Mathematiker gelingt Durchbruch beim Verständnis von Turbulenzen

Schematische Darstellung eines Helium-Atoms mit jeweils zwei Protonen und Neutronen im Kern und den beiden umlaufenden Elektronen. (Johannes Kepler Universität Linz)
Schematische Darstellung eines Helium-Atoms mit jeweils zwei Protonen und Neutronen im Kern und den beiden umlaufenden Elektronen. (Johannes Kepler Universität Linz)

Ein Mathematiker der University of Glasgow hilft dabei, eine Antwort auf eines der letzten ungelösten Probleme der klassischen Mechanik zu finden. Dr. Andrew Baggaley von der School of Mathematics and Statistics der University of Glasgow hat eine Abhandlung im Journal Physical Review Letters veröffentlicht, die unser Verständnis der chaotischen Bewegung von Fluiden – gemeinhin als Turbulenz bekannt – erweitert. Die unglaublich komplexen Möglichkeiten, wie sich Flüssigkeiten und Gase bewegen und interagieren haben sich für Wissenschaftler als sehr schwer verständlich und voraussagbar erwiesen. Ein besseres Verständnis der Turbulenzen in Fluiden wäre für ein weites Spektrum von Fachbereichen enorm hilfreich, darunter Wettervorhersagen, Luftfahrttechnik und Astronomie.

Dr. Baggaley hat ein mathematisches Modell davon entwickelt, wie sich flüssiges Helium auf der Quantenebene verhält, wenn es bis auf wenige Grad über dem absoluten Nullpunkt (-273,15°C) abgekühlt wird. Bei einer solchen extrem niedrigen Temperatur enthält flüssiges Helium sowohl ein normales Fluid mit einem Element der Viskosität oder Reibung, aber auch etwas, das als „Suprafluid“ bekannt ist – einen seltenen Zustand von flüssiger Materie, der komplett reibungsfrei ist.

Detaillierte Computersimulationen dieses mathematischen Modells helfen, den Zusammenhang zwischen den scheinbar sehr verschiedenen Verhaltensweisen von Suprafluiden auf der Quantenebene und den vertrauteren, klassischen, viskosen Fluiden um uns herum zu verstehen. Dr. Baggaley sagte: „Wir alle haben ein grundsätzliches Verständnis von Turbulenzen durch Erfahrungen aus unserem alltäglichen Leben. Wenn wir zum Beispiel schwimmen, regt die Reibung zwischen unseren Armen und dem Wasser komplexe Bewegungen in der Größenordnung von etwa einem Meter an.“

„Wenn wir aus dem Pool heraussteigen, wird die Bewegung des Wassers letztendlich ruhig werden, wenn die Energie der von uns erzeugten Wirbel in eine Reihe von kleineren und kleineren Wirbeln übergeht. Schließlich wird die kinetische Energie aus den Bewegungen unserer Arme durch die Rotation des Wassers in sehr kleinen Maßstäben freigesetzt und in Wärme umgewandelt“, ergänzte er.

„Fast jedes Fluid im Universum wird durch Turbulenzen beeinflusst, genau wie das Wasser in dem Pool. Obwohl sich unser Verständnis der Natur dieser Turbulenzen verbessert, kann die zufällige, chaotische Bewegung der Flüssigkeiten und Gase derzeit nicht vollständig vorhergesagt werden“, so Baggaley.

Auf der Quantenebene wird das Verhalten von Suprafluiden viel fremdartiger. Anstatt zufällige Wirbel von variierender Stärke zu erzeugen, generiert die Rotationsbewegung in reibungsfreiem, supraflüssigem Helium spontane atomgroße Löcher von einheitlicher Größe, um die das Fluid mit einer gleichmäßigen Rate zirkuliert. In supraflüssigem Helium sind die Löcher – Quantenwirbel genannt – etwa zehn Nanometer breit, also rund 10.000 Mal dünner als ein menschliches Haar.

„Gemeinhin denken wir über Turbulenzen als eine Ansammlung wechselwirkender Wirbel mit verschiedenen Größen. Bei sehr niedrigen Temperaturen wird die Verrücktheit der Quantenmechanik sichtbar und die Bewegung des Fluids scheint anfangs sehr anders zu sein. Das Fluid verliert seine Reibung, die Rotationsbewegung in dem Fluid ist sehr begrenzt, und diese Quantenwirbel, die ähnlich wie Mini-Tornados sind, schlängeln sich durch das Fluid“, erklärte er.

„Diese Arbeit zeigt jedoch, dass diese kleinen Tornados dazu neigen, sich zusammenzubündeln und der Quantenturbulenz die gleichen statistischen Eigenschaften zu geben, wie Turbulenzen in einem viskosen Fluid, beispielsweise Wasser. Was anfangs so eigenartig schien, wird jetzt viel vertrauter. Diese Ähnlichkeiten, kombiniert mit der einfacheren Natur solcher Quantenfluide, bieten die Möglichkeit, ein altes Problem in neuem Licht zu betrachten und werden hoffentlich unser Verständnis der Fluiddynamik und Turbulenzen zu verbessern. Ich hoffe, dass weitere Forschungen in den nächsten zehn Jahren unser Wissen über Quanten- und klassische Turbulenzen stark vertiefen werden, was die Welt, in der wir leben, revolutionieren könnte“, so Baggaley.

Dr. Baggaleys Abhandlung mit dem Titel „Vortex-Density Fluctuations, Energy Spectra, and Vortical Regions in Superfluid Turbulence“ wurde in den Physical Review Letters veröffentlicht.

Quelle: http://www.gla.ac.uk/news/headline_246645_en.html

(THK)

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