SDO untersucht „Surf-Wellen“ auf der Sonnenoberfläche

"Surf"-Wellen auf der Sonne (NASA / SDO / Astrophysical Journal Letters)
"Surf"-Wellen auf der Sonne (NASA / SDO / Astrophysical Journal Letters)

Wissenschaftler haben die ultimative „Surf-Welle“ durch die Atmosphäre der Sonne wälzen sehen. Das ist mehr als nur eine schöne Gelegenheit für ein Foto: Die Wellen enthalten Anhaltspunkte darüber, wie sich Energie durch diese Atmosphäre – Korona genannt – bewegt.

Weil Wissenschaftler wissen, wie diese Arten von Wellen – erzeugt durch eine Kelvin-Helmholtz-Instabilität, wenn man es technisch ausdrücken will – Energie im Wasser verteilen, können sie diese Informationen benutzen, um die Korona besser zu verstehen. Das wiederum könnte dabei helfen, das beständige Rätsel zu lösen, warum die Korona tausendfach heißer ist als ursprünglich erwartet.

„Eine der größten Fragen über die solare Korona ist der Aufheizungsmechanismus“, sagt der Sonnenphysiker Leon Ofman vom Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland) und der Catholic University in Washington. „Die Korona ist tausendfach heißer als die sichtbare Oberfläche der Sonne, aber was diese Aufheizung bewirkt, ist nicht gut verstanden. Man hat vorgeschlagen, das Wellen wie diese Turbulenzen erzeugen könnten, die eine Aufheizung nach sich ziehen, aber jetzt haben wir einen direkten Beweis für Kelvin-Helmholtz-Wellen.“

Ofman und seine Kollegin Barbara Thompson vom Goddard Space Flight Center fanden diese Wellen auf Bildern, die am 8. April 2010 gemacht wurden. Sie waren unter den ersten Aufnahmen des Solar Dynamics Observatory (SDO), einem Sonnenteleskop mit überragender Auflösung, das am 11. Februar 2010 gestartet wurde und am 24. März 2010 mit der Sammlung von Daten begann. Die Ergebnisse des Teams erschienen am 19. Mai 2011 online in den Astrophysical Journal Letters und werden am 10. Juni im Magazin selbst veröffentlicht.

Dass diese „Surf“-Wellen auf der Sonne existieren ist nicht notwendigerweise eine Überraschung, weil sie an so vielen Orten in der Natur auftreten, beispielsweise in Wolken auf der Erde und zwischen den Wolkenbändern Saturns. Aber die Sonne aus einer Entfernung von knapp 150 Millionen Kilometern zu beobachten bedeutet, dass es nicht einfach ist, Details wie diese direkt zu sehen. Darum versetzt die mit dem SDO verfügbare Auflösung die Forscher in Aufregung.

„Die Wellen, die wir auf diesen Bildern sehen, sind sehr klein“, sagt Thompson, Co-Autorin der Studie und stellvertretende Projektwissenschaftlerin für das SDO. „Sie sind nur so groß wie die Vereinigten Staaten“, lacht sie.

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Video-Link: https://youtu.be/B7VOMiFlKSU

NASA / Goddard Space Flight Center

Kelvin-Helmholtz-Instabilitäten treten auf, wenn zwei Fluide mit verschiedenen Dichten oder verschiedenen Geschwindigkeiten ineinander fließen. Im Fall von Ozeanwellen sind dies das dichte Wasser und die weniger dichte Luft. Wenn sie aneinander vorbeifließen, können sich leichte Kräuselungen schnell zu den von Surfern geliebten Riesenwellen verstärken. Im Fall der Sonnenatmosphäre, die aus einem sehr heißen und elektrisch geladenen Gas – Plasma genannt – besteht, stammen die zwei Ströme expandierendem Plasma, das von der Sonnenoberfläche ausbricht und dabei an nicht eruptierendem Plasma vorbeizieht. Die Unterschiede in Fließgeschwindigkeiten und Dichten an dieser Grenze entfacht die Instabilität, die sich zu den Wellen aufbaut.

Um diese Beschreibung zu bestätigen, entwickelte das Team ein Computermodell, mit dem man sehen kann, was in der Region geschieht. Das Modell zeigte, dass diese Bedingungen tatsächlich zu gigantischen „Surf“-Wellen führen könnten, die durch die Korona wälzen.

Kelvin-Helmholtz-Wellen in irdischen Wolken (Danny Ratcliffe)
Kelvin-Helmholtz-Wellen in irdischen Wolken (Danny Ratcliffe)

Ofman zufolge gab es trotz der Tatsache, dass Kelvin-Helmholtz-Instabilitäten an anderen Stellen beobachtet wurden, keine Garantie dafür, sie auch in der Sonnenkorona zu finden, die von magnetischen Feldern durchsetzt ist. „Ich war nicht sicher, ob sich diese Instabilität auf der Sonne entwickeln könnte, weil magnetische Felder einen stabilisierenden Effekt haben können“, sagt er. „Jetzt wissen wir, dass diese Instabilität auftreten kann, auch wenn das solare Plasma magnetisiert ist.“

Große Wellen zu sehen, deutet darauf hin, dass sie auch in kleinere Formen von Turbulenzen hinunter kaskadieren können. Wissenschaftler glauben, dass die durch die Turbulenzen erzeugte Reibung – das schlichte Umwälzen von dem Material selbst – dabei helfen könnte, Wärmeenergie an die Korona abzugeben. Die Analogie dazu wäre Schaum oben auf einer Surf-Welle, der Reibung erzeugt und die Welle aufheizen wird. (Surfer bemerken das natürlich nicht, weil jedes Bisschen zusätzlicher Wärme schnell in das Wasser abgeführt wird.)

Kelvin-Helmholtz-Wellen zwischen den Wolkenbändern Saturns (NASA / Cassini)
Kelvin-Helmholtz-Wellen zwischen den Wolkenbändern Saturns (NASA / Cassini)

Thompson meint, dass die Ausarbeitung des exakten Aufheizungsmechanismus der Korona die Forscher noch eine Weile beschäftigen werde, aber die Fähigkeit des SDO, alle zwölf Sekunden ein Bild der gesamten Sonne mit solchen Einzelheiten zu machen, eine wahrer Segen sein werde. „Das SDO ist nicht das erste Sonnenobservatorium mit genügend großer visueller Auflösung, um so etwas sehen zu können“, sagt sie. „Aber aus irgendeinem Grund sind Kelvin-Helmholtz-Instabilitäten selten. „Die Tatsache, dass wir etwas so Interessantes auf den ersten Bildern gefunden haben, zeigt die Leistungsfähigkeit des SDO.“

Weiterführende Links:
Computeranimation über die Entstehung von Kelvin-Helmholtz-Instabilitäten auf der Sonne
http://www.nasa.gov/mpg/556800main_rh_kh_rh2.24_bz1a12.mpg (Credit: Ofman / Thompson / Astrophysical Journal Letters)

Quelle: http://www.nasa.gov/mission_pages/sunearth/news/sun-surfing.html

(THK)

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