
Bislang wurden fast 900 extrasolare Planeten bestätigt, aber jetzt denken Astronomen, dass sie zum ersten Mal überzeugende Belege für einen Exoplaneten haben, der sich an einem ungewöhnlichen Ort bildet: in großer Entfernung zu seinem Zentralstern, einem Roten Zwerg.
Der scharfe Blick des Hubble Space Telescope hat eine rätselhafte Lücke in einer ausgedehnten protoplanetaren Scheibe aus Gas und Staub offenbart, die den nahen Stern TW Hydrae umgibt. TW Hydrae liegt 176 Lichtjahre entfernt im Sternbild Hydra (Wasserschlange). Die Präsenz der Lücke wird am besten durch die Auswirkungen eines wachsenden, unbeobachteten Planeten erklärt, der mit seiner Schwerkraft Materie aufsammelt und eine Spur in die Scheibe hineinarbeitet, ähnlich wie ein Schneepflug.
Wissenschaftler unter Leitung von John Debes vom Space Science Institute in Baltimore (Maryland) entdeckten die Lücke in rund zwölf Milliarden Kilometern Entfernung von dem roten Zwergstern. Wenn sich der mutmaßliche Planet in unserem Sonnensystem befinden würde, wäre er ungefähr doppelt so weit von der Sonne entfernt wie Pluto.
Die große Umlaufbahn des vermuteten Planeten bedeutet, dass er sich langsam um seinen Zentralstern bewegt. Seine Entdeckung in diesem Orbit fordert die aktuellen Theorien zur Planetenentstehung heraus. Das gängige Rezept zur Planetenentstehung besagt, dass sich Planeten im Verlauf einiger Millionen Jahre durch die langsame aber stetige Ansammlung von Staub, Felsen und Gas bilden, wenn der wachsende Planet Materie aus der umgebenden Scheibe aufnimmt. TW Hydrae ist allerdings erst acht Millionen Jahre alt. Es gab nicht genug Zeit für einen Planeten, um durch die langsame Ansammlung von kleineren Trümmern zu wachsen. Tatsächlich würde die Bildung eines Planeten in zwölf Milliarden Kilometern Entfernung von seinem Stern über 200 Mal länger brauchen, als Jupiter in seiner Distanz von der Sonne benötigte. Gründe dafür sind die viel geringere Umlaufgeschwindigkeit und ein Mangel an Materie in der Scheibe.
Eine alternative Theorie zur Planetenentstehung schlägt vor, dass ein Teil der Scheibe selbst gravitativ instabil wird und kollabiert. In diesem Szenario könnte sich ein Planet schneller bilden, innerhalb von nur wenigen tausend Jahren. „Wenn wir tatsächlich bestätigen können, dass es dort einen Planeten gibt, dann können wir seine Eigenschaften mit den gemessenen Charakteristika der Lücke in Zusammenhang setzen“, sagte Debes. „Das könnte zu den Theorien über die Planetenbildung beitragen, etwa wie ein Planet sehr weit draußen entstehen kann. Es ist definitiv eine Lückenstruktur. Aufgrund der Tatsache, dass die Lücke scharf und kreisförmig ist, denken wir, dass es sich wahrscheinlich um einen Planeten handelt.“

Was die Geschichte noch verkompliziert ist, dass der rote Zwergstern nur 55 Prozent der Sonnenmasse besitzt. „Es ist so erstaunlich, ein System wie dieses zu sehen“, sagte Debes. „Dies ist der masseärmste Stern, bei dem wir eine Lücke so weit draußen beobachtet haben.“ In ihren äußeren Regionen mangelt es der Scheibe zudem an großen Staubkörnchen. Beobachtungen des Atacama Large Millimeter Array (ALMA) zeigen, dass Millimeter-großer Staub (etwa die Größe eines Sandkorns) ungefähr in 8,8 Milliarden Kilometern Entfernung von dem Stern schlagartig abnimmt – kurz vor der Lücke. Die Scheibe ist 66 Milliarden Kilometer breit. „Normalerweise braucht man Steinchen, bevor man einen Planeten haben kann. Wenn es dort also einen Planeten gibt und kein Staub vorhanden ist, der größer als ein Sandkorn ist, dann wäre das eine große Herausforderung für die traditionellen Modelle zur Planetenentstehung“, sagte Debes.
Die Hubble-Beobachtungen deckten auf, dass die drei Milliarden Kilometer breite Lücke nicht vollständig bereinigt ist. Falls dort ein Planet existiert, dann würde er sich dem Team zufolge in seinem Entstehungsprozess befinden und nicht sehr massereich sein. Basierend auf den Hinweisen schätzt das Teammitglied Hannah Jang-Condell von der University of Wyoming in Laramie, dass der mutmaßliche Planet zwischen sechs und 28 Mal schwerer als die Erde ist. Innerhalb dieses Massenbereichs liegen die Planetenklassen der Supererden und Eisriesen. So eine geringe Planetenmasse ist ebenfalls ein Problem für jene Planetenentstehungstheorien, die einen direkten Kollaps propagieren. Sie besagen, dass Materieklumpen, die ein- bis zweimal schwerer als Jupiter sind, kollabieren und einen Planeten bilden können.
TW Hydrae ist ein beliebtes Ziel für Astronomen. Das System ist eines der nächstgelegenen Beispiele für eine Scheibe, die aus unserer Perspektive frontal erscheint, was Astronomen einen Überblick auf die Umgebung des Sterns gibt. Debes‘ Team verwendete Hubbles Near Infrared Camera and Multi-Object Spectrometer (NICMOS), um den Stern in nah-infrarotem Licht zu beobachten. Anschließend analysierte das Team nochmals archivierte Hubble-Daten, wobei mehr NICMOS-Bilder, sowie optische und spektroskopische Beobachtungen des Space Telescope Imaging Spectrograph (STIS) zum Einsatz kamen. Mit diesen Beobachtungen ausgestattet, setzten sie die umfassendste Ansicht des Systems in gestreutem Licht bei zahlreichen Wellenlängen zusammen.
Als Debes die Rate einbezog, mit der die Scheibe das reflektierte Sternlicht abschwächte, zeigte sich die Lücke. Es war eine Struktur, die in zwei vorherigen Hubble-Studien vermutet worden war, aber nicht definitiv bestätigt wurde. Diese früheren Beobachtungen stellten zwar eine ungleichmäßige Helligkeit in der Scheibe fest, identifizierten sie jedoch nicht als eine Lücke. „Als ich die Lückenstruktur zum ersten Mal sah, sprang sie mir förmlich ins Auge“, sagte Debes. „Die Tatsache, dass wir die Lücke in jeder Wellenlänge sehen, sagt uns, dass sie ein strukturelles Merkmal ist und kein instrumentenbedingtes Artefakt oder eine Merkmal dessen, wie der Staub das Licht streut.
Das Team plant, das System in genaueren Einzelheiten zu untersuchen und dafür ALMA und das kommende James Webb Space Telescope zu verwenden, ein Infrarot-Observatorium, das 2018 starten soll. Die Abhandlung des Teams erschien am 14. Juni im The Astrophysical Journal.
Quelle: http://hubblesite.org/newscenter/archive/releases/2013/20/full/
(THK)
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