
Astronomen haben zwei Jahrzehnte Hubble-Beobachtungen miteinander kombiniert, um beispiellose Videos von den Geburtsschmerzen neuer Sterne mit nie zuvor gesehenen Einzelheiten zu machen. Dies wirft neues Licht darauf, wie sich sonnenähnliche Sterne bilden.
Sterne sind nicht schüchtern beim Verschicken von Geburtsanzeigen. Sie stoßen energiereiche Jets aus glühendem Gas in entgegengesetzte Richtungen in den Weltraum ab, die sich mit Überschallgeschwindigkeiten bewegen.
Astronomen haben seit Jahrzehnten Bilder von stellaren Jets angeschaut, dank dem Hubble Space Telescope der NASA/ESA können sie jetzt Videos sehen.
Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des Astronomen Patrick Hartigan von der Rice University in Houston (Texas, USA) hat in 14 Jahren genug hochauflösende Hubble-Aufnahmen gesammelt, um Zeitraffer-Videos von jungen Jets zusammenzufügen, die von drei Sternen ausgestoßen wurden.
Die bewegten Bilder bieten eine einzigartige Ansicht stellarer Phänomene, die sich bewegen und sich innerhalb von wenigen Jahren verändern. Die meisten astronomischen Prozesse ändern sich in Zeitmaßstäben, die viel länger als ein Menschenleben dauern.

„Wir können zum ersten Mal tatsächlich beobachten, wie diese Jets mit ihren Umgebungen interagieren, indem wir diese Zeitraffer-Videos anschauen“, sagte Hartigan. „Die Interaktionen sagen uns, wie junge Sterne die Umgebungen beeinflussen, in denen sie sich bilden. Mit Videos wie diesen können wir jetzt Beobachtungen von Jets mit solchen vergleichen, die in Computersimulationen und Laborexperimenten produziert wurden, um zu sehen, welche Aspekte der Wechselwirkungen wir verstehen und welche wir nicht verstehen.“
Die Ergebnisse von Hartigans Team erschienen in der Ausgabe vom 20. Juli des Astrophysical Journal.
Video-Link: https://youtu.be/Knc_2ip2uDw
Video von HH 47 und dessen zeitlichen Veränderungen (NASA, ESA, P. Hartigan (Rice University), G. Bacon (STScI))
Jets sind eine aktive, kurzlebige Phase der Sternentstehung, die nur etwa 100.000 Jahre andauert. Sie werden als Herbig-Haro-Objekte (HH-Objekte) bezeichnet, nach George Herbig und Guillermo Haro, die die Ausströmungen in den 1950er Jahren studierten. Astronomen wissen immer noch nicht, welche Rolle Jets im Sternentstehungsprozess spielen oder wie genau der Stern sie entfesselt.
Ein Stern bildet sich aus einer kollabierenden Wolke aus kaltem Wasserstoffgas. Wenn der Stern wächst, zieht er aufgrund seiner Gravitation mehr Materie an und produziert eine große, rotierende Scheibe aus Gas und Staub um sich herum. Wahrscheinlich entstehen Planeten in dieser Scheibe, wenn Staub zusammenklumpt.
Das Material in der Scheibe spiralt mit der Zeit auf den Stern und entkommt als Hochgeschwindigkeitsjet entlang der Rotationsachse des Sterns. Die schnellen Jets könnten anfangs von dem starken Magnetfeld des Sterns auf schmale Strahlen beschränkt werden. Die Jetphase endet, wenn der Scheibe die Materie ausgeht, normalerweise wenige Millionen Jahre nach der Geburt des Sterns.
Video-Link: https://youtu.be/3m1EchBxyNQ
Nahansicht einer Bugstoßwelle in HH 47 (NASA, ESA, P. Hartigan (Rice University), G. Bacon (STScI))
Hartigan und seine Kollegen verwendeten die Wide Field Planetary Camera 2 des Hubble-Teleskops, um die Jets HH 1, HH 2, HH 34, HH 46 und HH 47 zu untersuchen. HH1-HH 2 und HH 46-HH 47 sind Jetpaare, die von einzelnen Sternen in entgegengesetzte Richtungen abgestoßen werden. Hubble verfolgte die Jets in drei Beobachtungszyklen: HH 1 und HH 2 in den Jahren 1994, 1997 und 2007; HH 34 in den Jahren 1994, 1998 und 2007; sowie HH 46 und HH 47 in den Jahren 1994, 1999 und 2008. Die Jets sind ungefähr zehnmal so groß wie das Sonnensystem und bewegen sich mit über 700.000 Kilometern pro Stunde.
Alle Ausströmungen sind rund 1.350 Lichtjahre von der Erde entfernt. HH 34, HH 1 und HH 2 liegen in der Nähe des Orionnebels am nördlichen Himmel. HH 46 und HH 47 liegen im südlichen Sternbild Vela (Segel des Schiffs).
Eine Computersoftware hat diese über Jahre durchgeführten Beobachtungen zusammengefügt und Videos erzeugt, die kontinuierliche Bewegung zeigen. Die Videos unterstützen vorherige Beobachtungen, die enthüllten, dass die Zwillingsjets nicht in einem stetigen Strom abgestoßen werden, wie Wasser aus einem Gartenschlauch. Stattdessen werden sie sporadisch in Klumpen abgestoßen. Die perlenschnurartige Struktur der Jets könnte wie ein „Fernschreiber“ sein, die Episoden aufzeichnet, in denen Materie auf den Stern fiel.
Video-Link: https://youtu.be/ufadgneScAM
Die zeitliche Entwicklung von HH 34 (NASA, ESA, P. Hartigan (Rice University), G. Bacon (STScI))
Die Videos zeigen, dass sich das klumpige Gas in den Jets mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten bewegt, wie Verkehr auf einer Straße. Wenn schnelle Knoten mit Gas auf der langsamen Spur kollidieren, werden durch die Aufheizung der Materie Bugstoßwellen erzeugt. Bugstoßwellen („Bow Shocks“) sind leuchtende Wellen aus Materie, vergleichbar mit den Wellen die vom Bug eines Schiffes erzeugt werden, wenn es durch das Wasser pflügt. Bei HH 2 sind beispielsweise mehrere Schockwellen sichtbar, wo verschiedene, schnelle Klumpen einen Pulk bilden, wie in einem Verkehrsstau. In einem anderen Jet, HH 34, offenbart eine Gruppe verschmolzener Schockwellen Regionen, die mit der Zeit aufleuchten und schwächer werden, wenn das aufgeheizte Material sich abkühlt.
In anderen Gebieten der Jets bilden sich Bugstoßwellen durch Begegnungen mit der umgebenden dichten Gaswolke. In HH 1 erscheint eine Bugstoßwelle oben auf dem Jet, als er den Rand einer dichten Gaswolke streift. Es tauchen auch neue leuchtende Materieknoten auf. Diese Knoten könnten Gas aus der Wolke darstellen, das von dem Jet mitgerissen wird, so wie ein rasch fließender Fluss Schlamm von der Uferlinie mitreißt.
Die Videos liefern auch Belege dafür, dass die vorgegebene, klumpige Natur der Jets in der Nähe neu geborener Sterne beginnt. Bei HH 34 verfolgte Hartigan einen leuchtenden Materieknoten bis in eine Entfernung von 14 Milliarden Kilometer von dem Stern.
Video-Link: https://youtu.be/nS6XBsPZmqQ
Bugstoßwelle in HH 34 (NASA, ESA, P. Hartigan (Rice University), G. Bacon (STScI))
„Zusammengenommen zeichnen unsere Ergebnisse ein Bild der Jets als bemerkenswert verschiedene Objekte, die hochgradig strukturierten Wechselwirkungen zwischen Material der Ausströmungen und zwischen dem Jet und dem umgebenden Gas unterliegen“, erklärte Hartigan. „Das steht in Kontrast zu den vielen Simulationen, die Jets als gleichförmige Systeme beschreiben.“
Die von Hubble enthüllten Details waren so komplex, dass sich Hartigan mit Experten für Flüssigkeitsdynamik vom Los Alamos National Laboratory in New Mexico, dem UK Atomic Weapons Establishment und General Atomics in San Diego (Kalifornien) beriet und ebenfalls mit Computerspezialisten von der University of Rochester in New York. Von den Hubble-Ergebnissen motiviert, führt Hartigans Team jetzt Laborexperimente an der Omega Laser Facility in New York durch, um zu verstehen, wie überschallschnelle Jets mit ihrer Umgebung interagieren.
Video-Link: https://youtu.be/E_EFhgNT-T0
Zeitliche Entwicklung von HH 2 (NASA, ESA, P. Hartigan (Rice University), G. Bacon (STScI))
„Unsere Zusammenarbeit hat nicht nur große Laser-Einrichtungen wie Omega instrumentalisiert, sondern auch Computersimulationen, die für die Forschung über nukleare Fusion entwickelt wurden“, erklärt Paula Rosen vom UK Atomic Weapons Establishment, eine Co-Autorin dieser Studie. „Die Verwendung dieser experimenteller Methoden hat uns in die Lage versetzt, Aspekte der Physik zu identifizieren, die von Astronomen übersehen wurden – es ist aufregend zu wissen, dass das, was wir hier im Labor auf der Erde tun neue Einblicke in die komplexen Phänomene in Tausend Lichtjahre entfernten stellaren Jets geben kann. In der Zukunft werden noch größere Laser wie die National Ignition Facility am Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien in der Lage sein, die nuklearen Prozesse zu erforschen, die in Sternen stattfinden.“
Video-Link: https://youtu.be/7NL-VagFEtY
Zeitliche Entwicklung von HH 1 (NASA, ESA, P. Hartigan (Rice University), G. Bacon (STScI))
Quelle: http://www.spacetelescope.org/news/heic1113/
(THK)
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