MESSENGER-Daten von Merkur bestätigen Theorien und liefern Überraschungen

Der Krater Degas, aufgenommen von MESSENGER (rechts) und von Mariner 10 (links unten) (NASA / Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory / Carnegie Institution of Washington)
Der Krater Degas, aufgenommen von MESSENGER (rechts) und von Mariner 10 (links unten) (NASA / Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory / Carnegie Institution of Washington)

Nach fast drei Monaten im Orbit um Merkur liefert die Nutzlast der MESSERNGER-Sonde eine Fülle neuer Informationen über den sonnennächsten Planeten und auch ein paar Überraschungen.

Die Raumsonde schwenkte am 18. März 2011 in den Orbit um Merkur ein und wurde das erste Raumfahrzeug in einer Umlaufbahn um Merkur. Seine Instrumente führen die erste vollständige Erkundung der planetaren Geochemie, der Geophysik, der geologischen Vergangenheit, der Atmosphäre, der Magnetosphäre und der Plasmaumgebung durch.

Zehntausende Bilder von wesentlichen Strukturen des Planeten – zuvor nur in vergleichsweise geringer Auflösung fotografiert – sind nun mit hoher Bildschärfe verfügbar. Messungen der chemischen Zusammensetzung der Oberfläche Merkurs liefern wichtige Anhaltspunkte über die Entstehung des Planeten und seine geologische Vergangenheit. Topografische Karten des Planeten und Magnetfelder offenbaren neue Anhaltspunkte über die inneren dynamischen Prozesse Merkurs. Und Wissenschaftler wissen jetzt, dass die Ausbrüche energetischer Partikel in Merkurs Magnetosphäre ein kontinuierliches Ergebnis der Interaktionen zwischen dem Magnetfeld Merkurs und dem Sonnenwind sind.

„MESSENGER hat diese Woche eine ganze Reihe von Meilensteinen erreicht“, sagte der MESSENGER Projektleiter Sean Solomon von der Carnegie Institution of Washington. „Wir komplettierten am Sonntag unsere erste Perihel-Passage im Orbit, am Montag unser erste Merkurjahr im Orbit, am Dienstag unsere erste Sonnenkonjunktion im Orbit und am Mittwoch unsere erstes Kurskorrektur-Manöver im Orbit. Diese Meilensteine sind wichtig im Zusammenhang mit dem fortgesetzten Festschmaus neuer Beobachtungen, die MESSENGER fast täglich zu uns zurückschickt.“

Eine Oberfläche in beispiellosen Details

Als Teil von MESSENGERs globaler Beobachtungskampagne fertigt das Mercury Dual Imaging System (MDIS) globale monochrome Karten in Stereo mit einer durchschnittlichen Auflösung von 250 Metern pro Pixel, und globale farbige Karten mit einem Durchschnitt von 1,2 Kilometern pro Pixel an. Diese Basiskarten zeigen die erste globale Ansicht des Planeten unter optimalen Beobachtungsbedingungen.

Orbitalaufnahmen enthüllen ausgedehnte weiche Ebenen in der Nähe von Merkurs Nordpol. Flyby-Aufnahmen von MESSENGER und von Mariner 10 in den 1970er Jahren deuteten darauf hin, solche Ebenen nahe des Nordpols existieren, aber ein Großteil der Region wurde unter ungünstigen Beobachtungsbedingungen fotografiert.

MESSENGERs neue Orbitalaufnahmen zeigen, dass die Ebenen wahrscheinlich zu den größten Flächen vulkanischer Ablagerungen auf Merkur gehören, mit einer Dicke bis zu mehreren Kilometern. Die ausgedehnten Flächen der Ebenen bestätigen, dass Vulkanismus Hauptanteil von der Kruste Merkurs gestaltet hat und während der längsten Zeit in dessen Vergangenheit aktiv war, trotz eines gesamten Kontraktionsstadiums, das dazu neigte, den Auswurf vulkanischen Materials auf die Oberfläche zu unterbinden.

Unter den faszinierenden Strukturen, die man auf den Flyby-Aufnahmen sieht, waren helle, ungleichmäßige Ablagerungen auf den Böden einiger Krater. Ohne hochaufgelöste Bilder blieben diese Merkmale nur eine Kuriosität. Gezielte Beobachtungen mit MDIS mit bis zu zehn Metern pro Pixel zeigten, dass die ungleichmäßigen Ablagerungen tatsächlich Ansammlungen von randlosen, irregulär geformten Gruben sind, deren Größen zwischen wenigen Hundert Metern und mehreren Kilometern variieren. Diese Gruben sind oft von diffusen Höfen (Halos) stärker reflektierenden Materials umgeben und sie werden mit Zentralbergen, Bergketten und Kraterrändern in Verbindung gebracht.

„Das geätzte Erscheinungsbild dieser Landschaften ist nicht wie irgendetwas, was wir zuvor auf dem Merkur oder dem Mond gesehen haben“, sagt Brett Denevi, ein Wissenschaftler vom Applied Physics Laboratory (APL) der Johns Hopkins University in Laurel (Maryland) und Mitglied des MESSENGER Bildverarbeitungsteams. „Wir diskutieren noch ihre Entstehung, aber sie scheinen ein relativ junges Alter zu haben und deuten einen höheren Anteil flüchtiger Komponenten in der Kruste Merkurs an als erwartet.“

Merkurs Oberflächenzusammensetzung

Das X-Ray Spektrometer (XRS) – eines von zwei Instrumenten an Bord von MESSENGER, mit dem die Häufigkeit vieler Schlüsselelemente auf Merkur gemessen wird – hat seit Beginn der Orbitalmission mehrere wichtige Entdeckungen gemacht. Die über große Gebiete gemittelten Magnesium/Silizium-, Aluminium/Silizium- und Kalzium/Silizium-Verhältnisse auf der Oberfläche des Planeten zeigen, dass Merkurs Oberfläche nicht von Feldspatreichen Gesteinen dominiert wird – im Gegensatz zu der Mondoberfläche.

Chemische Zusammensetzung der Merkuroberfläche im Vergleich zu Erde, Mars und Mond (NASA / Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory / Carnegie Institution of Washington)
Chemische Zusammensetzung der Merkuroberfläche im Vergleich zu Erde, Mars und Mond (NASA / Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory / Carnegie Institution of Washington)

Die XRS Beobachtungen haben auch beträchtliche Mengen Schwefel an der Oberfläche festgestellt, was frühere Spektraluntersuchungen bodengestützter Teleskope untermauert, nach denen sulfide Minerale vorhanden sind. Diese Entdeckung spricht dafür, dass die ursprünglichen Bausteine, aus denen Merkur besteht, weniger oxidiert gewesen sein könnten als die der anderen terrestrischen Planeten und sie enthält möglicherweise wichtige Hinweise, um die Natur des Vulkanismus auf Merkur zu verstehen.

MESSENGERs Gamma-Ray and Neutron Spectrometer hat den Zerfall radioaktiver Isotope von Kalium und Thorium registriert und die Bestimmung der ursprünglich vorhandenen Mengen dieser Elemente erlaubt. „Die Häufigkeit von Kalium schließt einige vorherige Theorien über die Entstehung und die Zusammensetzung Merkurs aus“, sagt Larry Nittler, Wissenschaftler der Carnegie Institution of Washington. „Mehr noch, das abgeleitete Verhältnis von Kalium und Thorium ist vergleichbar mit dem anderer terrestrischer Planeten, was darauf schließen lässt, dass Merkur nicht sehr reich an flüchtigen Substanzen ist. Das steht entgegen einigen vorherigen Theorien über seinen Ursprung.“

Die Kartierung von Merkurs Topografie und Magnetfeld

MESSENGERs Mercury Laser Altimeter hat systematisch die Topografie von Merkurs nördlicher Hemisphäre kartografiert. Nach mehr als zwei Millionen Laser-Entfernungsmessungen wurden die großräumige Gestalt und die Profile geologischer Strukturen des Planeten detailliert erfasst. Die Nordpolarregion Merkurs ist beispielsweise eine weite Tiefebene.

Der der bislang gemessene gesamte Höhenunterschied beträgt mehr als neun Kilometer. Vor zwei Jahrzehnten zeigten bodengestützte Radarbilder, dass sich in der Nähe von Merkurs Nord- und Südpol Ablagerungen mit hohem Rückstrahlvermögen befinden. Von diesen polaren Ablagerungen dachte man, dass sie aus Wassereis und anderen gefrorenen Substanzen bestehen, die auf den ständig im Schatten liegenden Böden hoch liegender Einschlagkrater bewahrt wurden. MESSENGERs Altimeter testet diese Theorie, indem es die Bodentiefe der Krater in der Nähe von Merkurs Nordpol misst. Bislang stimmen die Tiefen der Krater mit polaren Ablagerungen mit der Theorie überein, dass diese Ablagerungen in Gebieten mit ewigem Schatten liegen.

Die Geometrie von Merkurs innerem Magnetfeld kann möglicherweise Einfluss auf die verschiedenen Theorien über dessen Entstehung. Ein wichtiges Ergebnis ist, dass Merkurs magnetischer Äquator weit nördlich seines geografischen Äquators liegt. Fortlaufende Umkreisungen bestimmten den Punkt, an dem die Richtung des inneren Magnetfeldes parallel zur Rotationsachse des Planeten verläuft. Das innere Dipol-Magnetfeld befindet sich etwa 0,2 Merkurradien oder 480 Kilometer nördlich des Planetenzentrums. Der Dynamomechanismus in Merkurs geschmolzenem, metallischen äußeren Kern ist verantwortlich für die Erzeugung des planetaren Magnetfeldes und weist daher eine starke Nord-Süd-Asymmetrie auf.

Nord-Süd-Asymmetrie des Magnetfeldes von Merkur. Der Südpol ist anfälliger gegenüber geladenen Teilchen. (NASA / Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory / Carnegie Institution of Washington)
Nord-Süd-Asymmetrie des Magnetfeldes von Merkur. Der Südpol ist anfälliger gegenüber geladenen Teilchen. (NASA / Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory / Carnegie Institution of Washington)

Als Folge dieser Nord-Süd-Asymmetrie ist die Geometrie der magnetischen Feldlinien in Merkurs Nord- und Südpolarregionen unterschiedlich. Insbesondere die magnetische „Polkappe“, wo die Feldlinien sich in das interplanetare Medium öffnen, ist am Südpol viel größer. Die Geometrie lässt vermuten, dass die Südpolarregion gegenüber den durch Wechselwirkungen der Magnetosphäre mit dem Sonnenwind beschleunigten und aufgeheizten geladenen Teilchen viel anfälliger ist als die Nordpolarregion. Der Einfluss dieser geladenen Teilchen auf Merkurs Oberfläche trägt zur Erzeugung von Merkurs dünner Atmosphäre und zur Erosion der Oberfläche durch „Weltraumwetter“ bei. Auch hierbei sollte in Anbetracht der Magnetfeld-Konfigurationen an den beiden Polen eine Nord-Süd-Asymmetrie auftreten.

Energiereiche Teilchenereignisse auf Merkur

Eine der wichtigsten Entdeckungen von Mariner 10 während des ersten ihrer drei Vorbeiflüge an Merkur im Jahre 1974 waren Ausbrüche energetischer Teilchen in Merkurs erdähnlicher Magnetosphäre. Vier Teilchenausbrüche wurden bei dem Vorbeiflug registriert, deswegen war es rätselhaft, dass kein solch energiereiches Ereignis im Rahmen der drei Vorbeiflüge MESSENGERs in den Jahren 2008 und 2009 beobachtet wurde.

„Jetzt, in einem nah-polaren Orbit über Merkur, sieht MESSENGER energiereiche Ereignisse regelmäßig wie ein Uhrwerk“, sagt MESSENGER Projektwissenschaftler Ralph McNutt vom APL. „Seit dem Eintritt in den Orbit wurden zahlreiche Ausbrüche energiereicher Elektronen beobachtet, die in Stärke und Verteilung variieren und Energien von zehn Kiloelektronenvolt (keV) bis über 200 Kiloelektronenvolt aufweisen“, sagt McNutt. „Das Energetic Particle Spectrometer hat gezeigt, dass diese Ereignisse auf Elektronen anstatt energetischer Ionen zurückzuführen sind und in mäßigen Breiten auftreten. Die Breitenposition stimmt mit den Ereignissen überein, die von Mariner 10 registriert wurden.“

Schematische Darstellung der Ausbrüche energetischer Elektronen, gemessen von der MESSENGER Sonde. (NASA / Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory / Carnegie Institution of Washington)
Schematische Darstellung der Ausbrüche energetischer Elektronen, gemessen von der MESSENGER Sonde. (NASA / Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory / Carnegie Institution of Washington)

Mit Merkurs kleinerer Magnetosphäre und dem Mangel einer substanziellen Atmosphäre funktioniert die Erzeugung dieser energiereichen Elektronen und ihre Verteilung anders als auf der Erde. Ein Kandidat für den erzeugenden Mechanismus der energetischen Elektronen ist die Bildung einer „Doppelschicht“, eine Plasmastruktur mit großen elektrischen Feldern entlang des lokalen Magnetfeldes. Ein anderer Kandidat ist die Induktion durch schnelle Veränderungen in dem Magnetfeld – ein Prozess, der dem Prinzip von Stromgeneratoren folgt. Welcher dieser Mechanismen – wenn überhaupt – die Beschleunigung energiereicher Elektronen dominiert, wird Gegenstand weiterer Untersuchungen in den kommenden Monaten sein.

„Ein Geheimnis wurde gelüftet, nur um durch ein anderes ersetzt zu werden, aber so funktioniert Wissenschaft“, sagt McNutt. „In den kommenden Monaten, wenn MESSENGERs Umlaufbahn sich um den Planeten herum bewegt, werden wir in der Lage sein, die gesamte Geometrie dieser Ereignisse zu beobachten, was noch mehr Hinweise auf ihre Erzeugung und ihre Wechselwirkungen mit dem Planeten liefern wird.“

„Wir konstruieren erstmals einen globalen Überblick über die Natur und Prozesse Merkurs“, ergänzt Solomon, „und viele unserer früheren Ideen werden ins Abseits gestellt, weil neue Beobachtungen zu neuen Einsichten führen. Unsere primäre Mission wird noch weitere drei Merkurjahre dauern und wir können weitere Überraschungen erwarten, wenn unser sonnennächster Planet seine lang behüteten Geheimnisse preisgibt.“

Quelle: http://messenger.jhuapl.edu/news_room/details.php?id=174

(THK)

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