
Eine große magnetische Blase umgibt das Sonnensystem, während es sich durch die Galaxie bewegt. Die Sonne pumpt solare Teilchen in das Innere der Blase, die zum Randbereich strömen, bis sie an einer komplexen Grenzschicht namens Heliosheath mit der Materie kollidieren, die den Rest der Galaxie füllt. Auf der anderen Seite der Grenze fegen elektrisch geladene Teilchen aus dem galaktischen Wind vorbei, aber prallen von dem Heliosheath ab und können niemals in das Sonnensystem eindringen. Neutrale Teilchen sind dagegen eine andere Geschichte. Sie überschreiten die Grenze als wäre sie nicht vorhanden und reisen weitere zwölf Milliarden Kilometer, bis sie von der Gravitation der Sonne eingefangen werden und um den Stern herum geschleudert werden.
Dort wartet der Interstellar Boundary Explorer der NASA auf sie. Der als IBEX bekannte Satellit misst systematisch diese Proben der rätselhaften Nachbarschaft hinter unserer Heimat. IBEX scannt einmal pro Jahr den gesamten Himmel und in jedem Februar zeigen seine Instrumente in die korrekte Richtung, um eintreffende neutrale Atome abzufangen. IBEX zählte diese Atome 2009 und 2010 und hat jetzt den besten und vollständigsten Einblick auf die Materie erlangt, die sich so weit außerhalb unseres eigenen Systems befindet.
Video-Link: https://youtu.be/E6bLtY2_jlg
Die Ergebnisse? Es ist eine fremde Umgebung dort draußen: die Materie in diesem galaktischen Wind sieht nicht so aus wie Materie, aus der unser Sonnensystem besteht.
„Wir haben vier verschiedene Typen von Atomen aus dem interstellaren Weltraum direkt gemessen und die Zusammensetzung passt einfach nicht zu dem, was wir im Sonnensystem sehen“, sagt Eric Christian, Missionswissenschaftler für IBEX am Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland). „Die Beobachtungen von IBEX werfen ein ganz neues Licht auf die rätselhafte Zone, wo das Sonnensystem endet und der interstellare Raum beginnt.“
Video-Link: https://youtu.be/G4IXWBmOjZE
Diese neuen Messungen tun mehr als nur dabei zu helfen, die Verteilung der Elemente in dem galaktischen Wind zu bestimmen, sie geben Anhaltspunkte darüber, wie und wo unser Sonnensystem entstand, über die Kräfte, die unser Sonnensystem physikalisch geformt haben und sogar über die Vergangenheit anderer Sterne in der Milchstraße.
In einer Reihe wissenschaftlicher Studien, die am 31. Januar 2012 im Astrophysics Journal erschienen, berichten Forscher, dass auf 20 Neon-Atome im galaktischen Wind 74 Sauerstoff-Atome kommen. In unserem eigenen Sonnensystem gibt es pro 20 Neon-Atome allerdings 111 Sauerstoff-Atome. Das bedeutet übersetzt, dass es in jedem gegebenen Bereich des Sonnensystems mehr Sauerstoff gibt als im lokalen interstellaren Raum.
„Unser Sonnensystem ist anders als der direkt außerhalb von ihm liegende Weltraum und das lässt auf zwei Möglichkeiten schließen“, sagt David McComas, der leitende Wissenschaftler für IBEX am Southwest Research Institute (SWRI) in San Antonio (Texas). „Entweder entwickelte sich das Sonnensystem in einem separaten, sauerstoffreicheren Teil der Galaxie als der, an dem wir uns derzeit befinden, oder eine große Menge von wichtigem, Leben spendendem Sauerstoff liegt gefangen in interstellaren Eis- und Staubkörnchen, unfähig sich frei durch den Raum zu bewegen.“ Egal was zutrifft, es beeinflusst wissenschaftliche Modelle darüber, wie unser Sonnensystem – und Leben – entstand.
Video-Link: https://youtu.be/aJSnh8he17o
Die Untersuchung des galaktischen Windes versorgt Wissenschaftler auch mit Informationen darüber, wie unser Sonnensystem mit dem Rest des Weltraums interagiert, was mit einem wichtigen Missionsziel von IBEX in Einklang steht. Als NASA Explorer Mission klassifiziert (eine Klasse kleiner, weniger teurer Satelliten mit eng gesteckten Forschungszielen), ist es die Hauptaufgabe von IBEX, das Heliosheath zu studieren, die äußere Grenze der magnetischen Blase unseres Sonnensystems, der Heliosphäre, wo Teilchen des Sonnenwindes auf den galaktischen Wind treffen.
Vorherige Satelliten haben nur einige Informationen über die Art geliefert, wie der galaktische Wind mit dem Heliosheath interagiert. Beispielsweise beobachtete Ulysses eintreffendes Helium, wie es mit 95.000 Kilometern pro Stunde an Jupiter vorbeizog. Die neuen Informationen von IBEX zeigen allerdings nicht nur, dass der galaktische Wind mit einer geringeren Geschwindigkeit von rund 83.000 Kilometern pro Stunde weht, sondern auch, dass er aus einer anderen Richtung kommt, etwa vier Grad Richtungsänderung im Vergleich zu früheren Messungen. Solch ein Unterschied mag anfangs nicht wichtig erscheinen, aber es läuft auf einen 20-prozentigen Unterschied in dem Druck hinaus, den der galaktische Wind auf die Heliosphäre ausübt.
„Den Druck der galaktischen Materie und der dortigen Magnetfelder auf unsere Heliosphäre zu messen, wird helfen die Größe und Gestalt unseres Sonnensystems auf seiner Reise durch die Galaxie zu bestimmen“, sagt Christian.
Diese IBEX-Messungen geben auch Informationen über die Materiewolke, in der sich das Sonnensystem derzeit befindet. Diese Wolke wird als lokale interstellare Wolke bezeichnet, um sie von den zahllosen Partikelwolken in der Milchstraße zu unterscheiden, von denen sich jede mit einer anderen Geschwindigkeit bewegt. Das Sonnensystem und dessen Heliosphäre betraten unsere lokale Wolke irgendwann in den vergangenen 45.000 Jahren.
Weil die älteren Ulysses-Beobachtungen der Geschwindigkeit des galaktischen Windes innerhalb der für die lokale Wolke und die benachbarte Wolke erwarteten Geschwindigkeiten lagen, dachten Forscher, dass das Sonnensystem vielleicht nicht in der Mitte dieser Wolke liegt, sondern an der Grenze, wo es in eine neue Region des Weltraums übergeht. Die Ergebnisse von IBEX zeigen jedoch, dass wir uns komplett in der lokalen Wolke befinden, zumindest für den Moment.
„Irgendwann in den kommenden hundert bis wenigen tausend Jahren, ein Augenblick auf der Zeitskala der Galaxie, sollte unsere Heliosphäre die lokale interstellare Wolke verlassen und auf eine ganz andere galaktische Umgebung treffen“, sagt McComas.

Neben dem Einblick in die Wechselwirkung zwischen dem Sonnensystem und seiner Umgebung enthalten die neuen Ergebnisse auch Hinweise auf die Vergangenheit von Materie im Universum. Während der Urknall anfangs Wasserstoff und Helium erzeugte, können nur Supernova-Explosionen am Ende des Lebens eines Riesensterns die schwereren Elemente Sauerstoff und Neon in der Galaxie verbreiten. Die Mengen solcher Elemente im Weltraum zu kennen, kann dabei helfen nachzuvollziehen, wie die Galaxie sich entwickelt und mit der Zeit verändert hat.
„Diese Studien liefern viele der ersten direkten Messungen des interstellaren Mediums um uns herum“, sagt McComas. „Wir haben eine lange Zeit versucht, unsere Galaxie zu verstehen und mit all diesen Beobachtungen zusammen machen wir einen entscheidenden Schritt vorwärts im Wissen, wie der lokale Teil der Galaxie aussieht.“
Voyager 1 könnte innerhalb der nächsten paar Jahre das Sonnensystem verlassen. Durch Kombination der Daten von verschiedenen NASA-Instrumenten – Ulysses, Voyager, IBEX und andere – sind wir erstmals kurz davor herauszutreten und die komplexe Umgebung hinter unserer Grenze zu verstehen.
Das Southwest Research Institute entwickelte und leitet die IBEX-Mission mit einem Team nationaler und internationaler Partner. Der Satellit gehört zur Reihe kostengünstiger, schnell entwickelter Messionen des Small Explorers Program. Das Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland) betreibt das Programm für das Science Mission Directorate der Behörde.
Weitere Informationen über die IBEX-Mission gibt es unter http://www.nasa.gov/ibex
Quelle: http://www.nasa.gov/mission_pages/ibex/news/interstellar-difference.html
(THK)
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