Unter Verwendung von Daten des Hubble Space Telescope haben Astronomen zwei aus massereichen Sternen bestehende Sternhaufen beobachtet, die sich in einem frühen Verschmelzungsstadium befinden könnten. Die Sternhaufen liegen rund 170.000 Lichtjahre entfernt in der Großen Magellanschen Wolke, einer kleinen Satellitengalaxie unserer Milchstraße.
Was zunächst für einen einzigen Sternhaufen im Kern der ausgedehnten Sternentstehungsregion 30 Doradus (auch bekannt als der Tarantelnebel) gehalten wurde, hat sich als Verbund zweier Sternhaufen herausgestellt, deren Alter sich um etwa eine Million Jahre unterscheidet.
Der gesamte 30-Doradus-Komplex ist seit 25 Millionen Jahren eine aktive Sternentstehungsregion und es ist derzeit nicht bekannt, wie lange diese Region noch neue Sterne hervorbringen kann. Kleinere Systeme, die zu größeren Systemen verschmelzen, könnten helfen, den Ursprung von einigen der größten bekannten Sternhaufen zu erklären.
Die leitende Wissenschaftlerin Elena Sabbi vom Space Telescope Science Institute (STScI) in Baltimore (Maryland) und ihr Team begannen mit der Beobachtung des Gebietes, als sie nach Ausreißersternen (Schnellläufern) suchten – das sind sich schnell bewegende Sterne, die aus ihren stellaren Kinderstuben, wo sie entstanden, herausgeschleudert wurden. „Man nimmt an, dass Sterne in Sternhaufen entstehen, aber es gibt viele junge Sterne außerhalb von 30 Doradus, die nicht dort entstanden sein können, wo sie sich befinden. Sie könnten mit sehr hoher Geschwindigkeit aus 30 Doradus selbst herausgeschleudert worden sein“, sagte Sabbi.
Als sie sich die Verteilung der von Hubble registrierten geringmassigen Sterne anschaute, bemerkte sie etwas Ungewöhnliches an dem Sternhaufen. Er ist nicht kugelförmig wie man es erwartet hatte, sondern besitzt Merkmale, die mit der Gestalt zweier verschmelzender Galaxien vergleichbar sind, die aufgrund der Gezeitenkräfte längliche Formen aufweisen. Hubbles umständlicher Beleg für die bevorstehende Verschmelzung stammt aus der Beobachtung einer länglichen Struktur in einem der Sternhaufen und aus der Messung eines unterschiedlichen Alters zwischen den beiden Sternhaufen.
Manchen Modellen zufolge könnten sich die gigantischen Gaswolken, aus denen sich Sternhaufen bilden, in kleinere Teile aufspalten. Einer dieser kleinen Teile bringt Sterne hervor, dann könnten sie miteinander interagieren und zu einem größeren System verschmelzen. Sabbi und ihr Team denken, dass sie diese Interaktionen in 30 Doradus beobachten.
Video-Link: https://youtu.be/ucx9jL_Ldag
Computersimulation einer Verschmelzung von zwei Sternhaufen. (Visualization Credit: NASA, ESA, M. Gieles (University of Cambridge, UK), and F. Summers (STScI). Science Credit: NASA, ESA, E. Sabbi and D.J. Lennon (ESA/STScI), M. Gieles (University of Cambridge, UK), S.E. de Mink (STScI/JHU), N.R. Walborn, J. Anderson, A. Bellini, N. Panagia, and R. van der Marel (STScI), and J. Maíz Appelániz (Instituto de Astrofísica de Andalucía, CISC, Spain))
Außerdem gibt es eine ungewöhnlich hohe Anzahl Hochgeschwindigkeitssterne in der Umgebung von 30 Doradus. Astronomen glauben, dass diese Sterne, die oft „Ausreißersterne“ (oder „Schnellläufer“; Anm. d. Red.) genannt werden, als Folge dynamischer Interaktionen aus dem Kern von 30 Doradus ausgestoßen wurden. Diese Interaktionen kommen während eines Prozesses namens Kernkollaps häufig vor, in dem sich massereichere Sterne aufgrund von dynamischen Wechselwirkungen mit weniger massereichen Sternen in das Zentrum eines Sternhaufens bewegen. Wenn viele massereiche Sterne den Kern erreicht haben, wird der Kern instabil und die massereichen Sterne beginnen, sich gegenseitig aus dem Sternhaufen herauszukatapultieren.
Der große Sternhaufen R136 im Zentrum der 30-Doradus-Region ist zu jung, um schon einen Kernkollaps erfahren zu haben. Weil der Kernkollaps in kleineren Systemen jedoch viel schneller abläuft, kann die hohe Anzahl von Schnellläufern, die in der 30-Doradus-Region gefunden wurden, besser erklärt werden, wenn ein kleiner Sternhaufen mit R136 verschmolzen wäre.
Nachfolgende Untersuchungen werden das Gebiet genauer und in einem größeren Maßstab betrachten, um zu sehen, ob noch irgendwelche anderen Sternhaufen mit den beobachteten interagieren könnten. Insbesondere die Infrarot-Empfindlichkeit des von der NASA geplanten James Webb Space Telescope (JWST) wird Astronomen erlauben, tief in die Regionen des Tarantelnebels zu blicken, die auf Fotos in sichtbarem Licht verborgen sind. In diesen Gebieten befinden sich kühlere und schwächere Sterne in Staubkokons, wodurch die Beobachtung verhindert wird. Das James Webb Space Telescope wird die zugrunde liegende Sternpopulation in dem Nebel besser enthüllen.
Der Nebel 30 Doradus ist vor allem für Astronomen interessant, weil er ein gutes Beispiel dafür ist, wie Sternentstehungsregionen im jungen Universum ausgesehen haben mögen. Diese Entdeckung könnte Wissenschaftlern helfen, die Einzelheiten der Bildung von Sternhaufen zu verstehen und nachzuvollziehen, wie Sterne im frühen Universum entstanden.
Die Mitglieder von Sabbis Team sind D.J. Lennon (ESA / STScI), M. Gieles (University of Cambridge, Großbritannien), S.E. de Mink (STScI / JHU), N.R. Walborn, J. Anderson, A. Bellini, N. Panagia und R. van der Marel (STScI), sowie J. Maíz Appelániz (Instituto de Astrofísica de Andalucía, CISC, Spanien).
Quelle: http://hubblesite.org/newscenter/archive/releases/2012/35/full/
(THK)
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