Simulation zeigt den Blick ins Herz einer Supernova

Die inneren Regionen eines kollabierenden, schnell rotierenden, massereichen Sterns. Rote Bereiche sind sehr heiß, blaue Gebiete sind kühler. Die schwarzen Pfeile kennzeichnen die Richtungen der Materieströme. Die weißen Grafen zeigen das Neutrino-Signal (oben) und das Gravitationswellen-Signal (unten). Zeitpunkt: 10,44 Millisekunden nachdem der stellare Kern zu einem Proto-Neutronenstern wurde. (Simulation: C. Ott, Visualization: S. Drasco)
Die inneren Regionen eines kollabierenden, schnell rotierenden, massereichen Sterns. Rote Bereiche sind sehr heiß, blaue Gebiete sind kühler. Die schwarzen Pfeile kennzeichnen die Richtungen der Materieströme. Die weißen Grafen zeigen das Neutrino-Signal (oben) und das Gravitationswellen-Signal (unten). Zeitpunkt: 10,44 Millisekunden nachdem der stellare Kern zu einem Proto-Neutronenstern wurde. (Simulation: C. Ott, Visualization: S. Drasco)

In jedem Jahrhundert explodieren in unserer eigenen Galaxie ungefähr zwei massereiche Sterne und erzeugen prachtvolle Supernovae. Diese stellaren Explosionen emittieren fundamentale, ungeladene Teilchen – Neutrinos -, die unseren Weg kreuzen und verursachen Kräuselungen im Gefüge der Raumzeit, Gravitationswellen genannt. Wissenschaftler warten darauf, dass uns die Neutrinos und Gravitationswellen von rund 1.000 Supernovae erreichen, die schon in entfernten Regionen der Milchstraße explodiert sind. Hier auf der Erde haben große, empfindliche Neutrino- und Gravitationswellen-Detektoren die Fähigkeit, diese betreffenden Signale zu registrieren, die Informationen darüber liefern werden, was in den Kernen von kollabierenden, massereichen Sternen geschieht, kurz bevor sie explodieren.

Bevor sie diese Daten verstehen können, werden die Wissenschaftler allerdings wissen müssen, wie die von den Detektoren gesammelten Informationen zu interpretieren sind. Zu diesem Zweck haben Forscher am California Institute of Technology (Caltech) per Computersimulation etwas herausgefunden, wovon sie glauben, dass es eine unmissverständliche Signatur für ein Merkmal eines solchen Ereignisses sein wird: Wenn das Innere des sterbenden Sterns kurz vor dessen Explosion sehr schnell rotiert, dann werden die emittierten Neutrino- und Gravitationswellensignale gemeinsam mit derselben Frequenz schwingen.

„Wir sahen diese Korrelation in den Ergebnissen unserer Simulationen und waren vollkommen überrascht“, sagt Christian Ott, ein Assistenzprofessor für theoretische Astrophysik am Caltech und der leitende Autor einer Studie, die in der aktuellen Ausgabe des Journals Physical Review D erscheint und die Übereinstimmung beschreibt. „Bei dem Gravitationswellensignal allein bekommt man diese Oszillation sogar bei langsamer Rotation. Aber wenn der Stern sehr schnell rotiert, sieht man die Oszillation in den Neutrinos und den Gravitationswellen, was eindeutig beweist, dass der Stern schnell rotierte – das ist unser entscheidender Beweis.“

Die Wissenschaft kennt noch nicht alle Einzelheiten, die dazu führen, dass ein massereicher Stern (ein Stern, der mindestens zehnmal schwerer als die Sonne ist) zu einer Supernova wird. Was sie wissen ist, dass ein Stern nicht länger seinem eigenen Gravitationsdruck standhalten kann, wenn sein Brennstoff zur Neige geht. Dann beginnt er zu kollabieren und bildet einen Proto-Neutronenstern. Dies wurde erstmals 1934 von dem Caltech-Astronomen Fritz Zwicky und seinem Kollegen Walter Baade vermutet. Sie wissen auch, dass eine andere Kraft, die so genannte starke Kernkraft (auch starke Wechselwirkung; Anm. d. Red.) Überhand nimmt und zu der Bildung einer Schockwelle führt, die anfängt, den stellaren Kern zu zerreißen. Aber diese Schockwelle ist nicht energiereich genug, um den Stern komplett explodieren zu lassen; sie verzögert die zerstörerische Arbeit teilweise.

Es muss einen Mechanismus geben – Wissenschaftler bezeichnen ihn als den „Supernova-Mechanismus“ -, der die Explosion vervollständigt. Aber was könnte die Schockwelle neu beleben? Die aktuelle Theorie schlägt mehrere Möglichkeiten vor. Neutrinos könnten es tun, falls sie kurz hinter der Schockwelle absorbiert werden und sie mit neuer Energie versorgen. Der Proto-Neutronenstern könnte auch schnell genug rotieren (wie ein Dynamo), um ein Magnetfeld zu erzeugen, das die Materie des Sterns als energiereichen Jet entlang der Pole abstößt und dadurch die Schockwelle neu belebt, was zur Explosion führt. Es könnte auch eine Kombination dieser oder anderer Effekte sein. Die von Otts Team identifizierte, neue Korrelation bietet eine Möglichkeit, um zu bestimmen, ob die Rotationsrate des Kerns eine Rolle bei der Erzeugung irgendeiner beobachteten Supernova spielte.

Es wäre schwierig, solche Informationen beispielsweise aus Teleskop-Beobachtungen zu abzuleiten, weil sie nur Informationen über die Oberfläche des Sterns liefern, nicht über seine innere Struktur. Neutrinos und Gravitationswellen werden dagegen von innerhalb des stellaren Kerns emittiert und wechselwirken kaum mit anderen Teilchen, wenn sie mit Lichtgeschwindigkeit durch den Weltraum rasen. Das bedeutet, sie tragen unverfälschte Informationen über den Kern mit sich.

Die Fähigkeit von Neutrinos, Materie zu durchqueren und so schwach mit ihr zu interagieren, macht sie extrem schwer nachweisbar. Trotzdem wurden Neutrinos registriert: 20 Neutrinos von der Supernova 1987a in der Großen Magellanschen Wolke wurden im Februar 1987 registriert. Man nimmt an, dass heutige Neutrinodetektoren in der Lage wären, etwa 10.000 Neutrinos einzufangen, wenn eine Supernova in der Milchstraße stattfinden würde. Außerdem haben Wissenschaftler und Ingenieure jetzt Detektoren wie das Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory (LIGO), einem Gemeinschaftsprojekt, das von der National Science Foundation unterstützt und vom Caltech und dem MIT betrieben wird, um Gravitationswellen erstmals zu registrieren und zu messen.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
Video-Link: https://youtu.be/Gf70t12tkno

Video von einer der durchgeführten Simulationen. (C. Ott / S. Drasco)

Otts Team stieß auf die Übereinstimmung zwischen dem Neutrino-Signal und dem Gravitationswellen-Signal, als sie Daten einer neuen Simulation betrachteten. Vorherige Simulationen, die sich auf das Gravitationswellen-Signal konzentrierten, hatten nicht die Auswirkungen der Neutrinos nach der Bildung eines Proto-Neutronensterns einbezogen. Dieses Mal wollten sie sich den Effekt anschauen.

„Zu unserer großen Überraschung hatte sich das Gravitationswellen-Signal nicht entscheidend verändert“, sagt Ott. „Die große neue Entdeckung war, dass das Neutrino-Signal diese Oszillationen besaß, die mit dem Gravitationswellen-Signal übereinstimmten.“ Die Korrelation war sichtbar, als der Proto-Neutronenstern hohe Rotationsgeschwindigkeiten von etwa 400 Umdrehungen pro Sekunde erreichte.

Zukünftige Simulationsstudien werden den Bereich der Rotationsraten genauer ergründen, in dem die übereinstimmenden Oszillationen zwischen dem Neutrino-Signal und dem Gravitationswellen-Signal auftreten. Hannah Klion, eine Studentin am Caltech, die kürzlich ihr Erstsemesterjahr abgeschlossen hat, wird diese Forschungsarbeit diesen Sommer als Stipendiatin des Summer Undergraduate Research Fellowship (SURF) in Otts Team durchführen. Wenn die nächste nahe Supernova stattfindet, könnten die Ergebnisse den Wissenschaftlern dabei helfen zu erklären, was in den Momenten direkt vor der Explosion eines kollabierten stellaren Kerns geschieht.

Die anderen Caltech-Autoren der Studie „Correlated Gravitational Wave and Neutrino Signals from General-Relativistic Rapidly Rotating Iron Core Collapse“ sind neben Ott auch Ernazar Abdikamalov, Evan O’Connor, Christian Reisswig, Roland Haas und Peter Kalmus. Steve Drasco von der California Polytechnic State University in San Luis Obispo, Adam Burrows von der Princeton University und Erik Schnetter vom Perimeter Institute for Theoretical Physics in Ontario (Kanada) sind ebenfalls Co-Autoren. Ott ist ein Alfred P. Sloan Research Fellow.

Der Großteil der Berechnungen wurde mit dem Zwicky-Cluster am Caltech Center for Advanced Computing Research vervollständigt. Ott baute den Cluster mit Fördergeldern der National Science Foundation. Er wird von der Sherman Fairchild Foundation unterstützt.

Quelle: http://media.caltech.edu/press_releases/13531

(THK)

Werbung

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*