die Astronomen fanden Beweise, die darauf hindeuten, dass die meisten Galaxien in dem Galaxienhaufen keine Sterne produzieren, sondern aus Sternen bestehen, die schon über eine Milliarde Jahre alt sind. Das macht den Galaxienhaufen zu einem ausgewachsenen Objekt, in seiner Masse vergleichbar mit dem Virgo Cluster, dem der Milchstraße nächstgelegenen Galaxienhaufen.

Weitere Beweise dafür, dass es sich um einen ausgewachsenen Galaxienhaufen handelt, stammen aus Untersuchungen mit dem XMM-Newton Weltraumteleskop der ESA, das die Röntgenstrahlen, die von CL J1449+0856 emittiert werden, beobachtete. Der Galaxienhaufen gibt Röntgenstrahlung ab, die von einer sehr heißen Gaswolke stammt, welche den Raum zwischen den Galaxien erfüllt und sich in Richtung des Galaxienhaufenzentrums konzentriert. Dies ist ein weiteres Anzeichen für einen ausgewachsenen Galaxienhaufen, der durch seine eigene Gravitation zusammengehalten wird. Sehr junge Galaxienhaufen hatten nicht genug Zeit, um das heiße Gas auf diese Weise einzufangen.

Gobat schlussfolgert: „Diese neuen Ergebnisse unterstützen die Theorie, dass erwachsene Galaxienhaufen schon existierten, als das Universum weniger als ein Viertel seines heutigen Alters hatte. Solche Galaxienhaufen sollten der aktuellen Theorie zufolge sehr selten sein und wir hatten Glück, einen zu finden. Aber wenn weitere Beobachtungen viele andere Galaxienhaufen dieser Art entdecken, dann könnte das bedeuten, dass unser Verständnis des jungen Universums neu überdacht werden muss.“

Anm. d. Red.: Die Entfernung des Galaxienhaufens beträgt basierend auf den obigen Daten rund 10,4 Milliarden Lichtjahre.

Quelle: http://www.eso.org/public/news/eso1108/

(THK)

Werbung

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*