Es war eine archäologische Sensation, als zwei Bergwanderer im Jahr 1991 eine sehr gut konservierte Mumie in den Ötztaler Alpen fanden. Der seither liebevoll als „Ötzi“ bezeichnete Fund lieferte eine Fülle von Informationen über das Leben in der Kupfersteinzeit vor mehr als 5.000 Jahren. Doch jetzt könnte sich eine noch größere Sensation anbahnen: Forscher des Österreichischen Zentrums für archäologische Studien (ÖZAS) sind unweit der Fundstelle Ötzis auf eine ebenso gut erhaltene Mumie eines Säuglings gestoßen.
Das Team unter Leitung von Dr. Sandy Deppert entdeckte die Mumie bereits vor knapp fünf Wochen etwa 350 Meter von der Fundstelle Ötzis entfernt an einem kleinen natürlichen Felsüberhang, begraben unter Geröll. Da man nicht dieselben Fehler machen wollte, wie sie bei der unsachgemäßen Bergung von Ötzi begangen wurden, waren die Bergung und der Abtransport ins Labor kein einfaches Unterfangen. Mit einer Größe von rund 69 Zentimetern ist die Mumie zwar nicht so sperrig wie die des Gletschermanns, aber die Forscher mussten trotzdem sehr behutsam vorgehen, um die gefriergetrockneten Überreste nicht versehentlich zu beschädigen.
Schon eine erste äußerliche Betrachtung durch die Experten im ÖZAS-Labor gab wertvolle Informationen über die Mumie preis. Die Kleidung des Kindes weist auf den ersten Blick eine große Ähnlichkeit zu der von Ötzi getragenen Kleidung auf. Es handelt sich dabei um Felle und Leder verschiedener Tierarten, beispielsweise Bärenfell und Rindsleder, die für damalige Verhältnisse sehr hochwertig verarbeitet wurden. Der Säugling war vollständig in mehrere dicke, wärmende Felllagen eingewickelt, lediglich sein Gesicht war unbedeckt.
Das Geschlecht des Säuglings konnte anhand eines CT-Scans bestimmt werden. Es war ein Junge, der den Experten zufolge im ungefähren Alter von zehn Monaten starb. Eine Datierung mit Hilfe der Radiokarbonmethode ergab, dass die sterblichen Überreste des Kindes zwischen 5.100 und 5.300 Jahre alt sind. Damit fallen sie genau in den Altersbereich der Mumie von Ötzi. Bislang noch ungeklärt ist dagegen die genaue Todesursache. Die Untersuchungen im Computertomografen zeigten keine äußeren Verletzungen an dem mumifizierten Körper. Im Rahmen der Analysen wurde der Körper angebohrt, um eine DNA-Probe zu entnehmen.
Die Analyse der DNA-Probe wurde mehrfach wiederholt und gegengeprüft, um eventuelle Fehler bei der Durchführung ausschließen zu können. Dr. Sandy Deppert fasste das Ergebnis in folgenden Worten zusammen: „Wir konnten eine außergewöhnliche Übereinstimmung mit der DNA von Ötzi feststellen, höchstwahrscheinlich war der Säugling sein Sohn.“ In der Tat lag die Übereinstimmung im Bereich von 90 Prozent, was nach Ansicht der beteiligten Forensiker kein Zufall sein kann. Demnach waren Ötzi und der neu entdeckte Säugling zumindest nahe Verwandte, wobei die Auswertung der DNA-Sequenzierung aktuell für ein Vater-Sohn-Verhältnis spricht.
Rätselhaft bleiben allerdings die Umstände: Warum nahm Ötzi seinen Sohn mit in das schroffe Hochgebirge? Wie kam es zu dessen Tod? Genaue Antworten auf diese Fragen hat das Team um Sandy Deppert noch nicht gefunden, aber sie erklärt ein mögliches Szenario: „Ötzi war mit seinem Sohn auf dem Weg ins Hochgebirge und wir wissen, dass er mehrere schwere Verletzungen hatte, unter anderem eine tiefe Wunde an der linken Schulter, die durch einen Pfeilschuss verursacht wurde. Möglicherweise war er deswegen einfach zu schwach und konnte seinen Sohn nicht länger tragen, weshalb er ihn unter dem vor Wind und Wetter geschützten kleinen Felsüberhang ablegte, um Hilfe zu holen. Ötzi konnte sich noch ein paar hundert Meter weiter schleppen, bevor er im Eis starb. Sein Sohn erfror vermutlich kurze Zeit später.“
Inwieweit dieses Szenario zutreffen könnte, müssen nachfolgende Studien überprüfen. Die Entdeckung selbst wirft aber schon jetzt neues Licht auf das Leben des „Gletschermannes“ Ötzi, einem der bedeutendsten Funde aus der Kupfersteinzeit.
Anm. d. Red.: Diese Geschichte war mein Beitrag zum 1. April 2013. Ich hoffe, sie war nicht sofort als Aprilscherz zu erkennen und konnte den einen oder anderen Leser fesseln. Das Bild zeigt zwar nicht den möglichen Sohn Ötzis, aber immerhin eine echte Mumie. Sie wurde bereits in den 1970er Jahren zusammen mit mehreren anderen mumifizierten Überresten in West-Grönland gefunden.
http://de.wikipedia.org/wiki/Qilakitsoq
(THK)
Antworten