Astronomen haben den bislang klarsten Hinweis dafür gefunden, dass ein supermassives Schwarzes Loch einen Stern zerstörte, der ihm zu nahe kam.
Supermassive Schwarze Löcher sind millionenfach oder milliardenfach schwerer als die Sonne und lauern in den Zentren der meisten Galaxien. Diese mächtigen Monster liegen still da, bis ein nichtsahnendes Opfer, beispielsweise ein Stern, ihm nahe genug kommt, um von ihren starken Gravitationskräften auseinander gerissen zu werden.
Astronomen haben diese stellaren Morde schon vorher beobachtet, aber dies ist das erste Mal, dass sie das Opfer identifizieren können. Unter Verwendung einer Reihe von boden- und weltraumgestützten Teleskopen hat ein Astronomen-Team unter der Leitung von Suvi Gezari von der Johns Hopkins University in Baltimore (Maryland) das Opfer als einen heliumreichen Stern identifiziert. Der Stern befand sich in einer 2,7 Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie.
Die Ergebnisse ihres Teams erschienen am 2. Mai 2012 in der Onlineausgabe des Journals Nature.
„Als der Stern von den Gravitationskräften des Schwarzen Lochs auseinander gerissen wurde, stürzten Teile der Überreste des Sterns in das Schwarze Loch, während der Rest mit hohen Geschwindigkeiten fortgeschleudert wurde. Wir sehen das Leuchten des stellaren Gases, wie es mit der Zeit in das Schwarze Loch fällt. Wir maßen auch die spektrale Signatur des fortgeschleuderten Gases, das hauptsächlich aus Helium bestand. Es ist, als würden wir Beweise vom Tatort eines Verbrechens sammeln. Weil es nur sehr wenig Wasserstoff und hauptsächlich Helium in dem von uns registrierten Gas des Gemetzels gab, wissen wir, dass der geschlachtete Stern der heliumreiche Kern eines entkleideten Sterns gewesen sein musste“, erklärte Gezari.
Diese Beobachtung ermöglicht Einblicke in die harsche Umgebung Schwarzer Löcher und die Sterntypen, die um sie herumwirbeln.
Das war nicht das erste Mal, dass der unglückselige Stern eine Begegnung mit dem Schwarzen Loch hatte. Gezari und ihr Team denken, dass die wasserstoffreiche Hülle, welche den Kern des Sterns umgab, vor langer Zeit von dem selben Schwarzen Loch beseitigt wurde. In ihrem Szenario könnte der Stern dem Ende seines Lebens nahe gewesen sein. Nachdem er den Großteil seines Wasserstoff-Brennstoffs aufgebraucht hatte, blähte er sich wahrscheinlich auf und wurde zu einem roten Riesen. Die Astronomen denken, dass der aufgeblähte Stern das Schwarze Loch in einer hochgradig elliptischen Umlaufbahn umkreiste, vergleichbar mit der langgestreckten Umlaufbahn eines Kometen um die Sonne. Bei einer seiner engen Annäherungen wurde der Stern von den starken Gravitationskräften des Schwarzen Lochs seiner aufgeblähten Atmosphäre beraubt. Nur sein Kern blieb intakt. Der stellare Überrest setzte seine Reise um das Schwarze Loch fort, bis er dem Monster noch näher kam und seinem endgültigen Untergang begegnete.
Astronomen haben vorhergesagt, dass entkleidete Sterne das zentrale Schwarze Loch unserer Milchstraßen-Galaxie umkreisen, betonte Gezari. Diese nahen Begegnungen sind allerdings selten und treten etwa alle 100.000 Jahre auf. Um dieses eine Ereignis zu finden, überprüfte Gezaris Team hunderttausende Galaxien mit dem Galaxy Evolution Explorer (GALEX) der NASA, einem Weltraumobservatorium, in ultraviolettem Licht und mit dem Pan-STARRS1-Teleskop auf dem Gipfel des Haleakala (Hawaii) in sichtbarem Licht. Pan-STARRS, die Kurzform für Panoramic Survey Telescope and Rapid Response System, durchsucht den gesamten Nachthimmel nach allen Arten vergänglicher Phänomene, Supernovae eingeschlossen.
Das Team suchte im ultravioletten Licht nach einem hellen Ausbruch eines Galaxienkerns mit einem zuvor inaktiven Schwarzen Loch. Im Juni 2010 fanden sie einen Ausbruch, der mit beiden Teleskopen beobachtet wurde. Beide Teleskope setzten ihre Beobachtungen des Ausbruches fort, bis er einen Monat später seine maximale Helligkeit erreichte und sich dann während der nächsten zwölf Monate langsam abschwächte. Das heller werdende Ereignis war mit dem einer Supernova vergleichbar, aber der Anstieg bis zum Maximum war viel langsamer und benötigte fast 1,5 Monate.
„Je länger das Ereignis dauerte, desto aufgeregter wurden wir, weil wir erkannten, dass dies entweder eine sehr ungewöhnliche Supernova oder eine komplett andere Art von Ereignis war, etwa ein Stern, der von einem Schwarzen Loch auseinander gerissen wird“, sagte Teammitglied Armin Rest vom Space Telescope Science Institute in Baltimore (Maryland).
Durch Messung des Helligkeitsanstiegs berechneten die Astronomen die Masse des Schwarzen Lochs auf mehrere Millionen Sonnenmassen, was mit der Masse des Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Milchstraße vergleichbar ist.
Spektroskopische Beobachtungen mit dem MMT (Multiple Mirror Telescope) Observatory auf dem Mount Hopkins in Arizona zeigten, dass das Schwarze Loch dabei war, eine Menge Helium zu schlucken. Spektroskopie trennt Licht in seine Regenbogenfarben, was die Eigenschaften eines Objekts – wie Temperatur und Gaszusammensetzung – offenbart.
Das leuchtende Helium war ein Hinweisgeber für ein außerordentlich heißes Akkretionsereignis“, sagte Gezari. „Das gab uns ein Alarmzeichen. Und die Tatsache, dass kein Wasserstoff gefunden wurde, gab uns ein großes Alarmzeichen dafür, dass dies kein typisches Gas war. Man kann kein Gas wie dieses in der Nähe des Zentrums einer Galaxie finden. Es ist ‚verarbeitetes‘ Gas, das aus einem stellaren Kern stammen muss. Nichts von diesem Ereignis kann leicht durch irgendein anderes Phänomen erklärt werden.“
Video-Link: https://youtu.be/khKSOPdjlH4
Computersimulation auf Basis der gesammelten Daten. (NASA, S. Gezari (The Johns Hopkins University), and J. Guillochon (University of California, Santa Cruz))
Die beobachtete Geschwindigkeit des Gases verknüpfte die Materie ebenfalls mit den Gravitationskräften eines Schwarzen Lochs. MMT-Messungen enthüllten, dass das Gas sich mit über 32 Millionen Kilometern pro Stunde bewegte. Messungen der Geschwindigkeit von Gas im interstellaren Medium zeigten dagegen Werte von nur 360.000 Kilometern pro Stunde.
„Die Orte, an denen wir diese Geschwindigkeitswerte noch sehen, sind Supernova-Explosionen“, sagte Rest. „Aber die Tatsache, dass es im ultravioletten Licht noch immer leuchtet, ist inkompatibel mit jeder uns bekannten Supernova.“
Um die Möglichkeit eines aktiven, ausbrechenden Kerns in der Galaxie vollständig auszuschließen, verwendete das Team das Chandra X-ray Observatory, um das heiße Gas zu untersuchen. Chandra zeigte, dass die Eigenschaften des Gases nicht denen eines aktiven galaktischen Kerns entsprechen.
„Dies ist das erste Mal, dass wir so viele Hinweise haben und jetzt können wir sie alle zusammenbringen, um den Täter (das Schwarze Loch) zu wiegen und die Identität des unglücklichen Sterns zu bestimmen, der ihm zu Opfer fiel“, sagte Gezari. Diese Beobachtungen geben uns auch Anhaltspunkte darüber, nach welchen Hinweisen wir in Zukunft suchen müssen, um diese Art von Ereignis zu finden.“
Das Space Telescope Science Institute (STScI) in Baltimore (Maryland) wird von der Association of Universities for Research in Astronomy, Inc., in Washington, D.C. für die NASA betrieben. Das STScI führt wissenschaftliche Operationen für das Hubble Space Telescope durch und ist das Wissenschafts- und Operationszentrum für das James Webb Space Telescope.
Das California Institute of Technology in Pasadena (Kalifornien) leitet die Mission des Galaxy Evolution Explorer und ist für die wissenschaftlichen Operationen und die Datenanalyse verantwortlich. Das ebenfalls in Pasadena ansässige Jet Propulsion Laboratory der NASA betreibt die Mission und baute das wissenschaftliche Instrument. Die Mission wurde unter dem Explorers Program der NASA entwickelt, welches vom Goddard Space Flight Center in Greenbelt (Maryland) geleitet wird. Forscher, die von der Yonsei University in Südkorea und dem Centre National d’Etudes Spatiales (CNES) in Frankreich gefördert wurden, arbeiteten bei dieser Mission zusammen.
Grafiken und weitere Informationen über den Galaxy Evolution Explorer gibt es unter:
http://www.nasa.gov/galex
http://www.galex.caltech.edu/
Quelle: http://hubblesite.org/newscenter/archive/releases/2012/18/full/
(THK)
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