Wie ein CSI-Team hat ein Team aus Astronomen mit Observatorien rund um den Globus die Innereien toter Sterne untersucht und Anhaltspunkte darüber gesammelt, wie sie starben. Einer der toten Sterne aß tatsächlich Teile seines Nachbarn, ein weiterer zeigt einen Werdegang mit anderen astronomischen Heiterkeiten. Das Whole Earth Telescope (WET), ein weltweites Netzwerk aus Observatorien mit seinem Befehlszentrum an der University of Delaware, widmet sich regelmäßig Sternen von wissenschaftlichem Interesse auf dem stellaren Friedhof der Galaxie.
Beobachter aus 17 Ländern, von den Vereinigten Staaten bis China, von Brasilien bis zu der Ukraine, arbeiten als eine Ablösungsmannschaft zusammen und richten ihre Instrumente auf die Zielsterne, wann immer sie an ihrem Nachthimmel erscheinen, wobei sie effektiv wie ein einziges Teleskop agieren. Eine mehr als zweimonatige Marathon-Beobachtungskampagne – die längste in der Geschichte des WET – wird am 10. Juni 2013 enden und die Gemeinschaftsarbeit rechnet mit neuen Einblicken in die Astrophysik von Weißen Zwergen, den dichten Überresten von Sternen, die ihren Brennstoff aufgebraucht haben und sich jetzt abkühlen.
„Weiße Zwerge sind so dicht, dass ein Esslöffel ihrer Materie [auf der Erde] so viel wiegen würde wie fünf Elefanten“, sagte Judi Provencal, Direktorin des Delaware Asteroseismic Research Center der University of Delaware. Provencal leitet das WET-Befehlszentrum am Mount Cuba Astronomical Observatory in Greenville (Delaware). Das WET-Team hofft, Licht auf die inneren Abläufe dieser Sterne werfen zu können, die natürlicherweise pulsieren oder vibrieren.
Das Hauptbeobachtungsziel des Teams, der extrem massearme Weiße Zwerg WDJ1518, war einst Teil eines Doppelsternsystems, bevor er seinen Begleiter fraß – oder zumindest Teile von ihm. Provencal zufolge wurde der Stern erst vor einem Jahr von dem Doktoranden J.J. Hermes von der University of Texas in Austin entdeckt und befindet sich jetzt in einem 14-stündigen Orbit um etwas, das möglicherweise ein anderer Weißer Zwerg oder ein Brauner Zwerg ist. Während ein Weißer Zwerg massereich ist, ist ein Brauner Zwerg so leicht, dass er die Kernfusion in seinem Innern, die Energiequelle der anderen Sterne, nicht aufrechterhalten kann. Der zweite Zielstern des WET, GD358, zeigt wie andere Weiße Zwerge Helligkeitsanstiege und -abnahmen, während der Stern pulsiert.
„Wenn man versuchen würde, auf der Oberfläche eines Weißen Zwergs zu stehen, würde man aufgrund seiner Dichte [und Schwerkraft] zerquetscht werden“, erklärte Provencal. „Weil es einer großen Energiemenge bedarf, um zu expandieren und zu kontrahieren, ’schwappen‘ Weiße Zwerge von einer Seite auf die andere, wie eine Energiewelle, die sich auf der Oberfläche bewegt.“ Astronomen zeichnen Veränderungen der Helligkeit eines Weißen Zwergs in Form von Graphen auf, die die Helligkeit im Verlauf der Zeit zeigen, sogenannte Lichtkurven. Diese Graphen zeigen typischerweise wiederholte, sinusförmige Wellen wie der Herzschlag eines Patienten oder der Klang einer läutenden Klingel.
Vor fast 20 Jahren, im August 1996, zeigte GD358 etwas, das Astronomen als „Whoopsie“ bezeichnen: Eine Periode extremer Schwingungen, die, in eine Lichtkurve eingetragen, dem Verlauf einer außer Kontrolle geratenen Achterbahn ähnelten. Laut Provencal hörte der Stern nach zwei Tagen mit riesigen Spitzen und Abfällen einen Monat lang auf zu pulsieren. Provencal begann mit der Untersuchung des Sterns bereits, als sie noch auf der Graduiertenschule war. „Er bebte einen Monat lang wie eine Schüssel mit Wackelpudding“, sagte sie. „Wir fragten uns, warum er das tat – hatte ein Asteroid ihn getroffen?“
Wenn die WET-Kampagne Mitte Juni offiziell beendet wird, werden fast 200 Gigabyte Bilder gesammelt worden sein. In den nächsten paar Monaten werden die Bilder digital zusammengefügt und analysiert werden, um bei der Aufdeckung dessen zu helfen, was wirklich in diesen toten Sternen geschieht, wenn sie sich weiter abkühlen – ein Geheimnis, das Astronomen gerne lüften möchten.
„Diese Kampagne des Whole Earth Telescope hat die beste Untersuchung von extrem massearmen Weißen Zwergen, einer neu entdeckten Objektklasse, hervorgebracht“, sagte Provencal. „Wir haben außerdem die beste jemals ermittelte Lichtkurve von GD358 erhalten und wir haben gesehen, wie der Stern während unserer Beobachtungen seine Pulsationen veränderte. All das wird neue Einblicke in die Struktur von Weißen Zwergen geben und uns helfen, die Zukunft unserer eigenen Sonne zu verstehen, die in rund vier Milliarden Jahren zu einem Weißen Zwerg werden wird.“
Nach Angaben Provencals unterstreichen solche Leistungen, wie das Whole Earth Telescope helfen kann, einen Leerraum in der Astronomie zu füllen. Während hochentwickelte Instrumente wie das Weltraumteleskop Kepler auf der Jagd nach bewohnbaren Planeten detaillierte Bilder von kosmischen Phänomenen machen können, bietet das Whole Earth Telescope Wissenschaftlern eine andere Möglichkeit für die Erforschung direkt von der Erde aus. „Kepler sucht einen kleinen Himmelsausschnitt in der Nähe des Sternbilds Cygnus (Schwan) ab. Wenn man also woanders suchen will, hängt man fest“, erklärte sie. „Kepler beobachtet 0,1 Prozent des Himmels und wir den Rest.“
Das „wir“ umfasst auch mehrere Amateur-Astronomen in Texas und Delaware, die erstmals zu der Beobachtungskampagne des WET beitragen. „Jeder mit einem Teleskop und einer Kamera kann die Helligkeit von Sternen aus seinem Hinterhof überwachen“, sagte sie.
Teilnehmende Observatorien
Folgende Observatorien nehmen an der aktuellen Beobachtungskampagne des Whole Earth Telescope teil:
- Bohyunsan Optical Astronomy Observatory (Südkorea)
- Canakkale Astrophysics Observatory (Türkei)
- Kitt Peak National Observatory (Arizona, USA)
- Krakow Observatory (Polen)
- Laboratorio Nacional de Astrofisica (LNA) (Brasilien)
- Lulin Observatory (Taipeh, Taiwan)
- McDonald Observatory (Texas, USA)
- Paul and Jane Meyer Observatory (Texas, USA)
- Moletai Observatory (Litauen)
- Mount Cuba Astronomical Observatory (Delaware, USA)
- Mt. John Observatory (Neuseeland)
- Mt. Suhora Observatory (Polen)
- National Astronomical Observatory (Nanjing, China)
- Peak Terskol Observatory (Ukraine, Russland)
- PROMPT (Panchromatic Robotic Optical Monitoring and Polarimetry Telescopes), LCOGT (Las Cumbres Observatory Global Telescope network) (Australien, Südafrika, Chile, USA)
- San Pedro Martir Observatory (Mexiko)
- South African Astronomical Observatory (Südafrika)
- Southern Astrophysical Research Telescope (Chile)
- Thai National Observatory (Thailand)
- Tien Shan Observatory (Kasachstan)
- Tubitak Observatory (Türkei)
- Observatorium Tübingen (Deutschland)
Quelle: http://www.udel.edu/udaily/2013/jun/whole-earth-telescope-060413.html
(THK)
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