Verteilt in der Milchstraße gibt es frei umlaufende Objekte von der Masse Jupiters, welche wahrscheinlich Planeten sind, die den Kern der Galaxie umkreisen, anstatt einen Zentralstern. Aber diese Planeten sind keine seltenen Erscheinungen im interstellaren Ozean: Die Objekte könnten schätzungsweise doppelt so häufig vorkommen wie die häufigsten Sterne.
„Das ist ein erstaunliches Ergebnis, und wenn es korrekt ist, sind die Auswirkungen auf die Entstehung von Planeten tiefgreifend“, sagt Astronomin Debra Fischer von der Yale University in New Haven (Connecticut).
Um die Vagabunden zu finden, richteten die Wissenschaftler ihre Teleskope auf den die zentrale Ausbuchtung (der „Bulge“), die das Zentrum der Milchstraße umgibt. Mit Hilfe des gravitativen Mikrolinseneffektes entdeckten sie zehn Planeten von der Masse des Jupiter, die weit entfernt von leuchtenden Sternen ihre Bahnen ziehen. Dann schätzten sie die totale Anzahl solcher interstellarer Vagabunden basierend auf der Messgenauigkeit, der Wahrscheinlichkeit eines Mikrolinseneffekt-Ereignisses und der relativen Rate von durch Planeten oder Sterne ausgelösten Linseneffekte. Sie schlussfolgerten, dass es rund 400 Milliarden dieser vagabundierenden Planeten geben könnte, was die Anzahl normaler Hauptreihensterne wie unsere Sonne weit in den Schatten stellen würde. Ihre Arbeit wird heute im Magazin Nature veröffentlicht.
Unerwartetes Geschenk
Studienautor Takahiro Sumi, ein Astrophysiker an der Osaka University in Japan, sagt, die abgeleitete Anzahl heimatloser Exoplaneten überrasche ihn. „Die Existenz frei vagabundierender Planeten wurde in der Theorie der Planetenentstehung vorhergesagt, aber niemand wusste, wie viele es gibt“, sagte er.
Und weil aktuelle Theorien der Planetenentstehung sagen, dass niedrigmassige Planeten wahrscheinlicher aus den sich entwickelnden Planetensystemen herausgeschleudert werden als höhermassige Planeten, könnte eine riesige Anzahl leichterer Planeten ungebunden sein. „Sie könnten die Galaxie übersähen“, sagt Fischer.
Sumi und Wissenschaftler der Microlensing Observations in Astrophysics Kollaboration (MOA) und der Optical Gravitational Lensing Experiment Kollaboration (OGLE) benutzten den gravitativen Mikrolinseneffekt, um die Planeten zu entdecken. Dabei werden Helligkeitsveränderungen von entfernten Hintergrundsternen gemessen, wenn die Gravitation eines vorbeiziehenden Planeten das Sternenlicht beugt und vergrößert. Als Konsequenz daraus wird der Stern in einem Muster heller und schwächer, das sich von zufälligem Flimmern unterscheidet, und die Dauer des Helligkeitsanstiegs erlaubt Rückschlüsse auf die Masse des vergrößernden Objektes.
Gregory Laughlin, ein Astronom an der University of California in Santa Cruz, sagt, dass die Autoren gute Arbeit bei dem Ausschließen anderer möglicher Erklärungen für die lichtverzerrenden Objekte gemacht haben. Aber er ergänzt, dass es schwer sei, auf der Basis von vagabundierenden Jupitern über die Anzahl ungebundener niedrigmassiger Planeten zu spekulieren, weil das voraussetze, dass sie durch einen vergleichbaren Mechanismus entstanden sein müssten wie die Planeten in unserer Nachbarschaft. „Ich denke wir könnten hier einen anderen Entstehungsmechanismus sehen, einer, der eher mit dem eines kleinen Sterns vergleichbar ist als mit dem eines Riesenplaneten“, sagt er. „Aber das ist nur eine Hypothese.“
Leben „auf Achse“
Planetenforscher David Stevenson vom California Institute of Technology in Pasadena hat sorgfältig geprüft, wie sich die Temperaturen auf herausgeschleuderten Planeten mit denen auf sternumkreisenden Körpern vergleichen lassen. Wenn Jupiter aus unserem Sonnensystem herausgestoßen würde, würde seine Oberflächentemperatur nur um 15 Kelvin absinken, sagt er – er wäre nach wie vor nicht geeignet, um Leben zu unterstützen. Allerdings „wenn man einen sehr schweren Planeten [aus seinem Planetensystem] herausschleudert, könnte er einen Himmelskörper [Mond] mitnehmen, der ihn umkreist“, fügte Stevenson hinzu. „Und das könnte eine interessantere Möglichkeit für Leben sein.“
Ungebundene Planeten von der Masse der Erde könnten immer noch fähig sein, flüssiges Wasser zu beherbergen, sagt Stevenson, sogar in der Kälte des interstellaren Raumes – solange sie eine wärmespeichernde Wasserstoffatmosphäre besitzen. „Das kann die Oberflächentemperatur auf 300 Kelvin (etwa 27 Grad Celsius) bringen“, sagt er. „Und dann sind Ozeane möglich.“
Studienautor David Bennett, ein Astrophysiker an der University of Notre Dame in Indiana, bestätigt, dass Leben auf diesen vagabundierenden Welten existieren könnte. Er sagt, dass die nächsten Schritte bei der Suche die Bestätigung der Abwesenheit eines Zentralgestirns einschließen, sowie die Begutachtung neuer Daten, um die Fußabdrücke von kleineren Planeten mit der Masse von Saturn oder Neptun zu finden.
In der Zukunft könnten vagabundierende Planeten von Erdmasse mit dem von der NASA geplanten Wide-Field Infrared Survey Telescope (WFIRST) entdeckt werden, einem weltraumgestützten Teleskop, das fähig ist, die schnellsten Helligkeitsveränderungen aufzulösen, welche mit niedrigmassigen Objekten verbunden sind. „Ungebundene Planeten von Erdmasse finden?“, sagt Scott Gaudi, ein Astrophysiker an der Ohio State University in Columbus. „Das wäre sehr interessant.“
Quelle: http://www.nature.com/news/2011/110518/full/news.2011.303.html
(THK)
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