GALEX enthüllt die bislang größte bekannte Spiralgalaxie

Die Balkenspiralgalaxie NGC 6872 ist die größte bekannte Spiralgalaxie. Am Ende des nordwestlichen Spiralarms ist im ultravioletten Spektrum ein Zwerggalaxie-Kandidat erkennbar (Kreis). (NASA / Goddard Space Flight Center / ESO / JPL-Caltech / DSS)
Die Balkenspiralgalaxie NGC 6872 ist die größte bekannte Spiralgalaxie. Am Ende des nordwestlichen Spiralarms ist im ultravioletten Spektrum ein Zwerggalaxie-Kandidat erkennbar (Kreis). (NASA / Goddard Space Flight Center / ESO / JPL-Caltech / DSS)

Die spektakuläre Balkenspiralgalaxie NGC 6872 gehört seit Jahrzehnten zu den größten stellaren Systemen. Jetzt hat ein Astronomenteam aus den Vereinigten Staaten, Chile und Brasilien sie als die größte bekannte Spiralgalaxie gekrönt, basierend auf Archivdaten der Galaxy Evolution Explorer (GALEX) Mission, die dem California Institute of Technology in Pasadena (Kalifornien) überlassen wurde. Von Spitze zu Spitze ihrer beiden übergroßen Spiralarme erstreckt sich NGC 6872 über mehr als 522.000 Lichtjahre, was sie mehr als fünfmal so groß wie unsere Milchstraßen-Galaxie macht.

„Ohne die Fähigkeit von GALEX, das ultraviolette Licht der jüngsten, heißesten Sterne zu registrieren, hätten wir das ganze Ausmaß dieses erstaunlichen Systems nie erkannt“, sagte der leitende Forscher Rafael Eufrasio, ein wissenschaftlicher Mitarbeiter am Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland) und Doktorand an der Catholic University of America in Washington. Er präsentierte die Ergebnisse am Donnerstag auf dem Treffen der American Astronomical Society in Long Beach (Kalifornien).

Die ungewöhnliche Größe und das ungewöhnliche Erscheinungsbild der Galaxie sind in ihrer Wechselwirkung mit einer viel kleineren Scheibengalaxie namens IC 4970 begründet, die nur etwa ein Fünftel der Masse von NGC 6872 aufweist. Das seltsame Paar befindet sich 212 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt im südlichen Sternbild Pavo (Pfau). Astronomen denken, dass große Galaxien – unsere eigene eingeschlossen – durch Verschmelzungen und Aneignungen wachsen: Im Laufe von Milliarden Jahren absorbieren sie zahlreiche kleinere Systeme. Erstaunlicherweise hat die gravitative Wechselwirkung von NGC 6872 und IC 4970 möglicherweise das Gegenteil getan und etwas abgespalten, was sich in eine neue kleine Galaxie entwickeln könnte.

„Der nordwestliche Arm von NGC 6872 ist der verzerrteste und zeigt viele Sternentstehungsprozesse, aber an seinem Ende (nur sichtbar im ultravioletten Licht) befindet sich ein Objekt, das eine gezeitenbeeinflusste Zwerggalaxie zu sein scheint – ähnlich denen, die in anderen interagierenden Systemen beobachtet werden“, sagte Teammitglied Duilia de Mello, eine Professorin für Astronomie an der Catholic University. Der Zwerggalaxie-Kandidat ist im ultravioletten Licht heller als andere Regionen der Galaxie, ein Anzeichen dafür, dass er viele heiße, junge Sterne beherbergt, die weniger als 200 Millionen Jahre alt sind.

Die Forscher untersuchten die Galaxie im kompletten Spektrum, indem sie Archivdaten des Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte, des Two Micron All Sky Survey, des Spitzer Space Telescope der NASA und GALEX verwendeten. Durch Analyse der Energieverteilung in den Wellenlängen entdeckte das Team ein einzigartiges Altersmuster der Sterne in den beiden auffälligen Spiralarmen der Galaxie. Die jüngsten Sterne erscheinen an dem entfernten Ende des nordwestlichen Arms innerhalb des Zwerggalaxie-Kandidaten und das Alter der Sterne wächst in Richtung des galaktischen Zentrums stufenweise an. Der südöstliche Arm zeigt dasselbe Muster, was wahrscheinlich mit Sternentstehungsschüben zusammenhängt, welche durch die galaktische Begegnung ausgelöst wurden.

Eine im Jahr 2007 von Cathy Horellou (Onsala Space Observatory in Schweden) und Bärbel Koribalski (Australia National Telescope Facility) durchgeführte Studie umfasste Computersimulationen der Kollision, die das Gesamterscheinungsbild des Systems nachbildeten, so wie wir es heute sehen. Der besten Übereinstimmung zufolge vollzog IC 4970 ihre engste Annäherung vor etwa 130 Millionen Jahren und folgte einem Kurs, der sie fast in die Ebene der Scheibe der Spiralgalaxie, sowie in dieselbe Rotationsrichtung brachte. Die aktuelle Studie stimmt mit diesem Bild überein.

Eine der 2007 durchgeführten Computersimulationen, die die Interaktionen der Galaxien und den eingeschlagenen Kurs von IC 4970 zeigt (rote Linie). (NASA / Goddard Space Flight Center, after C. Horellou (Onsala Space Observatory) and B. Koribalski (ATNF))
Eine der 2007 durchgeführten Computersimulationen, die die Interaktionen der Galaxien und den eingeschlagenen Kurs von IC 4970 zeigt (rote Linie). (NASA / Goddard Space Flight Center, after C. Horellou (Onsala Space Observatory) and B. Koribalski (ATNF))

Wie alle Balkenspiralen enthält auch NGC 6872 eine Balkenkomponente als Übergang zwischen den Spiralarmen und den Zentralregionen der Galaxie. Mit einem Radius von ungefähr 26.000 Lichtjahren – das Doppelte der durchschnittlichen Länge, die in nahen Balkenspiralen beobachtet wird – ist es ein Balken, der einer Riesengalaxie würdig ist.

Das Team fand keine Anzeichen für kürzliche Sternentstehungsprozesse entlang des Balkens, was darauf hindeutet, dass er sich mindestens vor ein paar Milliarden Jahren bildete. Seine alten Sterne liefern eine fossile Aufzeichnung der stellaren Population der Galaxie, bevor die Begegnung mit IC 4970 die Sache aufwirbelte.

„Die Struktur und Dynamiken von nahen, interagierenden Systemen wie diesem zu verstehen, bringt uns einen Schritt näher daran, diese Ereignisse in ihren richtigen kosmologischen Kontext zu setzen und bereitet den Weg zur Entschlüsselung dessen, was wir in jüngeren, entfernteren Systemen finden“, sagte das Teammitglied Eli Dwek, ein Astrophysiker vom Goddard Space Flight Center.

An der Studie wirkten auch Fernanda Urrutia-Viscarra und Claudia Mendes de Oliveira von der University of Sao Paulo in Brasilien, sowie Dimitri Gadotti von der Europäischen Südsternwarte in Santiago (Chile) mit.

Die GALEX-Mission wird vom California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena geleitet, das für die wissenschaftlichen Operationen und die Datenanalyse verantwortlich ist. Das Jet Propulsion Laboratory der NASA in Pasadena betreibt die Mission und baute das wissenschaftliche Instrument. GALEX wurde im Rahmen des Explorers Programm entwickelt, das vom Goddard Space Fligt Center geleitet wird. Im Mai 2012 übergab die NASA den GALEX an das Caltech, das die Operationen des Satelliten und die Datenverwaltung unter Verwendung privater Geldmittel fortführt.

Quelle: http://www.nasa.gov/mission_pages/galex/galex20130110.html

(THK)

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