Am Morgen des 16. Dezember 2011 wurde eine Armada von Satelliten Zeuge von etwas, das viele Experten für unmöglich hielten. Der Komet Lovejoy flog durch die heiße Atmosphäre der Sonne und blieb intakt.
„Es ist absolut erstaunlich“, sagt Karl Battams vom Naval Research Lab in Washington DC. „Ich dachte nicht, dass der eisige Kern des Kometen groß genug wäre, um den fast eine Stunde andauernden Flug durch die mehrere Millionen Grad heiße Sonnenkorona zu überleben, aber der Komet Lovejoy weilt noch immer unter uns.“
Die nahe Begegnung des Kometen wurde von mindestens fünf Satelliten aufgezeichnet: den STEREO-Zwillingssatelliten und dem Solar Dynamics Observatory (SDO) der NASA, dem Mikrosatellit Proba2 aus Europa und dem Solar and Heliospheric Observatory der NASA und ESA. Das bislang spektakulärste Video stammt von dem SDO, welches beobachtete, wie der Komet in die Korona eintrat (Quicktime-Video) und sie wieder verließ (Quicktime-Video).
In den SDO-Videos zappelt der Schweif des Kometen stark, während der Komet nur 120.000 Kilometer über der stellaren Oberfläche durch die heiße Atmosphäre der Sonne stürzt. Das könnte ein Anzeichen dafür sein, dass der Komet von Plasmawellen durchgeschüttelt wurde, welche die Korona durchquerten. Oder vielleicht wurde der Schweif aufgrund starker magnetischer Bögen umher geschleudert, von denen man weiß, dass sie die Atmosphäre der Sonne durchziehen. Niemand weiß es.
„Das ist etwas ganz Neues“, sagt Battams. „Das SDO gibt uns den ersten Blick auf Kometen, die sich durch die Atmosphäre der Sonne bewegen. Wie die beiden interagieren ist wissenschaftliches Grenzland.“
„Die Bewegungen der Kometenmaterie im Magnetfeld der Sonne sind einfach faszinierend“, ergänzt SDO-Projektwissenschaftler Dean Pesnell vom Goddard Space Flight Center. „Die plötzlichen Richtungswechsel erinnern mich daran, wie der Sonnenwind im Jahr 2007 den Schweif des Kometen Encke beeinflusste (Quicktime-Video).“
Der Komet Lovejoy wurde am 2. Dezember 2011 von dem australischen Amateurastronom Terry Lovejoy entdeckt. Die Wissenschaftler erkannten schnell, dass der neue Fund ein Mitglied der Kreutz-Familie ist, einer Gruppe sonnenstreifender Kometen. Benannt nach dem deutschen Astronom Heinrich Kreutz, der sie zuerst studierte, sind die „Sungrazers“ (etwa: „Sonnenstreifer“) der Kreutz-Familie die Fragmente eines einzigen riesigen Kometen, der im 12. Jahrhundert auseinander brach (möglicherweise der Große Komet von 1106). Kometen der Kreutz-Familie sind normalerweise klein (etwa zehn Meter groß) und zahlreich. Das Solar and Heliospheric Observatory (SOHO) sieht alle paar Tage einen in die Sonne stürzen.
Zum Zeitpunkt der Entdeckung schien der Komet Lovejoy mindestens zehnmal größer als ein gewöhnlicher Komet der Kreutz-Familie zu sein, etwa im Bereich zwischen 100 und 200 Meter Durchmesser. Im Lichte der aufgezeichneten Ereignisse korrigieren die Forscher diese Zahlen nach oben.
Video-Link: https://youtu.be/YxPehCj-ouU
„Ich würde vermuten, dass der Kometenkern einen Durchmesser von mindestens 500 Metern besessen haben muss, andernfalls hätte er so viel solare Hitze nicht überleben können“, sagt Matthew Knight. „Ein großer Anteil dieser Masse muss während der Begegnung verloren gegangen sein. Was übrigblieb, ist wahrscheinlich viel kleiner als der ursprüngliche Komet.“
Das SOHO und die STEREO-Satelliten beobachten den Kometen, während er sich von der Sonne entfernt. Er ist immer noch sehr hell und sollte die kommenden Tage im Blickfeld der Kameras bleiben. Die Wissenschaftler werden ihn genau verfolgen, weil es eine hohe Wahrscheinlichkeit für weitere Überraschungen gibt.
„Es gibt noch die Möglichkeit, dass der Komet Lovejoy beginnen wird, auseinander zu brechen“, fährt Battams fort. „Er hat ein ungemein traumatisches Ereignis durchgemacht – strukturell betrachtet könnte er extrem schwach sein. Andererseits könnte er sich auch zusammenreißen und in den Weiten des Sonnensystems verschwinden.“
„Es ist schwer zu sagen“, stimmt Knight zu. „Es gibt so wenig Forschung darüber, was mit sonnenstreifenden Kometen nach dem Perihelion (der engsten Annäherung) geschieht. Es bleibt faszinierend.“
Quelle: http://science.nasa.gov/science-news/science-at-nasa/2011/16dec_cometlovejoy/
(THK)
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