Entdeckung eröffnet Möglichkeiten für eine neue Generation zielgerichteter Krebstherapien.
Im Jahr 1953 veröffentlichten die beiden Cambridge-Wissenschaftler Watson und Crick eine Studie, in der sie die miteinander verwobene Doppelhelix-Struktur der DNA beschrieben – den chemischen Code für alles Leben.
Jetzt, zum 60. Jahrestag dieses wissenschaftlichen Meilensteins, veröffentlichten ebenfalls Forscher aus Cambridge eine Studie, die beweist, dass im menschlichen Genom auch eine viersträngige „Vierfach-Helix“-DNA-Struktur existieren kann – benannt als G-Quadruplex. Diese bildet sich in Bereichen der DNA, die besonders reich an dem Grundbaustein Guanin sind, das üblicherweise mit „G“ abgekürzt wird.
Diese Erkenntnis markiert den Höhepunkt einer mehr als zehnjährigen Untersuchung von Wissenschaftlern, um diesen Komplex in vivo zu beweisen – also in lebenden menschlichen Zellen – angefangen von der Hypothese, über Computermodelle und synthetische Laborexperimente bis schließlich hin zur Identifizierung in menschlichen Krebszellen durch Verwendung von Fluoreszenz-Biomarkern.
Die Forschungsarbeit, die jetzt in Nature Chemistry veröffentlicht und von Cancer Research UK finanziert wurde, zeigt klare Verbindungen zwischen der Konzentration viersträngiger Quadruplexe und dem Prozess der DNA-Replikation auf, die grundlegend für die Zellteilung und -produktion ist.
Die Wissenschaftler glauben, dass es möglich sein könnte, die entartete Zellbildung zu Beginn eines Krebses zu stoppen, indem man Quadruplexe mit synthetischen Molekülen ins Visier nimmt, die diese DNA-Strukturen einfangen und binden und so diese Zellen daran hindern, ihre DNA zu replizieren und die so konsequent die Zellteilung verhindern.
„Wir sehen eine Verbindung zwischen dem Einfangen der Quadruplexe mit Hilfe von Molekülen und der Möglichkeit, die Zellteilung zu stoppen, was sehr aufregend ist“, sagte Professor Shankar Balasubramanian vom Department of Chemistry an der University of Cambridge und dem Cambridge Research Institute, dessen Gruppe an der Forschung arbeitete.
„Die Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Quadruplexe eher in den Genen solcher Zellen auftreten, die sich schnell teilen, so wie auch Krebszellen. In unseren Augen stützt dies nachdrücklich ein neues Paradigma, das erforscht werden muss, indem man diese viersträngigen Strukturen zukünftig als Ziele für personalisierte Behandlungsmethoden verwendet.“
Technische Studien hatten während der letzten Jahrzehnte gezeigt, dass sich quadruplexe DNA in vitro bilden kann – also „im Reagenzglas“ – doch man hielt diese Strukturen eher für eine Kuriosität, als für ein natürlich vorkommendes Merkmal. Die Forscher wissen jetzt zum ersten Mal sicher, das sie tatsächlich in der DNA menschlicher Zellen entstehen können.
„Diese Untersuchung hebt weiterhin das Potenzial dieser ungewöhnlichen DNA-Strukturen hervor, um damit Krebs besiegen zu können. Der nächste Schritt in dieser Reihe wird sein herauszufinden, wie man sie in Tumorzellen angreifen kann“, so Dr. Julie Sharp, leitende wissenschaftliche Informations-Managerin von Cancer Research UK. „Vor 60 Jahren wurde ihre Struktur entschlüsselt, doch Arbeiten wie diese zeigen uns, dass die Geschichte der DNA sich auch weiterhin noch windet und wendet.“
Die am 20. Januar veröffentlichte Studie wurde von Giulia Biffi geleitet, einer Wissenschaftlerin am Labor von Balasubramaninan am Cambridge Research Institute. Indem sie auf frühere Forschungen aufbaute, war Biffi in der Lage Antikörper-Proteine herzustellen, die im menschlichen Genom Gebiete aufspüren und sich daran binden können, die reich an quadruplex-strukturierter DNA sind und so deren Existenz in lebenden menschlichen Zellen beweisen.
Durch die Fluoreszenz-Markierung dieser Antikörper konnten die Forscher dann „Hot-Spots“ für das Vorhandensein viersträngiger DNA ausmachen – sowohl wo diese im Genom auftreten als auch in welchem Stadium der Zellteilung.
Obwohl die Quadruplex-DNA normalerweise relativ gleichmäßig im Genom menschlicher Zellen und ihrer Teilungszyklen verteilt ist, gab es einen merklichen Anstieg bei der Fluoreszenzfärbung während der sogenannten S-Phase – jenem Punkt in einem Zellzyklus, an dem sich die DNA repliziert, bevor sich die Zelle teilt.
Krebsbildung wird normalerweise von Genen angetrieben, die Onkogene genannt werden und die mutiert sind, um die DNA-Replikation zu erhöhen – was die Zellbildung entarten lässt und zum Wachstum eines Tumors führt.
Die erhöhte DNA-Replikationsrate bei Onkogenen führt zu mehr Quadruplex-Strukturen. Dies bedeutet, dass man möglicherweise schädliche Zellaktivitäten mit synthetischen Molekülen oder anderen Behandlungsmethoden angreifen kann.
„Wir haben herausgefunden, dass man die Quadruplex-DNA binden und stabilisieren kann, indem man sie mit synthetischen Molekülen einfängt, was wichtige Einblicke liefert, wie man die Zellteilung zum Erliegen bringen könnte“, sagte Balasubramanian.
„Es gibt Vieles, was wir noch nicht wissen. Ein Gedanke ist, dass diese Quadruplex-Strukturen möglicherweise eine Art kleine Störung während der DNA-Replikation sind – wie Gewirr oder Knoten, die sich bilden.“
„Oder haben sie sich zu einem bestimmten Zweck entwickelt? Es ist eine philosophische Frage, ob sie geplant sind oder nicht – aber sie existieren und die Natur muss damit klarkommen. Vielleicht tragen wir auch zu der Störung bei, die sie verursachen, indem wir sie als Ziel nehmen.“
Die Studie zeigt, dass die Quadruplex-Level sinken, wenn ein Inhibitor verwendet wird, um die DNA-Replikation zu blocken. Dies legt die Vorstellung nahe, dass DNA dynamisch ist und Strukturen unablässig gebildet und wieder zerlegt werden. Die Wissenschaftler haben auch bereits früher herausgefunden, dass ein überaktives Gen mit höheren Quadruplex-DNA-Anteilen empfindlicher auf äußere Störungen reagiert.
„Die Daten stützen die Theorie, dass bestimmte Krebs-Gene durch kleine Moleküle, welche geschaffen wurden, um sich an spezifische DNA-Sequenzen zu binden, sinnvoll behindert werden können“, sagte Balasubramanian.
„Viele gängige Behandlungsmethoden greifen die DNA an, aber die Regeln dafür sind nicht klar. Wir wissen nicht einmal, warum das Genom auf manche von ihnen reagiert – es könnte ein Streueffekt wie bei einer Schrotflinte sein.“
„Die Möglichkeit, dass bestimmte Krebszellen, die Gene mit diesen Voraussetzungen beherbergen, gezielt angegriffen werden können und die auch noch empfindlicher auf den Eingriff reagieren als normale Zellen, ist eine aufregende Aussicht.“
„Die Vierfach-Helix-DNA-Struktur könnte auch der Schlüssel zu neuen Wegen sein, um die Vermehrung von Krebszellen selektiv zu verhindern. Die Bestätigung ihrer Existenz in menschlichen Zellen ist ein echter Meilenstein.“
(SOM)
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