Wissenschaftler haben die extremen Bedingungen an der Grenze zwischen dem Erdkern und ihrem Mantel, 2.900 Kilometer unter der Oberfläche, nachgebildet. Mit dem am stärksten gebündelten Röntgenstrahl der Welt untersuchten sie staubkorngroße Gesteinsproben bei sehr hohen Temperaturen und Druckverhältnissen, um erstmals zu zeigen, dass teilweise geschmolzenes Gestein unter diesen Bedingungen schwimmfähig ist und sich nach oben in Richtung Erdoberfläche bewegen sollte. Diese Beobachtung ist ein überzeugender Hinweis für die Theorie, wonach vulkanische Hotspots wie die Inseln von Hawaii ihren Ursprung in Mantelplumes haben, die an der Kern-Mantel-Grenze der Erde erzeugt werden. Die Ergebnisse wurden am 19. Juli 2012 im Magazin Nature veröffentlicht.
Die Forschungsgruppe wurde von Denis Andrault vom Laboratoire Magmas et Volcans der University Blaise Pascal in Clermont geleitet und umfasste Wissenschaftler des CNRS in Clermont und der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble (Frankreich).
Die meisten Vulkane befinden sich an Orten, wo Kontinentalplatten gegeneinander gedrückt oder auseinander gezogen werden. Hier ist die kontinentale Kruste geschwächt und das Magma kann die Oberfläche durchbrechen. Der pazifische „Feuerring“ („Ring of Fire“) beispielsweise zeigt solche Plattenbewegungen, was kräftige Erdbeben und zahlreiche aktive Vulkane nach sich zieht.
Vulkanische Hotspots haben eine völlig andere Natur, weil die meisten von ihnen weit von Plattengrenzen entfernt liegen. Die Hawaiianischen Inseln zum Beispiel sind eine Vulkankette, die ihren Ursprung vermutlich in einem rätselhaften Hotspot unter dem Grund des pazifischen Ozeans hat. Jede Insel der Kette beginnt als aktiver Vulkan, der von dem Hotspot genährt wird und letztendlich über die Wasseroberfläche wächst. Wenn die Plattentektonik den Vulkan von dem Hotspot wegbewegt, wird er inaktiv. In der Zwischenzeit wird der Hotspot einen weiteren Vulkan erschaffen: die nächste Insel in der Kette. Die Hawaiianischen Inseln sind eines von vielen Beispielen für diesen Prozess, wie die Kanarischen Inseln, La Réunion oder die Azoren.
Die Natur der Hotspot-Quelle und ihre Position im Mantel blieben bis heute schwer fassbar. Eine Erklärung sind schmale Magmaströme, die von der Grenze zwischen dem Erdkern aus flüssigem Eisen und dem festen Mantel aus Silikatgesteinen bis zur Erdoberfläche transportiert wurden. Ob der unterste Mantel derartige Magmaströme – Magmaplumes genannt – abstößt, ist heutzutage eine der wichtigsten Kontroversen unter Geologen.
Welches Material kann an der Kern-Mantel-Grenze gespeichert werden und wird leicht genug, um durch den 2.900 Kilometer dicken, festen Mantel aufzusteigen? Das war die Frage, die Denis Andrault und seine Kollegen beschäftigte, als sie sich vornahmen, die Bedingungen an der Kern-Mantel-Grenze in einem Labor nachzubilden. Sie komprimierten winzige Gesteinsstücke von der Größe eines Staubkorns und zehnmal dünner als ein menschliches Haar zwischen den Spitzen zweier konischer Diamanten mit einem Druck von mehr als einer Million Bar. Dann erhitzte ein Laserstrahl diese Proben auf Temperaturen zwischen 3.000 und 4.000 Grad Celsius, was den Wissenschaftlern zufolge repräsentativ für die 200 Kilometer dicke Kern-Mantel-Grenze ist. Die Proben sind verglichen mit dem natürlicherweise in der Erde stattfindenden Prozess extrem klein. Trotzdem wurden die Schmelzprozesse experimentell sehr gut nachgebildet. Deshalb können die Beobachtungen getrost von dem Mikro-Maßstab in den Experimenten auf die Kilometer-Größenordnung in dem tiefen Mantel übertragen werden.
Um diese Proben zu untersuchen und zu identifizieren, wo das feste Gestein geschmolzen war, wurden an der ESRF Röntgenstrahlen verwendet, die auf einen Durchmesser von einem Tausendstel Millimeter gebündelt waren. „Diese winzigen Proben erzeugen offenkundig schwache Interaktionssignale und darum ist es wichtig, für diese Art von Experiment die Röntgenstrahlen mit der höchsten Brillanz zu haben“, sagt Mohammed Mezouar, der für die Hochdruck-Beamline ID27 verantwortliche Wissenschaftler von der ESRF.
Nachdem die Stellen mit geschmolzenem Gestein erst einmal identifiziert wurden, benutzte man an der ESRF eine andere Röntgentechnik, um die chemischen Zusammensetzungen der zuvor geschmolzenen und festen Teile zu vergleichen. „Es ist der Eisengehalt, der entscheidend für die Dichte des geschmolzenen Gesteins an der Kern-Mantel-Grenze ist. Ihn genau zu kennen, erlaubte es uns zu bestimmen, dass geschmolzenes Gestein unter diesen Bedingungen tatsächlich leichter als festes Gestein ist“, sagt Denis Andrault.
Die spezifische Dichte lässt das leichte, flüssige Gestein aus einem Hotspot langsam nach oben steigen, wie Blasen in Wasser, bis es die Oberfläche erreicht, wo die Magmaplume einen Vulkan bilden wird. Die Hotspots aus flüssigem Gestein treten in der relativ dünnen Grenzregion zwischen dem festen, unteren Erdmantel und dem flüssigen, äußeren Erdkern auf, wo die Temperaturen innerhalb einer Distanz von nur 200 Kilometern von 3.000 auf 4.000 Grad Celsius ansteigen. Dieser steile Anstieg wird durch die Nähe des viel heißeren Kerns verursacht und hat ein teilweises Aufschmelzen des Gesteins zur Folge.
Die Ergebnisse des Experiments sind auch von großer Bedeutung für das Verständnis der Frühgeschichte der Erde, weil sie eine Erklärung dafür liefern, warum viele chemische Elemente, die eine Schlüsselrolle in unserem täglichen Leben spielen, sich allmählich vom Erdinneren in die dünne Erdkruste nahe an der Oberfläche bewegten und dort ansammelten.
„Wir wissen weniger über den Erdmantel als über die Oberfläche des Mars. Es ist unmöglich, ein Loch von 100 Kilometern Tiefe in die Erde zu bohren, also mussten wir es im Labor nachbilden. Das sind wichtige Erkenntnisse, weil aktive Hotspot-Vulkane wie die auf Island gefährlich und zerstörerisch für das tägliche Leben weit entfernt lebender Menschen sein können“, schlussfolgert Denis Andrault.
Quelle: http://www.esrf.eu/news/general/volcanic-hotspots/index_html/
(THK)
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