Interview: Die Wissenschaft hinter einem Tsunami

Auswirkungen des Bebens vom 11. März 2011. (NOAA)
Auswirkungen des Bebens vom 11. März 2011. (NOAA)

Das schwere Erdbeben der Stärke 8,9, das am 11. März 2011 die Ostküste von Japans Hauptinsel traf, setzte einen massiven Tsunami in Gang, der wahrscheinlich Tausende Menschenleben gefordert hat und Tsunamiwarnungen quer über den Pazifik auslöste, Tausende Kilometer entfernt vom Epizentrum des Bebens. Wie erzeugen Erdbeben solche enormen Tsunami-Ereignisse und wie können Wissenschaftler vorhersagen, wohin sich die massiven Wellen bewegen? Universe Today sprach mit Anne Sheehan, einer Professorin für Geowissenschaften an der University of Colorado in Boulder und verbunden mit dem Cooperative Institute for Research in Environmental Sciences. Außerdem kam David Admiraal, ein Dozent für Ingenieurswissenschaften an der University of Nebraska in Lincoln.

Universe Today (UT): Wie erzeugt ein Erdbeben einen Tsunami?

David Admiraal: Tsunamis werden gebildet, wenn ein Erdbeben stattfindet, und wenn es eine Verschiebung im Meeresboden gibt, der wiederum eine Verschiebung des Wassers auslöst. Diese Wasserverschiebung erzeugt eine Welle.

UT: Muss das Erdbeben eine bestimmte Stärke haben, um einen Tsunami auszulösen?

Anne Sheehan: Es hängt mehr davon hab, wo es stattfindet als von seiner Magnitude. Es muss den Meeresboden verschieben – ein großes Erdbeben in Colorado würde beispielsweise keinen Tsunami auslösen. Und manchmal gibt es Erdbeben, die einen gewaltigen Tsunami auslösen und die Erdbeben sind gar nicht so stark – sie haben nur mehr Meeresboden bewegt. Deswegen gibt es kein bestimmtes Limit für die Stärke eines Bebens, aber es muss unter dem Ozean stattfinden und es muss den Meeresboden in vertikaler Richtung bewegen. Wenn es den Meeresboden seitlich verschiebt, macht das nicht so viel aus.

UT: Wie schnell bewegen sich Tsunamiwellen?

Sheehan: Sie bewegen sich mit etwa 800 Kilometern pro Stunde fort. Das scheint schnell, aber verglichen mit einer seismischen Welle ist es langsam. Man sagt, Tsunamis bewegen sich mit der Geschwindigkeit eines Düsenflugzeugs, aber man braucht immer noch Stunden um Stunden, um von Tokio nach Hawaii zu fliegen, und der Tsunami benötigt sieben Stunden, bis er die Küsten von Hawaii erreicht. Das ist gut, weil es den Leuten Zeit gibt, sich vorzubereiten und zu evakuieren. Aber trotzdem ist das eine sehr hohe Geschwindigkeit für eine Bewegung auf dem Meer und der Tsunami ist so schnell, weil der Ozean so tief ist.

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Video-Link: https://youtu.be/GfpRcUc-eg0

 

Die Geschwindigkeit einer seismischen Welle, der P-Welle (primary wave, welche die schnellste Art von seismischen Wellen ist), beträgt etwa acht Kilometer pro Sekunde oder 30.000 Kilometer pro Stunde. Das ist schon ein wenig schneller und die seismische Welle benötigt für dieselbe Distanz nur wenige Minuten.

UT: Wie unterscheiden sich Tsunamis von normalen Wellen, die wir im Ozean sehen?

Sheehan: Sie sind anders, weil sie keine Wellenberge und -täler haben, die Sekundenbruchteile lang sind. Bei Tsunamis ist der Berg und das Tal ungefähr 15 Minuten lang. Die Stärke der Welle ist gewaltig – obwohl ihre Amplitude, oder ihre Höhe, nicht viel größer ist als die Höhe von Wellen, wenn man surfen geht. Aber hinter der Welle befindet sich 15 Minuten entfernt eine ganze Wasserwand im Ozean. Sie mag von der Oberfläche aus nicht wahrnehmbar sein – vielleicht gibt es nur eine kleine Erhebung auf der Oberfläche. Für Schiffe auf dem Ozean sind die Wellen kaum zu spüren, aber in Häfen können Schiffe hin und her geschleudert werden.

Admiraal: Also, auf dem Ozean hat man vielleicht nur eine kleine Erhebung in der Oberfläche, aber diese Erhebung enthält eine Menge Energie. Wenn sie auf Küstengebiete trifft, wo der Ozean flacher ist, wird die Wellenlänge der Tsunamiwelle viel kleiner, weil die Geschwindigkeit der Welle stark abnimmt. Und wenn das vordere Ende der Welle sich beim Auftreffen auf flachere Gewässer verlangsamt, dann bewegt sich das vordere Ende der Welle viel langsamer als das hintere Ende und deswegen holt das hintere Ende das vordere Ende ein, wodurch die Welle eine sehr hohe Amplitude entwickelt. Wenn das hintere Ende das vordere Ende in flachen Gewässern einholt, kann die Welle so hoch werden, dass sie alles beschädigen kann, was sich auf dem Land in Küstennähe befindet.

Sheehan: Der Unterschied zwischen einem Tsunami und einer Meereswelle ist, dass der Tsunami wie ein kompletter Fluss auftaucht – ein Tsunami ist wie eine Klasse-4-Stromschnelle, die urplötzlich auftaucht und man hat einen Wasserstrom, der vorher nicht da war.

UT: Warum kann die Höhe von Tsunamiwellen nicht genau vorhergesagt werden, bevor sie auf Küstengebiete treffen?

Sheehan: Während wir die Geschwindigkeit und die Richtung ziemlich gut vorhersagen können, ist die Höhe an einem bestimmten Ort nur sehr schwer vorauszusagen.

Es gibt DART-Bojen (Deep-ozean Assessment and Reporting of Tsunamis) im Ozean und am Meeresboden, um den Druck am Meeresgrund zu messen. Sie messen die Größe der Tsunamis, um mit Hilfe von Modellen die Amplituden vorherzusagen. Möglichkeiten, um die Überwachung zu verbessern, wäre eine höhere Anzahl von Bojen und detailliertere Karten des Meeresbodens, weil die Topografie des Meeresbodens großen Einfluss auf die Ausbreitung der Wellen hat. Daran arbeitet die National Ozeanic and Atmospheric Administration (NOAA) aktiv. Wenn man eine bessere Karte des Meeresbodens hat, hat man auch eine bessere Einschätzung des Tsunami-Modells und wenn man mehr Daten über die Tsunami-Wellen im Ozean hat, kann man auch ihre Höhe besser einschätzen.

Um einen folgenden Tsunami vorherzusagen, spielt es eine große Rolle, möglichst genaue Daten über das Erdbeben selbst – die Lokalisierung des Epizentrums und seine Stärke – zu bekommen. Der United States Geological Survey (USGS) spielt eine wichtige Rolle dabei, so schnell wie möglich an diese Informationen zu gelangen.

Quelle: http://www.universetoday.com/84004/the-science-behind-a-tsunami/

(THK)

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