SDO und RHESSI beobachten erstmals direkt eine magnetische Rekonnexion auf der Sonne

Daten zweier NASA-Satelliten bestätigen die direkte Beobachtung einer magnetischen Rekonnexion auf der Sonne. Das blaugrüne Bild stammt vom Solar Dynamics Observatory (SDO), die Daten des Reuven Ramaty High Energy Solar Spectroscopic Imager (RHESSI) sind orange gekennzeichnet. (NASA / SDO / RHESSI / Goddard)
Daten zweier NASA-Satelliten bestätigen die direkte Beobachtung einer magnetischen Rekonnexion auf der Sonne. Das blaugrüne Bild stammt vom Solar Dynamics Observatory (SDO), die Daten des Reuven Ramaty High Energy Solar Spectroscopic Imager (RHESSI) sind orange gekennzeichnet. (NASA / SDO / RHESSI / Goddard)

Zwei NASA-Satelliten haben das detailreichste Video geliefert, das jemals von einem rätselhaften Prozess im Herzen aller Explosionen auf der Sonne erstellt wurde: der magnetischen Rekonnexion. Die magnetische Rekonnexion geschieht, wenn magnetische Feldlinien zusammenkommen, auseinanderreißen und dann ihre Partner tauschen, wobei sie in neue Positionen springen und einen Stoß magnetischer Energie freisetzen. Dieser Prozess findet im Herzen gigantischer Explosionen auf der Sonne statt, beispielsweise in solaren Flares oder koronalen Massenauswürfen, die Strahlung und Teilchen durch das Sonnensystem schleudern.

Wissenschaftler wollen den Prozess besser verstehen, so dass sie genauere Warnungen vor diesem Weltraumwetter liefern können, das erdnahe Satelliten beeinflussen und die Radiokommunikation beeinträchtigen kann. Ein Grund dafür, warum sie so schwer zu untersuchen ist, liegt darin, dass die magnetische Rekonnexion nicht direkt beobachtet werden kann, weil Magnetfelder unsichtbar sind. Stattdessen verwenden Wissenschaftler eine Kombination aus Computermodellen und spärliche Beobachtungen der Umgebung von magnetischen Rekonnexionsereignissen, um zu verstehen, was dort passiert.

„Die Gemeinschaft versucht immer noch zu verstehen, wie die magnetische Rekonnexion Flares erzeugt“, sagte Yang Su, einen Sonnenwissenschaftler von der Universität Graz in Österreich. „Wir haben so viele Beweisstücke, aber das Bild ist noch nicht vollständig.“

Jetzt hat Su ein neues, visuelles Beweisstück hinzugefügt. Als er die Beobachtungen des Solar Dynamics Observatory (SDO) durchging, sah Su etwas, das den Daten besonders schwer zu entnehmen ist: direkte Bilder der magnetischen Rekonnexion, als sie gerade auf der Sonne stattfand. Su und seine Kollegen berichteten am 14. Juli 2013 im Journal Nature Physics über diese Ergebnisse. Obwohl bereits zuvor ein paar erstaunliche Bilder der Rekonnexion gemacht wurden, zeigt diese Studie den ersten umfassenden Datensatz, der dafür verwendet werden kann, die Modelle dieses fundamentalen Prozesses auf der Sonne zu verbessern.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
Video-Link: https://youtu.be/dNnZTGMnXS8

Das X markiert den Punkt: Video mit Animationen und Erklärungen zu den neuen SDO- und RHESSI-Daten. (NASA / Goddard)

Die magnetischen Feldlinien selbst sind in der Tat unsichtbar, aber sie zwingen geladene Teilchen (das Plasma, aus dem die Sonne besteht), sich an ihnen entlang zu bewegen. Weltraumteleskope können sehen, wie dieses Material als helle Linien erscheint, die in Schleifen und Bögen durch die Atmosphäre der Sonne verlaufen und so die Anwesenheit der magnetischen Feldlinien kartieren. In einer Bilderserie sah Su zwei Feldlinienbündel, die sich aufeinander zubewegten, kurz zusammentrafen, um ein „X“ zu bilden und dann voneinander wegschnellten. Dabei schleuderten ein Bündel und seine begleitenden Teilchen in den Weltraum und das andere fiel zurück auf die Sonne.

„Aus diesen Bildern ist oft schwer zu entnehmen, was wirklich in drei Dimensionen passiert, weil die Aufnahmen selbst zweidimensional sind“, sagte Gordon Holman, ein Sonnenwissenschaftler vom Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland), ein weiterer Autor der Studie. „Aber wenn man lange genug hinschaut und sie mit Daten von anderen Instrumenten vergleicht, kann man einen guten Eindruck davon bekommen, was dort abläuft.“

Um zu bestätigen, was sie gesehen hatten, wandte sich der Forscher einem zweiten NASA-Satelliten zu, dem Reuven Ramaty High Energy Solar Spectroscopic Imager, kurz RHESSI. RHESSI erstellt Spektrogramme – das sind Daten, die bei jedem Ereignis auf der Sonne zeigen können, wo außergewöhnlich heißes Material präsent ist. RHESSI zeigte heiße Taschen aus solarer Materie, die sich oberhalb und unterhalb des Rekonnexionspunktes bildeten, was eine übliche Signatur für ein derartiges Ereignis ist. Durch Kombination der SDO- und RHESSI-Daten waren die Wissenschaftler in der Lage, den von ihnen beobachteten Prozess zu beschreiben und vorherige Modelle und Theorien größtenteils zu bestätigen und gleichzeitig neue, dreidimensionale Aspekte des Prozesses zu offenbaren.

Unter der Sonnenoberfläche fließt die geladene Materie (das Plasma). Magnetische Schleifen erheben sich aus diesem Fluss und etablieren Gebiete mit magnetischen Pluspolen, die neben negativen Polen liegen. Die Schleifen bilden Bögen über die Sonnenoberfläche, von einer Polarität zur anderen. Während die solare Materie weiterhin unter der Oberfläche fließt, schieben sich die Positiv- und Negativpole aneinander vorbei – ähnlich wie die tektonischen Platten auf der Erde, nur dass das Material auf der Sonne natürlich ein heißes Gas ist und kein hartes Gestein.

Das lässt die darüber liegenden Bögen anwachsen, sich verdrehen und instabiler werden. Dieser Reibungsvorgang oder Scherung bringt mehr Energie in das System, welches aufgewickelt ist und darauf wartet, loszuschnellen, so wie ein aufgedrehtes Gummiband kurz vor dem Loslassen. Die magnetischen Feldlinien in den Bögen schnellen schließlich nach innen, berühren sich kurz und verbinden sich neu, wobei sie während der Energiefreisetzung einen hellen Lichtblitz abgeben und Strahlung und energiereiche Teilchen in den Weltraum schleudern.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
Video-Link: https://youtu.be/7sS3Lpzh0Zw

Schematischer Ablauf der magnetischen Rekonnexion. (NASA / Goddard)

In den SDO-Videos erhellt Licht die Schleifen, als der Rekonnexionsprozess sich stufenförmig an ihnen entlang bewegt. Helle Schleifen lehnen sich von jeder Seite an die Rekonnexionsregion an. Wenn sich die magnetischen Feldlinien neu ausrichten, werden neue Schleifen nach unten abgestoßen. Ein Plasmastrang trennt sich ab und steigt nach oben. In bestimmten Fällen erreicht der Strang die Fluchtgeschwindigkeit und wird ein koronaler Massenauswurf, der Milliarden Tonnen Sonnenmaterie in den Weltraum katapultiert.

„Dank der qualitativ hochwertigen Daten des SDO ist dies das erste Mal, dass wir die komplette, detaillierte Struktur dieses Prozesses gesehen haben“, sagte Su. „Es unterstützt das Gesamtbild der Rekonnexion mit visuellen Beweisen.“ Su sagte, dass die Forscher anhand dieser Bilder Schätzungen darüber anstellen können, wie schnell sich die Magnetfelder neu verbinden und darüber, wie viel Materie in den Prozess hineingebracht wird und wie viel wieder herauskommt. Solche Informationen können in Modelle der magnetischen Rekonnexion einbezogen werden, um zu helfen, die Theorien über diesen Prozess zu verfeinern.

Nicht nur wegen dem, was sie auf der Sonne tut, wollen Wissenschaftler mehr über die magnetische Rekonnexion erfahren. Sie ist ein universeller Prozess, der auch in Erdnähe innerhalb ihrer magnetischen Umgebung – der sogenannten Magnetosphäre – und in Sternen allgemein auftritt. Weil dieser Prozess auf der Sonne so schwer zu beobachten ist und er auch im Labor nur schwer nachgebildet und untersucht werden kann, planen die Forscher, einen genaueren Blick auf die magnetische Rekonnexion im Weltraum zu werfen.

Um die magnetische Rekonnexion in noch genaueren Einzelheiten zu studieren, wird die NASA Ende 2014 die Magnetospheric Multiscale (MMS) Mission starten. MMS besteht aus vier Satelliten, die direkt durch magnetische Rekonnexionsereignisse in der irdischen Magnetosphäre fliegen werden. Indem sie mehrere Satelliten (SDO, RHESSI, MMS und andere) auf das Problem ansetzen, werden Wissenschaftler imstande sein, den Beginn des Weltraumwetters besser zu verstehen, das wir auf der Erde erfahren.

Diese Ergebnisse wurden im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts der Europäischen Kommission und der NASA erzielt, das die Bezeichnung HESPE (High Energy Solar Physics Data in Europe) trägt.

Quelle: http://www.nasa.gov/content/goddard/the-heart-of-space-weather-observed-in-action/

(THK)

Werbung

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*