Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen hat der relativ kleine Tevatron-Beschleuniger am Fermi National Accelerator Laboratory in Batavia (Illinois) Hinweise auf ein möglicherweise neues Teilchen gefunden, das über eine neue Naturkraft herrschen würde.
Die neuste Entdeckung, über die am 6. April online bei arxiv.org berichtet wurde, basiert auf einem unerwarteten Überschuss bei Partikeljets, die in dem Beschleuniger erzeugt wurden.
Ein neues Teilchen vergleichbar mit, aber schwerer als das W-Boson und das Z-Boson würde den beobachteten Überschuss erklären. W- und Z-Bosonen sind fundamentale Teilchen, welche die schwache Wechselwirkung (oder schwache Kernkraft) übertragen, die verantwortlich für radioaktiven Zerfall ist.
„Weniger wahrscheinlich“, sagt der Theoretiker Dan Hooper vom Fermilab, „ist die Möglichkeit, dass das neue Teilchen eine Version des lang gesuchten Higgs-Bosons ist.“ Diese Version des Higgs-Bosons wäre schwerer als das vom Standardmodell der Teilchen und Kräfte vorausgesagte Higgs-Boson und würde weniger oft mit Materie wechselwirken. Als das letzte fehlende Stück des Standardmodells betrachtet, wurde das schwer nachweisbare Higgs-Boson als ein Weg konzipiert, um zu erklären, warum einige Elementarteilchen eine Masse besitzen.
Auf der anderen Seite braucht es vielleicht kein neues Teilchen oder eine neue Kraft, um die Daten zu erklären. Der Überschuss könnte durch Phänomene bei gewöhnlichen Interaktionen zwischen Teilchen verursacht worden sein, welche die Forscher nicht verstehen, sagte Hooper, der nicht an der neuen Studie beteiligt war.
Die Hinweise basieren auf Studien am CDF-Experiment, einem von zwei Projekten am Tevatron, das einen Protonenstrahl mit Antiprotonen kollidieren lässt und Energien von fast einer Billion Elektronenvolt erreicht. In einer neuen Analyse konzentrierten sich Titta Aaltonen von der University of Helsinki und einige Mitarbeiter auf Kollisionen zwischen 2001 und 2009, die ein W-Boson zusammen mit zwei leichten Partikeljets einschließlich Elektronen produzierten. Jets sind relativ häufig und sind ein Anzeichen für Quarks, die nicht direkt beobachtbar sind, aber in andere Teilchen zerfallen. Die Erzeugung solcher Jets in Verbindung mit einem W-Boson ist ein entscheidender Ansatzpunkt, um die Physik hinter dem Standardmodell zu testen, sagten Aaltonen und seine Kollegen.
Bei der Betrachtung der Kollisionsprodukte bei Energien zwischen 120 Milliarden und 160 Milliarden Elektronenvolt sahen die Physiker eine unerwarteten Spitze: Sie zählten 250 dieser Ereignisse mehr als vom Standardmodell vorausgesagt werden.
Es gibt nur eine Wahrscheinlichkeit von 0,076 Prozent, dass dieser Überschuss ein Zufall ist, merkte das Team in der Studie an. Trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit nicht klein genug, um den Standardkriterien für physikalische Beweise zu entsprechen. Zum Vergleich: Eine andere kürzlich gemachte unerwartete Entdeckung am CDF-Experiment, die auch auf ein neues Elementarteilchen hindeutet, hat eine kleinere Wahrscheinlichkeit, falsch zu sein (0,04 Prozent). Aber sogar das genügt nicht den allgemein akzeptierten Standards in dem Bereich. Rob Roser, der Sprecher des CDF-Experiments vom Fermilab sagt allerdings, dass die frühere Entdeckung „eine bessere Chance hat, den Test der Zeit zu bestehen“, als die Ergebnisse, über die am 6. April berichtet wurde.
Dennoch fasziniert der Überschuss verschiedene Theoretiker, darunter Hooper, wegen dem Potenzial, ein neues Teilchen am Tevatron zu finden und seine Masse zu bestimmen. Visuell springt einem die Energiespitze des Überschusses bei 145 Milliarden Elektronenvolt förmlich ins Auge und deutet auf die Masse eines möglichen neuen Elementarteilchens, unterstrich Hooper.
In einem Artikel, den Hooper und seine Kollegen am 1. April online bei arxiv.org veröffentlichten, propagieren sie ein Teilchen, das beide neuen Entdeckungen erklären könnte. Das Team berechnete, dass ein hypothetisches Teilchen – das Z‘-Boson, eine schwererer Cousin des Z-Bosons mit einer angenommenen Masse von 150 Milliarden Elektronenvolt – beide Ergebnisse bedingen könnte, wenn das Teilchen stark mit Quarks interagiert, aber Wechselwirkungen mit Elektronen und deren schwereren Brüdern, den Myonen, vermeidet.
Physiker erwarten gespannt die Resultate einer Analyse des anderem Experiments am Tevatron, bekannt als DZero. Wenn das Experiment ebenfalls einen Jetüberschuss in denselben Kollisionsdaten findet, könnte es die Feststellung von einer bloßen Kuriosität zu einer wirklichen Entdeckung machen, sagte Roser. Es wäre auch ein letztes Erfolgserlebnis für den Tevatron-Beschleuniger, der seinen Betrieb Ende September aufgrund von Budgetkürzungen einstellen wird.
Quelle: http://www.sciencenews.org/view/generic/id/72302/title/Fermilab_data_hint_at_possible_new_particle
(THK)
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