Chandra zeigt, dass die Milchstraße von einem großen Halo aus heißem Gas umgeben ist

Künstlerische Darstellung des Halos aus heißem Gas, der die Milchstraße umgibt. Neben der Milchstraße im Zentrum sind auch die Positionen der Großen (LMC) und Kleinen Magellanschen Wolken (SMC) markiert. (Illustration: NASA / CXC / M.Weiss; NASA / CXC / Ohio State / A. Gupta et al.)
Künstlerische Darstellung des Halos aus heißem Gas, der die Milchstraße umgibt. Neben der Milchstraße im Zentrum sind auch die Positionen der Großen (LMC) und Kleinen Magellanschen Wolken (SMC) markiert. (Illustration: NASA / CXC / M.Weiss; NASA / CXC / Ohio State / A. Gupta et al.)

Astronomen haben das Chandra X-ray Observatory der NASA benutzt, um Belege dafür zu finden, dass unsere Milchstraßen-Galaxie in einen enormen Halo aus heißem Gas eingebettet ist, der sich über mehrere hunderttausend Lichtjahre weit ausdehnt. Die geschätzte Masse des Halos ist vergleichbar mit der Masse aller Sterne in der Galaxie. Wenn die Größe und die Masse dieses Gas-Halos bestätigt sind, könnte er auch eine Erklärung dafür liefern, was als das „Fehlende Baryonen“-Problem der Galaxie bekannt ist.

Baryonen sind Teilchen wie Protonen und Neutronen, die mehr als 99,9 Prozent der im Universum enthaltenen Atommasse ausmachen. Messungen von extrem entfernten Gas-Halos und Galaxien deuten darauf hin, dass die baryonische Materie, die im Universum präsent war, als es erst wenige Milliarden Jahre alt war, etwa ein Sechstel der Masse und Dichte der existierenden, unbeobachtbaren Dunklen Materie repräsentiert. Heute, rund zehn Milliarden Jahre später, zeigt ein Zensus der Baryonen, die in den Sternen und im Gas unserer Galaxie und nahen Galaxien vorhanden sind, dass mindestens die Hälfte der Baryonen fehlt.

In einer kürzlichen Studie nutzte ein Team aus fünf Astronomen Daten von Chandra, dem ESA-Weltraumobservatorium XMM-Newton und dem japanischen Suzaku-Satelliten, um Grenzen für die Temperatur, die Ausdehnung und die Masse des heißen Gas-Halos zu bestimmen. Chandra beobachtete acht helle Röntgenquellen weit entfernt von der Galaxie in Entfernungen von hunderten Millionen Lichtjahren. Die Daten offenbarten, dass die Röntgenstrahlen dieser entfernten Quellen selektiv von Sauerstoff-Ionen in der Umgebung der Galaxie absorbiert werden. Die Wissenschaftler bestimmten, dass die Temperatur des absorbierenden Halos zwischen einer Million Kelvin und 2,5 Millionen Kelvin liegt – ein paar hundert Mal heißer als die Oberfläche der Sonne.

Andere Studien haben gezeigt, dass die Milchstraße und andere Galaxien in warmes Gas mit Temperaturen zwischen 100.000 Kelvin und einer Million Kelvin eingebettet sind. Die Untersuchungen sprechen für die Präsenz von [noch] heißerem Gas mit einer Temperatur von über einer Million Kelvin. Diese neue Forschungsarbeit liefert Belege dafür, dass der Halo aus heißem Gas, der die Milchstraße umgibt, viel massereicher ist als der Halo aus warmem Gas. „Wir wissen, dass das Gas die Milchstraße umgibt und wir wissen, wie heiß es ist“, sagte Anjali Gupta, leitender Autor einer Abhandlung in den Astrophysical Journal Letters, die die Forschungsarbeit beschreibt. „Die große Frage ist, wie groß ist der Halo und wie massereich ist er?“

Um mit der Beantwortung dieser Frage zu beginnen, ergänzten die Autoren Chandra-Daten über den von den Sauerstoff-Ionen erzeugten Absorptionsgrad mit Daten von XMM-Newton und Suzaku über die Röntgenstrahlen, welche von dem Gas-Halo emittiert wurden. Sie schlussfolgerten, dass die Masse des Gases äquivalent zu der Masse von mehr als zehn Milliarden Sonnen ist, vielleicht sogar 60 Milliarden Sonnen.

„Unsere Arbeit zeigt für plausible Parameterwerte und mit begründbaren Vermutungen, dass die Chandra-Beobachtungen auf ein riesiges Reservoir aus heißem Gas um die Milchstraße hinweisen“, sagte Co-Autor Smita Mathur von der Ohio State University in Columbus. „Es könnte sich über ein paar hunderttausend Lichtjahre um die Milchstraße erstrecken oder es könnte sich noch weiter in die umgebende lokale Galaxiengruppe ausdehnen. So oder so scheint seine Masse sehr groß zu sein.“

Die geschätzte Masse hängt von Faktoren wie dem relativen Verhältnis von Sauerstoff zu Wasserstoff ab, dem dominanten Element in dem Gas. Dennoch stellt die Schätzung einen wichtigen Schritt bei der Lösung des Problems der fehlenden Baryonen dar, einem Rätsel, das Astronomen seit mehr als einem Jahrzehnt Kopfzerbrechen bereitet.

Obwohl es noch Unsicherheiten gibt, liefert die Arbeit von Grupta und Kollegen den bislang besten Hinweis darauf, dass sich die fehlenden Baryonen der Galaxie in einem Halo aus Millionen Kelvin heißem Gas verbergen, der die Galaxie umhüllt. Die geschätzte Dichte dieses Halos ist so gering, dass vergleichbare Halos um andere Galaxien der Entdeckung entgangen wären.

Die Abhandlung, die diese Ergebnisse beschreibt, wurde in der Astrophysical Journal-Ausgabe vom 1. September 2012 veröffentlicht. Die anderen Co-Autoren waren Yair Krongold von der Universidad Nacional Autonoma de Mexico in Mexico City, Fabrizio Nicastro vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge (Massachusetts) und Massimiliano Galeazzi von der University of Miami in Coral Gables (Florida).

Das Marshall Space Flight Center der NASA in Huntsville (Alabama) betreibt das Chandra-Programm für das Science Mission Directorate in Washington. Das Smithsonian Astrophysical Observatory kontrolliert Chandras Wissenschafts- und Flugoperationen von Cambridge aus.

Quelle: http://chandra.harvard.edu/press/12_releases/press_092412.html

(THK)

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