Astronomen vermuten eine große Population alter Brauner Zwerge in der Milchstaßen-Galaxie

Das Bild zeigt die künstlerische Darstellung eines Braunen Zwergs aus der dicken Scheibe oder dem Halo. Die Scheibe der Milchstraßen-Galaxie ist im Hintergrund zu sehen. Obwohl Braune Zwerge in der Nähe des Sonnensystems beobachtet werden, sind viele weit von dem am dichtesten bevölkerten Teil der Galaxie entfernt. (John Pinfield)
Das Bild zeigt die künstlerische Darstellung eines Braunen Zwergs aus der dicken Scheibe oder dem Halo. Die Scheibe der Milchstraßen-Galaxie ist im Hintergrund zu sehen. Obwohl Braune Zwerge in der Nähe des Sonnensystems beobachtet werden, sind viele weit von dem am dichtesten bevölkerten Teil der Galaxie entfernt. (John Pinfield)

Ein Astronomenteam unter Leitung von Dr. David Pinfield von der University of Hertfordshire hat zwei der ältesten Braunen Zwerge in der Milchstraßen-Galaxie entdeckt. Diese alten Objekte bewegen sich mit Geschwindigkeiten von 100-200 Kilometern pro Sekunde – viel schneller als normale Sterne und andere Braune Zwerge. Sie entstanden vermutlich vor über zehn Milliarden Jahren, als die Galaxie noch sehr jung war. Interessanterweise denken die Forscher, dass sie Teil einer umfangreichen und bislang unbeobachteten Objektpopulation sein könnten. Die Wissenschaftler veröffentlichen ihre Ergebnisse im Journal Monthly Notices of the Royal Astronomical Society der Oxford University Press. Eine Vorab-Version der Abhandlung ist auf arxiv.org einsehbar.

Braune Zwerge sind sternähnliche Objekte, aber mit weniger als sieben Prozent der Sonnenmasse deutlich masseärmer. Im Gegensatz zu Sternen erzeugen sie keine innere Wärme durch Kernfusion. (Anm. d. Red.: Genaugenommen finden schon verschiedene Fusionsprozesse in ihren Zentren statt, aber keine stabile Fusion von Wasserstoff in Helium, wie es in richtigen Sternen der Fall ist.) Weil diese Braunen Zwerge mit der Zeit einfach abkühlen und schwächer werden (und sehr alte Braune Zwerge können in der Tat sehr kühl werden), weisen die neu entdeckten Exemplare Temperaturen zwischen 250 und 600 Grad Celsius auf – viel kühler als Sterne. Zum Vergleich: Die Oberflächentemperatur der Sonne beträgt ungefähr 5.600 Grad Celsius.

Pinfields Team identifizierte die neuen Objekte in der Himmelsdurchmusterung, die vom Wide-field Infrared Survey Explorer (WISE) durchgeführt wurde. WISE ist ein NASA-Weltraumobservatorium, das den Himmel 2010 und 2011 im mittelinfraroten Wellenlängenbereich abgebildet hat. Die Bezeichnungen der beiden Objekte lauten WISE 0013+0634 und WISE 0833+0052; sie befinden sich in den Sternbildern Pisces (Fische) und Hydra (Wasserschlange). Weitere Messungen zur Bestimmung der Natur dieser Objekte wurden mit bodenbasierten Teleskopen durchgeführt (Magellan, Gemini, VISTA und UKIRT).

Der Infrarothimmel ist mit schwachen, roten Quellen erfüllt, darunter rötliche Sterne, schwache Hintergrundgalaxien (weit von unserer eigenen Milchstraßen-Galaxie entfernt) sowie nebelähnlichem Gas und Staub. Die Identifizierung von kühlen Braunen Zwergen in diesem chaotischen Durcheinander ist wie die Suche nach Nadeln in einem Heuhaufen. Aber Pinfields Team entwickelte eine neue Methode, die sich die Art und Weise zunutze macht, wie WISE den Himmel mehrfach abbildet. Das ermöglichte den Forschern, kühle Braune Zwerge zu identifizieren, die schwächer als jene waren, die im Rahmen anderer Suchprogramme entdeckt wurden.

Das Forschungsteam untersuchte anschließend das infrarote Licht, welches von diesen Objekten emittiert wird, die verglichen mit normalen, sich langsamer bewegenden Braunen Zwergen ungewöhnlich sind. Die Spektralsignaturen ihres Lichts spiegeln ihre ursprünglichen Atmosphären wider, die fast vollständig aus Wasserstoff bestehen und weniger der schweren Elemente enthalten, die in jungen Sternen beobachtet werden. „Im Gegensatz zu anderen Lebensbereichen bewegen sich die ältesten Mitglieder einer Galaxie viel schneller als ihre jüngere Population“, sagte Pinfield bezüglich ihres greisenhaft Alters und ihrer hohen Geschwindigkeiten.

Sterne in Sonnennähe (im sogenannten lokalen Volumen oder der lokalen Blase) bestehen aus drei überlappenden Populationen: Sternen aus der dünnen Scheibe (Thin disk), der dicken Scheibe und dem Halo. Die dicke Scheibe ist viel älter als die dünne Scheibe und ihre Sterne bewegen sich mit einer höheren Geschwindigkeit auf und ab. Beide Scheibenkomponenten liegen innerhalb des Halos, der die Reste der ersten Sterne enthält, die sich in der Galaxie bildeten.

Objekte aus der dünnen Scheibe dominieren das lokale Volumen; Objekte aus der dicken Scheibe und dem Halo sind viel seltener. Etwa 97 Prozent der lokalen Sterne sind Mitglieder aus der dünnen Scheibe, während nur drei Prozent aus der dicken Scheibe oder dem Halo stammen. Die Populationszahlen der Braunen Zwerge folgen vermutlich jenen der Sterne, was erklären würde, warum diese sich schnell bewegenden Objekte aus der dicken Scheibe und dem Halo erst jetzt entdeckt werden.

Man nimmt an, dass es in der dünnen Scheibe der Galaxie bis zu 70 Milliarden Braune Zwerge gibt und die dicke Scheibe und der Halo nehmen ein viel größeres Volumen der Galaxie ein. Deshalb weist sogar eine kleine lokale Population (3%) auf eine gigantische Zahl alter Brauner Zwerge in der Galaxie hin. „Diese beiden Braunen Zwerge könnten die Spitze des Eisbergs sein und stellen ein verblüffendes Stück astronomischer Archäologie dar“, sagte Pinfield. „Wir konnten diese Objekte nur finden, indem wir nach den schwächsten und kühlsten Objekten suchten, deren Nachweis mit WISE möglich ist. Und indem wir mehr von ihnen finden, werden wir Einblicke in die früheste Epoche der Geschichte unserer Galaxie erhalten.“

Quelle: http://www.ras.org.uk/news-and-press/224-news-2013/2357-the-galaxys-ancient-brown-dwarf-population-revealed

(THK)

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