Berühmtes Fossil liefert Anthropologen eine Erklärung für die Entwicklung des menschlichen Gehirns

Das Taung-Fossil (Mitte) im Vergleich zu den Schädeln eines jungen Schimpansen (links) und eines Menschen (rechts) (CT-based images by M. Ponce de León and Ch. Zollikofer, University of Zurich)
Das Taung-Fossil (Mitte) im Vergleich zu den Schädeln eines jungen Schimpansen (links) und eines Menschen (rechts) (CT-based images by M. Ponce de León and Ch. Zollikofer, University of Zurich)

Nach Angaben der Evolutions-Anthropologin Dean Falk von der Florida State University kann eines der bedeutendsten Fossilien der Welt uns eine Geschichte über die Evolution des Gehirns moderner Menschen und ihrer Vorfahren erzählen.

Das Taung-Fossil – der erste jemals entdeckte Australopithecus – hat zwei besondere Eigen-schaften, die von Falk und einer Gruppe anthro-pologischer Wissenschaftler untersucht wurden. Ihre Ergebnisse, die nahelegen, dass die Evolution des Gehirns eine Folge komplexen Zusammen-spiels von miteinander in Verbindung stehenden Abläufen während der Geburt der neuen Zweibeiner ist, wurden am 7. Mai 2012 in der renommierten Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht.

„Diese Forschungsergebnisse sind sehr bedeutend, weil sie eine sehr plausible Erklärung dafür liefern, warum das Gehirn der Hominiden größer und komplexer wurde“, so Falk.

Das erste Merkmal ist eine dauerhafte Stirnnaht (Sutura metopica; Anm. d. Red.) oder auch nicht verschmolzene Knochennaht am Stirnbein, die einem Säuglingskopf während des Geburtsvorgangs die nötige Nachgiebigkeit verleiht, wenn er sich durch den Geburtskanal quetschen muss. Bei Menschenaffen – Gorillas, Orang Utans, Schimpansen – schließt sich die Stirnnaht bereits kurz nach der Geburt. Bei Menschen passiert dies erst im Alter von ungefähr zwei Jahren, was ein schnelles Gehirnwachstum ermöglicht.

Die zweite Eigenschaft betrifft den Schädelausguss oder das Endocast des Fossils, also den Abdruck, den die Oberfläche des Gehirns an der Innenseite des Schädels hinterlassen hat. Das Endocast gestattet den Wissenschaftlern, Form und Struktur des Gehirns zu untersuchen.

Nachdem sie das Taung-Fossil und eine große Anzahl weiterer Schädel von Menschenaffen und Menschen untersucht und mit 3D-CT-Scans vermessen hatten und damit die Fossilienbestände der letzten drei Millionen Jahre in Betracht gezogen hatten, machten Falk und ihre Kollegen drei wichtige Entdeckungen: die dauerhafte Schädelnaht ist eine Anpassung, um Babys mit größeren Gehirnen die Geburt zu ermöglichen; damit verbunden ist die Anpassung an ein schnell wachsendes Gehirn nach der Geburt und vermutlich ist dies auch mit der Vergrößerung der Frontallappen verbunden.

„Die dauerhafte Stirnnaht, ein Merkmal fortgeschrittener Entwicklung, entstand vermutlich zusammen mit der verbesserten Eigenschaft, auf zwei Beinen zu gehen“, so Falk. „Die Fähigkeit des aufrechten Gangs verursachte ein geburtshilfliches Dilemma. Die Geburt wurde erschwert, weil die Form des Geburtskanals enger wurde, während die Größe des Gehirns zunahm. Die dauerhafte Stirnnaht trägt zu einem evolutionären Ausweg aus diesem Dilemma bei.“

Die spätere Verschmelzung der Sutura metopica ist am wahrscheinlichsten eine Anpassung der aufrecht gehenden Hominiden, um die Geburt von Babys mit einem relativ großen Gehirn zu erleichtern. Die nicht verschmolzene Naht ist auch mit der Aufnahme des schnell wachsenden Gehirns verbunden, einem fortgeschrittenen Merkmal von Menschenähnlichen im Vergleich zu Menschenaffen.

„Die spätere Verschmelzung wird ebenfalls mit der evolutionären Vergrößerung der Frontallappen in Verbindung gebracht, die sich mit den Schädelausgüssen von Australopithecus wie dem ‚Kind von Taung‘ beweisen lässt“, sagte Falk.

Das Taung-Fossil, welches schätzungsweise ungefähr 2,5 Millionen Jahre alt ist, wurde 1924 in Taung (Südafrika) entdeckt. Es wurde das Typusexemplar für die Gattung Australopithecus africanus, als es 1925 bekannt gemacht wurde. Ein Australopithecus ist jede Spezies der ausgestorbenen Gattungen Australopithecus oder Paranthropus, die in Afrika lebten, aufrecht gehen konnten und relativ kleine Gehirne besaßen.

Falk führte diese Untersuchungen zusammen mit Marcia S. Ponce de Leon, Christoph P.E. Zollikofer und Naoki Morimoto vom Anthropological Institute and Museum der Universität Zürich (Schweiz) durch.

Quelle: http://www.news.fsu.edu/Top-Stories/Anthropologist-finds-explanation-for-hominin-brain-evolution-in-famous-fossil

(THK)

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