Messungen der Lichtpolarisation umgehen die Heisenbergsche Unschärferelation

Schwache Messung: Wenn Licht einen doppelbrechenden Kristall durchquert, werden die horizontal und vertikal polarisierten Lichtkomponenten räumlich getrennt, aber eine Überlagerung zwischen den beiden Komponenten bleibt bestehen. Bei einer starken Messung würden die beiden Komponenten vollständig getrennt werden. (Jonathan Leach)
Schwache Messung: Wenn Licht einen doppelbrechenden Kristall durchquert, werden die horizontal und vertikal polarisierten Lichtkomponenten räumlich getrennt, aber eine Überlagerung zwischen den beiden Komponenten bleibt bestehen. Bei einer starken Messung würden die beiden Komponenten vollständig getrennt werden. (Jonathan Leach)

Forscher der University of Rochester und der University of Ottawa haben eine kürzlich entwickelte Technik angewandt, um erstmals die Polarisationszustände von Licht direkt zu messen. Ihre Arbeit bewältigt einige entscheidende Herausforderungen von Heisenbergs berühmter Unschärferelation und ist auch auf Qubits anwendbar, die Bausteine der Quanteninformationstheorie. Sie berichten über ihre Ergebnisse in einer Abhandlung, die vergangene Woche in Nature Photonics veröffentlicht wurde.

Die direkte Messtechnik wurde zuerst im Jahr 2011 von Wissenschaftlern des National Research Council in Kanada entwickelt, um die Wellenfunktion zu messen – eine Möglichkeit, den Zustand eines Quantensystems zu bestimmen. Solche direkten Messungen von Wellenfunktionen schienen wegen eines Grundsatzes der Unschärferelation lange Zeit unmöglich zu sein: der Theorie, nach der bestimmte Eigenschaften eines Quantensystems nur ungenau bekannt sein können, wenn bestimmte andere zusammenhängende Eigenschaften präzise bekannt sind. Die Fähigkeit, diese Messungen direkt durchzuführen, stellt die Theorie in Frage, dass man ein Quantensystem aufgrund von direkten Beobachtungen niemals vollständig begreifen kann.

Die Wissenschaftler aus Rochester und Ottawa unter Leitung von Robert Boyd, der Anstellungen an beiden Universitäten hat, maßen die Polarisationszustände von Licht – die Richtungen, in die die elektrischen und magnetischen Felder des Lichts schwingen. Ihr Schlüsselergebnis besagt (wie das Ergebnis des Teams, das die Technik entwickelte), dass es möglich ist, zusammenhängende Variablen eines Quantenteilchens oder -zustandes direkt zu messen. Die Polarisationszustände von Licht können verwendet werden, um Informationen zu verschlüsseln, weshalb sie die Basis von Qubits für Anwendungen in der Quanteninformationstheorie sein können.

„Die Fähigkeit, direkte Messungen der Quantenwellenfunktion durchzuführen, hat bedeutende Auswirkungen auf die zukünftige Quanteninformationswissenschaft“, erklärte Boyd, der Canada Excellence Research Chair für Quantum Nonlinear Optics an der University of Ottawa und Professor für Optik und Physik an der University of Rochester. „Die Arbeit unserer Gruppe bezieht die Anwendung dieser Technik auf andere Systeme mit ein, beispielsweise um die Form eines ‚gemischten‘ Quantenzustands zu messen (im Gegensatz zu einem reinen Quantenzustand).“

Zuvor hat eine Technik namens Quantentomografie Forschern erlaubt, die in diesen Quantenzuständen enthaltenen Informationen zu messen, allerdings nur indirekt. Quantentomografie erfordert eine intensive Vorverarbeitung der Daten und das ist ein zeitaufwändiger Prozess, der für die direkte Messtechnik nicht notwendig ist. Deshalb liefert die neue Technik prinzipiell dieselben Informationen wie die Quantentomografie, aber in deutlich kürzerer Zeit.

„Der Schlüssel zur Beschreibung jedes Quantensystems ist die Sammlung von Informationen über zusammenhängende Variablen“, sagte Co-Autor Jonathan Leach, der jetzt als Dozent an der Heriot-Watt University in Großbritannien arbeitet. „Der Grund dafür, warum es nicht für möglich gehalten wurde, zwei zusammenhängende Variablen direkt zu messen, war, dass die Messung der einen Variable die Wellenfunktion zerstören würde, bevor die andere Variable gemessen werden kann.“

Die direkte Messtechnik verwendet einen „Trick“, um die erste Eigenschaft auf eine Weise zu messen, die das System nicht entscheidend stört und noch Informationen über die zweite Eigenschaft gesammelt werden können. Diese sorgfältige Messung stützt sich auf die „schwache Messung“ der ersten Eigenschaft, gefolgt von einer „starken Messung“ der zweiten Eigenschaft.

Erstmals vor 25 Jahren beschrieben, verlangt die schwache Messung, dass die Verbindung zwischen dem System und der Messeinrichtung – wie der Name schon sagt – „schwach“ ist, was bedeutet, dass das System durch den Messprozess kaum gestört wird. Der Nachteil dieser Messmethode ist, dass eine einzige Messung nur eine kleine Menge Informationen liefert und um eine genaue Anzeige zu bekommen, muss der Prozess mehrere Male wiederholt und der Durchschnittswert genommen werden.

Boyd und seine Kollegen nutzten die Position und den Impuls des Lichts als Indikator für den Polarisationszustand. Um die Polarisation an den räumlichen Freiheitsgrad zu koppeln, verwendeten sie doppelbrechende Kristalle: Wenn Licht solch einen Kristall passiert, tritt eine räumliche Trennung für unterschiedliche Polarisationen ein. Wenn das Licht beispielsweise aus einer Kombination von horizontal und vertikal polarisierten Komponenten besteht, werden die Positionen der einzelnen Komponenten beim Durchqueren des Kristalls gemäß ihrer Polarisation getrennt. Die Dicke des Kristalls kann die Stärke der Messung (schwach oder stark) kontrollieren und den Trennungsgrad (klein oder groß) bestimmen.

In diesem Experiment schickten Boyd und seine Kollegen polarisiertes Licht durch zwei Kristalle mit verschiedener Dicke: Der erste, ein sehr dünner Kristall, misst die horizontalen und vertikalen Polarisationszustände „schwach“. Der zweite, ein viel dickerer Kristall, misst die diagonalen und antidiagonalen Polarisationszustände „stark“. Weil die erste Messung schwach durchgeführt wurde, war das System nicht signifikant gestört und deshalb waren die Informationen aus der zweiten Messung immer noch gültig. Dieser Prozess wird mehrfach wiederholt, um exakte Statistiken zu erhalten. Alles zusammengenommen ergibt eine vollständige, direkte Beschreibung der Polarisationszustände des Lichts.

Die anderen Autoren der Abhandlung sind die Studenten Jeff Z. Salvail, Megan Agnew und Allan S. Johnson, sowie der Doktorand Eliot Bolduc von der University of Ottawa. Diese Arbeit wurde vom Canada Excellence Research Chairs (CERC) Program gefördert und Boyd erhält auch Unterstützung vom InPho-Programm der Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA).

Quelle: http://www.rochester.edu/news/show.php?id=5692

(THK)

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