Artem R. Oganov, Professor für Geowissenschaften und Physik an der Stony Brook University, und sein Mitarbeiter Dr. Andriy O. Lyakhov haben einen Algorithmus entwickelt, der fähig ist, neue superharte Materialien vorherzusagen. Die Ergebnisse ihrer Arbeit wurden kürzlich in einer Studie mit dem Titel Evolutionary search for superhard materials: Methodology and applications to forms of carbon and TiO2 in der aktuellen Onlineausgabe von Physical Review B veröffentlicht.
Superharte Materialien, die in vielen wissenschaftlichen und technologischen Anwendungen benutzt werden (zum Beispiel als Beschichtungen in Schneide- und Bohrwerkzeugen), sind eine relativ kleine Klasse chemischer Verbindungen. Die bekanntesten und am häufigsten verwendeten von ihnen sind Diamanten und kubisch kristallines Bornitrid. Beide sind bei hohen Temperaturen allerdings instabil, was ihre Anwendungsmöglichkeiten begrenzt. Deshalb ist die Suche nach neuen superharten Verbindungen von großem Interesse. Trotz zahlreicher Anstrengungen sind die Fortschritte nur klein. „Der traditionelle ‚Trial-and-Error‘-Ansatz (etwa: „Versuch und Fehlschlag“) für die Suche nach neuen Materialien bedeutet im Normalfall eine Menge Frust und wenig Erfolg“, erklärte Professor Oganov.
Dr. Lyakhov und Professor Oganov schlagen vor, Supercomputer bei der Suche nach neuen superharten Materialien zu benutzen.
Die Wissenschaftler entwickelten einen speziellen hybriden, evolutionären Algorithmus und testeten ihn an ein paar aussichtsreichen Systemen wie Kohlenstoff und Kohlenstoffnitrid (von dem viele Forscher glauben, dass es in der Lage ist, die Härte von Diamanten zu übertreffen). Die Ergebnisse demonstrieren die Leistungsfähigkeit dieses Algorithmus und bestätigen, dass Diamanten die härteste Form von Kohlenstoff sind und – bis jetzt – das härteste Material. Als Nebenprodukt der Berechnungen erhielt man eine Reihe neuer, superharter Kohlenstoffstrukturen, die nur unwesentlich weicher als Diamanten sind.
Ein anderes Gebiet, auf dem der Algorithmus verwendet werden kann, ist die Validierung kontroverser Experimentaldaten. Die Forscher geben ein Beispiel, indem sie TiO2 als das härteste bekannte Oxid entthronen. Der Hinweis, dass eine Hochdruck-Form von TiO2 das härteste Oxid ist, wurde von schwedischen Forschern 2001 in einer Aufsehen erregenden Studie im Journal Nature erbracht. Berechnungen zeigen jedoch, dass alle möglichen Formen von TiO2 viel weicher als gewöhnliches Korund (Al2O3) sind und die Daten des Experiments von 2001 neu geprüft werden müssen. Die jüngsten Experimente an der Yale University und der University of Tokyo deuten in dieselbe Richtung. In naher Zukunft planen die Wissenschaftler, ihren Algorithmus auf vielversprechende Systeme anzuwenden – beispielsweise Bor-Kohlenstoff-Sauerstoff-Verbindungen – um nach neuen, superharten Materialien zu suchen.
Der Wert dieser Arbeit geht weit über das Forschungsfeld von superharten Materialien hinaus. Die Optimierung der Härte ist ein erfolgreiches Beispiel für einen Grundsatzbeweis, das den Weg für eine neue Berechnungsmethode freimacht. „Eine neue Ära in der Materialentwicklung und -entdeckung beginnt“, sagte Professor Oganov. „Neue Materialien mit den gewünschten Eigenschaften werden routinemäßig durch die Verwendung von Supercomputern entdeckt werden, anstelle der teuren Trial-and-Error-Methode, die heute benutzt wird.“
(THK)
Antworten