Archäologen entdecken hochentwickelte Messerwerkstatt aus viel früherer Zeit als bisher vermutet

Klingen aus der Kessem-Höhle (Image Copyright: Quesem Cave Project 2010)
Klingen aus der Kessem-Höhle (Image Copyright: Quesem Cave Project 2010)

Wissenschaftler der Tel Aviv University (TAU) sagen: „Produktionslinie“ zur Herstellung von Klingen existierte bereits vor 400.000 Jahren.

In der Archäologie wurde die hochentwickelte Messerproduktion lange Zeit mit der Periode der Jungsteinzeit in Verbindung gebracht, also vor ungefähr 30.000 bis 40.000 Jahren, verbunden mit dem Auftreten des Homo Sapiens und kulturellen Fähigkeiten wie der Höhlenmalerei. Jetzt haben Wissenschaftler der Tel Aviv University allerdings Beweise gefunden, die zeigen, dass die „moderne“ Messerproduktion bereits Bestandteil der Amud-Industrie war, vor 200.000 bis 400.000 Jahren als Teil des kulturellen Archeul-Yabrud-Komplexes, einer geographisch eng begrenzten Gruppe von Hominiden, die im Gebiet des heutigen Israel, Libanon, Syrien und Jordanien lebten.

Prof. Avi Gopher, Dr. Ran Barkai und Dr. Ron Shimelmitz vom Department of Archaeology and Ancient Near Eastern Civilizations der TAU erklären, das eine große Anzahl von langen, schmalen Schneidewerkzeugen in der Kassem-Höhle (engl.: Quesem Cave) etwas außerhalb von Tel Aviv gefunden wurden. Diese Entdeckung stellt den Gedanken in Frage, dass eine Messerproduktion nur mit neueren Hominiden in Verbindung steht.

Die Messer, die vor Kurzem im Journal of Human Evolution beschrieben wurden, sind das Resultat einer gut durchdachten „Produktionslinie“, so Dr. Barkai. Jedes Element der Messer, von der Auswahl des Rohmaterials bis hin zur Produktionsmethode selbst, weist auf ein hochentwickeltes Werkzeug-Produktionssystem hin, das durchaus mit der Messertechnologie konkurrieren kann, die einige hunderttausend Jahre später verwendet wurde.

Ein innovatives Produkt

Obwohl bereits Messer in älteren archäologischen Fundstätten ausgegraben wurden, sagen Dr. Barkai und Prof. Gopher, dass die Messer, die in der Kassem-Höhle gefunden wurden, sich durch die hochentwickelte Herstellungstechnologie und die Massenproduktion unter diesen hervorheben.

Alles deutet darauf hin, dass der Prozess mit der sorgfältigen Auswahl des Rohmaterials begann. Die Hominiden sammelten die Rohstoffe auf dem Boden oder förderten sie unter der Erdoberfläche. Sie suchten dabei nach speziellen Stücken von Feuerstein, die am geeignetsten für ihre Messerherstellung waren., erklärte Dr. Barkai. Mit den richtigen Materialstücken waren sie fähig, eine systematische und effiziente Methode zur Herstellung der begehrten Klingen einzusetzen, darunter kontrollierte und kraftvolle Schläge, die sich nach der Steinbruchmechanik richteten. Die meisten Klingen wurden so gemacht, dass sie eine scharfe Schneide hatten und ein natürlich stumpfes Ende, so dass sie leicht von einer menschlichen Hand gegriffen werden konnten.

Eingang zur Kassem-Höhle (Quesem Cave Project © 2010)
Eingang zur Kassem-Höhle (Quesem Cave Project © 2010)

Das ist vielleicht das erste Mal, dass eine solche Technologie standardisiert wurde, merkt Prof. Gopher an, was darauf hindeutet, dass die Messer mit einem relativ kleinen Anteil von Abfallmaterial produziert wurden. Diese systematische Industrie ermöglichte es den Bewohnern der Höhle relativ leicht Werkzeuge zu produzieren, die normalerweise viel kostbares Rohmaterial benötigt hätten.

An der Ausgrabungsstätte wurden Tausende dieser Messer gefunden. „Weil man sie so effizient herstellen konnte, wurden sie fast wie Verbrauchsmaterial benützt“, sagte er.

Prof. Cristina Lemorini von der Sapienza Universität in Rom führte unter dem Mikroskop eine genauere Analyse der Herstellungsart dieser Messer durch und bewies durch eine Serie von Experimenten, dass diese Werkzeuge hauptsächlich zum Schlachten und Zerlegen von Beute verwendet wurden.

Moderne Werkzeuge sind Teil moderner Verhaltensweisen

Den Wissenschaftlern zufolge ist diese innovative Industrie und Technologie ein Anzeichen von neuen Verhaltensweisen, welche die Bewohner der Höhle entwickelten. „Das sind klare Beweise für eine tägliche und gewohnheitsmäßige Verwendung von Feuer, was für uns Archäologen neu ist“, so Dr. Barkai. Bis jetzt war es unklar, ob die Amud-Kultur überhaupt Feuer verwendete und bis zu welchem Ausmaß. Es gibt außerdem auch Hinweise auf eine Raumteilung innerhalb der Höhle, merkt er an. Die Höhlenbewohner nutzten jeden Bereich auf spezielle Weise, führten spezifische Arbeitsvorgänge an festgelegten Plätzen aus. Erlegte Beute wurde zum Beispiel an einen vorbestimmten Platz zum Schlachten gebracht, gegrillt und später unter der Gruppe aufgeteilt, während die Felle der Tiere an anderer Stelle verarbeitet wurden.

Quelle: http://www.aftau.org/site/News2?page=NewsArticle&id=15401

(SOM)

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