Die Entdeckung eines Musters von Röntgen-„Streifen“ in den Überresten eines explodierten Sterns könnte den ersten direkten Beweis dafür liefern, dass kosmische Ereignisse Teilchen auf Energien beschleunigen können, die Hundert mal höher als die der leistungsfähigsten Teilchenbeschleuniger auf der Erde sind.
Dieses Ergebnis basiert auf einer sehr langen Beobachtung des Tycho Supernova-Überrests mit dem von der NASA betriebenen Röntgenobservatorium Chandra. Es könnte erklären, wie einige der extrem energiereichen Teilchen erzeugt werden, die als kosmische Strahlen die Erde bombardieren.
„Wir haben viele einzigartige Strukturen in Supernova-Überresten gefunden, aber wir haben noch nie zuvor Streifen gesehen“, sagte Kristoffer Eriksen von der Rutgers University und Leiter der Studie. „Das brachte und dazu, intensiv darüber nachzudenken, was in der Schockwelle dieser massiven Explosion geschieht.“ Diese neuste Studie von Chandra unterstützt eine Theorie, die beschreibt, wie magnetische Felder in solchen Schockwellen dramatisch verstärkt werden können.
Nach dieser Theorie werden die magnetischen Felder stark verwickelt, wodurch die Bewegungen der Teilchen in der Nähe der expandierenden Supernova Schockwelle an der Vorderseite des Supernova-Überrests sehr turbulent werden. Hochenergetische geladene Teilchen können in der Schockwelle wiederholt vor- und zurückspringen und dabei Energie gewinnen. Theoretische Modelle von den Bewegungen der energiereichsten Teilchen – hauptsächlich Protonen – sagen ein umfangreiches Netzwerk von Löchern und dichten Wänden voraus, die schwachen und starken magnetischen Feldern entsprechen.
Die von den Chandra-Wissenschaftlern entdeckten Röntgen-„Streifen“ sind vermutlich Regionen mit stärkeren Turbulenzen, in denen die Magnetfelder mehr verdreht sind als in den umgebenden Gebieten. Sie könnten die Wände darstellen, die von der Theorie vorausgesagt werden. Elektronen werden in diesen Regionen gefangen und emittieren Röntgenstrahlen, wenn sie sich entlang der magnetischen Feldlinien bewegen.
Allerdings wurde das regelmäßige und fast periodische Muster der Röntgenstreifen nicht von der Theorie vorausgesagt.
„Es war eine große Überraschung, solch ein sauber angeordnetes Streifenmuster zu finden“, sagte Co-Autor Jack Hughes, ebenfalls von der Rutgers University. „Wir haben nicht erwartet, soviel Ordnung inmitten von soviel Chaos vorzufinden. Es könnte bedeuten, dass die Theorie nicht vollständig ist, oder dass es da noch etwas anderes gibt, das wir nicht verstehen.“
Vorausgesetzt, der Raum zwischen den Röntgenstreifen entspricht dem Radius der Spiralbewegung von den energiereichsten Protonen innerhalb des Supernova-Überrests, dann entspricht die Energie dem Hundertfachen der Energiemenge, die in dem Large Hadron Collider (LHC) erreicht wird. Diese Energien sind die höchsten Energien bei kosmischen Strahlen, die in unserer Galaxie produziert werden.
Weil kosmische Strahlen aus geladenen Teilchen wie Protonen oder Elektronen bestehen, ändert sich ihre Bewegungsrichtung, wenn sie auf magnetische Felder innerhalb der Galaxie treffen. Deswegen kann der genaue Ursprung bestimmter, auf der Erde registrierter kosmische Strahlen nicht festgestellt werden.
Supernova-Überreste wurden lange als guter Kandidat für die Erzeugung der energiereichsten kosmischen Strahlen in unserer Galaxie angesehen. Die Protonen können Energien erreichen, die Hundert Mal höher als die der energiereichsten Elektronen sind, aber weil sie nicht so effizient wie Elektronen strahlen, mangelte es an direkten Beweisen für die Beschleunigung von kosmischen Strahlen in Supernova-Überresten.
Diese Ergebnisse unterstützen auch die Voraussage, dass die magnetische Felder im interstellaren Raum durch Supernova-Überreste enorm verstärkt werden, aber der Unterschied zwischen den beobachteten und den vorausgesagten Strukturen bedeutet, dass andere Interpretationen nicht ausgeschlossen werden können.
„Wir waren aufgeregt, diese Streifen zu entdecken, weil sie uns erstmals erlauben könnten, den Ursprung der energiereichsten, in unserer Galaxie produzierten Teilchen direkt zurück zu verfolgen“, sagte Eriksen. „Aber wir beanspruchen den Sieg noch nicht.“
Der Tycho Supernova-Überrest ist nach dem berühmten dänischen Astronom Tycho Brahe benannt, der 1572 berichtete, die Supernova beobachtet zu haben. Wissenschaftler denken, dass die Explosion auftrat, als ein Weißer Zwerg Masse ansammelte und seine kritische Grenzmasse überschritt, wodurch eine so genannte Typ-Ia-Supernova entstand. Der Tycho Supernova-Überrest befindet sich in der Milchstraße, etwa 13.000 Lichtjahre von der Erde entfernt.
„Supernova-Überreste sind unsere besten kosmischen Laboratorien, in denen wir beobachten können, wie die Natur die energiereichsten kosmischen Strahlen beschleunigt“, sagte Roger Blandford von der Stanford University, ein ausgewiesener Experte in diesem Fachgebiet, der nicht an der Studie beteiligt war. „Diese sorgfältigen Messungen liefern einen wichtigen Anhaltspunkt darüber, was in diesen gigantischen Schockwellen passiert.“
Ihre Ergebnisse wurden in der Ausgabe vom 20. Februar 2011 der The Astrophysical Journal Letters veröffentlicht. Die anderen Co-Autoren sind Carles Badenes von der Tel-Aviv University und dem Weizmann Institute of Science in Israel, Robert Fesen vom Dartmouth College (New Hampshire), Parviz Ghavamian vom Space Telescope Science Institute in Baltimore (Maryland), David Moffett von der Furman University in Greenville (South Carolina), Paul Plucinsky vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) in Cambridge (Massachussetts), Cara Rakowski vom Naval Research Laboratory in Washington D.C., Estela M. Reynoso vom Institute of Astronomy and Space Physics und der University of Buenos Aires (Argentinien) und Patrick Slane vom CfA.
Das Marshall Space Flight Center der NASA in Huntsville (Alabama) betreibt das Chandra-Programm für das Science Mission Directorate in Washington. Das Smithsonian Astrophysical Observatory steuert Chandras Wissenschafts- und Flugoperationen von Cambridge aus.
Quelle: http://www.nasa.gov/mission_pages/chandra/news/tycho.html
(THK)
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