Supermassives Schwarzes Loch wird aus seiner Heimatgalaxie herauskatapultiert

Detailaufnahmen des Systems CID-42. Man erkennt zwei optische Lichtquellen, aber nur eine Quelle für Röntgenstrahlung. (X-ray: NASA / CXC / SAO / F.Civano et al; Optical: NASA / STScI; Optical (wide field): CFHT, NASA / STScI)
Detailaufnahmen des Systems CID-42. Man erkennt zwei optische Lichtquellen, aber nur eine Quelle für Röntgenstrahlung. (X-ray: NASA / CXC / SAO / F.Civano et al; Optical: NASA / STScI; Optical (wide field): CFHT, NASA / STScI)

Astronomen haben überzeugende Hinweise dafür gefunden, dass ein massives Schwarzes Loch mit einer Geschwindigkeit von mehreren Millionen Kilometern pro Stunde aus seiner Heimatgalaxie herausgeschleudert wird. Neue Beobachtungen des Chandra X-ray Observatory lassen darauf schließen, dass das Schwarze Loch mit einem anderen Schwarzen Loch kollidierte, verschmolz und durch die Strahlung der Gravitationswellen einen kräftigen Rückstoß erhielt.

„Es ist schwer zu glauben, dass ein supermassives Schwarzes Loch mit der Masse von Millionen Sonnenmassen überhaupt bewegt werden kann, geschweige denn mit hoher Geschwindigkeit aus einer Galaxie heraus geschleudert werden kann“, sagte Francesca Civano vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA), die die neue Studie leitete. „Aber diese neuen Daten erhärten die Theorie, dass Gravitationswellen eine extrem starke Kraft ausüben können. Gravitationswellen sind Kräuselungen im Gefüge des Raums, die erstmals von Albert Einstein vorhergesagt, aber noch nie direkt gemessen wurden.“

Obwohl das Herauskatapultieren eines supermassiven Schwarzen Lochs aus einer Galaxie aufgrund eines Rückstoßes (weil mehr Gravitationswellen in eine Richtung emittiert wurden als in eine andere) wahrscheinlich selten ist, könnte es dennoch bedeuten, dass es in den weiten Räumen zwischen den Galaxien viele unentdeckte riesige Schwarze Löcher gibt.

„Diese Schwarzen Löcher wären für uns unsichtbar“, sagte Co-Autorin Laura Blecha, ebenfalls vom CfA, „weil sie all das Gas in ihrer Umgebung aufgesaugt hätten, nachdem sie aus ihrer Heimatgalaxie herausgeschleudert wurden.“ Civano und ihre Gruppe haben ein System namens CID-42 untersucht, das sich im Zentrum einer vier Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie befindet. Mit dem Hubble Space Telescope der NASA hatten sie zuvor zwei verschiedene kompakte Quellen für optisches Licht in CID-42 entdeckt.

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Video-Link: https://youtu.be/vyFkASWXt64

Tour durch das System CID-42. (NASA / CXC / A. Hobart)

Weitere optische Daten des bodengestützten Magellan-Teleskops und des Very Large Telescope in Chile lieferten ein Spektrum (die Verteilung des optischen Lichts in Bezug auf seine Energie), welches darauf hindeutete, dass sich die zwei Quellen in CID-42 mit einer Geschwindigkeit von mindestens 4,8 Millionen Kilometern pro Stunde voneinander entfernen.

Vorherige Chandra-Beobachtungen registrierten eine helle Röntgenquelle, die wahrscheinlich durch superheiße Materie um ein oder mehrere supermassive Schwarze Löcher erzeugt wurde. Man konnte allerdings nicht unterscheiden, ob die Röntgenstrahlen von einer oder von beiden optischen Quellen stammten, weil Chandra nicht direkt auf CID-42 ausgerichtet war, was eine weniger scharfe Röntgenquelle zur Folge hatte als gewöhnlich.

„Die vorherigen Daten sagten uns, dass dort etwas Besonderes vor sich ging, aber wir konnten nicht sagen, ob es dort zwei Schwarze Löcher gab oder nur eins“, sagte ein anderer Co-Autor, Martin Elvis vom CfA. „Wir brauchten neue Röntgendaten, um die Quellen zu trennen.“

Als Chandras scharfe High Resolution Camera direkt auf CID-42 gerichtet war, zeigten die resultierenden Daten, dass die Röntgenstrahlen nur von einer der Quellen kamen. Das Team denkt, dass auch die supermassiven Schwarzen Löcher in den Zentren zweier Galaxien kollidierten, als die Galaxien miteinander kollidierten. Dann verschmolzen die beiden Schwarzen Löcher, um ein einziges Schwarzes Loch zu bilden, das einen Rückstoß durch die bei der Kollision produzierten Gravitationswellen erhielt, was dem neu entstandenen Schwarzen Loch einen ausreichend großen Stoß versetzte, um der Galaxie letztendlich zu entkommen. Man nimmt an, dass die andere optische Quelle ein heller Sternhaufen ist, der zurückgelassen wurde. Dieses Bild stimmt mit kürzlichen Computersimulationen von verschmelzenden Schwarzen Löchern überein, die zeigen, dass verschmolzene Schwarze Löcher starke Stöße aus den Emissionen von Gravitationswellen erhalten können.

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Video-Link: https://youtu.be/-Q3jnQkvU-o

Computersimulation einer Kollision zwischen zwei Spiralgalaxien und ihren zentralen Schwarzen Löchern. (Laura Blecha)

Es gibt zwei andere mögliche Erklärungen für das, was in CID-42 geschieht. Eine wäre die Begegnung zwischen drei supermassiven Schwarzen Löchern, wovon das leichteste fortgeschleudert werden würde. Eine andere Theorie ist, dass CID-42 zwei supermassive Schwarze Löcher enthält, die aufeinanderzuspiralen, anstatt dass sich eins schnell entfernt.

Beide dieser alternativen Erklärungen würden erfordern, dass mindestens eins der supermassiven Schwarzen Löcher nicht zu erkennen ist, weil nur eine helle Röntgenquelle beobachtet wurde. Deshalb untermauern die Chandra-Daten die Theorie eines Schwarzen Lochs, das einen Rückstoß durch Gravitationswellen erhielt.

Die Quelle befindet sich im Sichtfeld des Cosmic Evolution Survey (COSMOS), einer umfassenden Himmelsdurchmusterung in zahlreichen Wellenlängen. Die anderen Co-Autoren sind Giorgio Lanzuisi (CfA), Thomas Aldcroft (CfA), Markos Trichas (CfA), Angela Bongiorno (Max-Planck Institut für Astrophysik (MPIA) in Garching, Deutschland), Marcella Brusa (MPIA), Andrea Comastri (National Institute for Astrophysics (INAF), Bologna, Italien), Avi Loeb (CfA), Mara Salvato (MPIA), Antonella Fruscione (CfA), Anton Koekemoer (Space Telescope Science Institute, Baltimore, Maryland), Stefanie Komossa (Max-Planck Institut für Plasmaphysik in Garching, Deutschland), Roberto Gilli (INAF, Bologna, Italien), Vincenzo Mainieri (XMM-Newton Science Operations Centre, ESA, Madrid, Spanien), Enrico Piconcelli (University of Bologna, Bologna, Italien), and Cristian Vignali (Max-Planck Institut für Radioastronomie in Bonn, Deutschland).

Diese Ergebnisse werden in der Ausgabe des Astrophysical Journal vom 10. Juni 2012 erscheinen. Das Marshall Space Flight Center in Huntsville (Alabama) betreibt das Chandra-Programm für das Science Mission Directorate in Washington. Das Smithsonian Astrophysical Observatory in Cambridge (Massachusetts) kontrolliert die Wissenschafts- und Flugoperationen von Chandra.

Quelle: http://chandra.harvard.edu/press/12_releases/press_060412.html

(THK)

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