Verletzung des Wiedemann-Franzschen Gesetzes beobachtet

Zeichnung des Versuchsaufbaus in der originalen Abhandlung von 1853 (Univ. Of Bristol)
Zeichnung des Versuchsaufbaus in der originalen Abhandlung von 1853 (Univ. Of Bristol)

Wissenschaftler der University of Bristol haben die Verletzung von einem der ältesten empirischen Gesetze der Physik beobachtet. Ihre Experimente mit Li0.9Mo6O17-Bronze (engl.: „Purple Bronze“), einem Metall mit einzigartigen eindimensionalen elektronischen Eigenschaften, deuten darauf hin, dass es das Wiedemann-Franzsche Gesetz bricht. Diese historische Entdeckung wird in einer heute in Nature Communications veröffentlichten Abhandlung beschrieben.

Im Jahre 1853 untersuchten die deutschen Physiker Gustav Wiedemann und Rudolf Franz die Wärmeleitfähigkeit (ein Maß für die Fähigkeit eines Systems, Wärme zu übertragen) einer Anzahl elementarer Metalle. Sie fanden heraus, dass das Verhältnis zwischen der thermalen und der elektrischen Leitfähigkeit bei der selben Temperatur in unterschiedlichen Metallen annähernd gleich war.

Der Ursprung dieser empirischen Beobachtung war unklar bis zur Entdeckung des Elektrons und dem Aufstieg der Quantenphysik im frühen 20. Jahrhundert. Elektronen besitzen einen Spin und eine Ladung. Wenn sie sich durch ein Metall bewegen, erzeugen sie einen elektrischen Strom, weil sich die Ladung bewegt. Zusätzlich transportieren die sich bewegenden Elektronen auch Wärme durch das Metall, hier aber mittels Ladung und Spin. Also muss ein bewegtes Elektron Wärme und Ladung tragen – das ist der Grund dafür, warum das Verhältnis nicht von Metall zu Metall variiert.

In den vergangenen 150 Jahren hat sich das Wiedemann-Franz Gesetz als bemerkenswert robust erwiesen, das Verhältnis wich bei etwa 50 Prozent der Tausenden untersuchten metallischen Systeme ab. 1996 machten die amerikanischen Physiker C. L. Kane und Matthew Fisher eine theoretische Voraussage, dass das Wiedemann-Franz Gesetz stark verletzt werden könnte, wenn man die Elektronen auf einzelne Atomketten begrenzt. In dieser eindimensionalen Welt teilen sich die Elektronen in zwei eigenständige Komponenten oder Quasiteilchen. Eines besitzt Spin aber keine Ladung (das Spinon) und das andere hat Ladung aber keinen Spin (das Holon). Wenn das Holon auf eine Störstelle in der Atomkette trifft, hat es keine andere Wahl als reflektiert zu werden. Das Spinon besitzt dagegen die Fähigkeit, die Störstelle zu durchtunneln und seinen Weg entlang der Atomkette fortzusetzen. Das bedeutet, dass entlang der Atomkette Wärme leicht geleitet werden kann, Ladung hingegen nicht. Daraus folgt eine Verletzung des Wiedemann-Franzschen Gesetzes, die mit fallender Temperatur wächst.

Das Experimentalteam unter Leitung von Professor Nigel Hussey von der Correlated Electron Systems Group an der University of Bristol testete diese Vorhersage mit einem Purple Bronze Material, das Atomketten enthält, entlang derer die Elektronen bevorzugt wandern.

Bemerkenswerterweise fanden die Wissenschaftler heraus, dass das Material Wärme 100.000 Mal besser leitete als unter Berücksichtigung des Wiedemann-Franzschen Gesetzes erwartet worden war. Die erstaunliche Fähigkeit dieses Materials, Wärme zu leiten, hat nicht nur aus technologischer Perspektive ein großes Potenzial. Diese beispiellose Verletzung des Wiedemann-Franzschen Gesetzes liefert eindeutige Beweise für die ungewöhnliche Teilung von Spin und Ladung eines Elektrons in der eindimensionalen Welt.

Professor Hussey sagte: „Man kann eindimensionale Atomketten auf Substraten oder freistehenden zweidimensionalen Schichten wie Graphen erzeugen, aber in einem dreidimensionalen komplexen Feststoff wird es immer einige restliche Verbindungen zwischen einzelnen Atomketten in dem Komplex geben, die es den Elektronen erlauben, sich im dreidimensionalen Raum zu bewegen.

„In dieser Purple Bronze hat die Natur diese Verbindungen allerdings in solch einem Ausmaß limitiert, dass die Elektronen effektiv auf einzelne Atomketten beschränkt sind und daher eine eindimensionale Welt innerhalb eines dreidimensionalen Komplexes erzeugen. Das Ziel ist jetzt, einen Weg zu finden, die Fähigkeit der Elektronen zu vergrößern, zwischen benachbarten Atomketten zu springen, beispielsweise indem man Druck oder chemische Substitution benutzt. Damit lässt sich die Entwicklung der Spin- und Ladungszustände untersuchen, weil die dreidimensionale Welt in dem Material bewahrt wird.“

Abhandlung:
„Gross violation of the Wiedemann-Franz law in a quasi-one-dimensional conductor’ von Nicholas Wakeham, Alimamy F. Bangura, Xiaofeng Xu, Jean-Francois Mercure, Martha Greenblatt und Nigel E. Hussey in Nature Communications.

Quelle: http://www.bris.ac.uk/news/2011/7777.html

(THK)

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