Astro-Bild der Woche: Die Kaulquappengalaxie Arp 188

Die Kaulquappengalaxie Arp 188, aufgenommen vom Weltraumteleskop Hubble. Der 280.000 Lichtjahre lange Gezeitenschweif ist deutlich erkennbar. (NASA)
Die Kaulquappengalaxie Arp 188, aufgenommen vom Weltraumteleskop Hubble. Der 280.000 Lichtjahre lange Gezeitenschweif ist deutlich erkennbar. (NASA)

Kosmische Objekte erhalten oft Spitznamen, die an ihr Erscheinungsbild angelehnt sind – das ist auch bei der Kaulquappengalaxie (Tadpole Galaxy) der Fall. Die stark verzerrte Galaxie liegt ungefähr 420 Millionen Lichtjahre entfernt in Richtung des nördlichen Sternbildes Draco (Drache) und ist als 188. Objekt im sogenannten Arp-Katalog verzeichnet. Eine andere gebräuchliche Katalogbezeichnung ist UGC 10214.

In den 1960er Jahren beobachtete der US-amerikanische Astronom Halton Arp den Nachthimmel mit einem 5-Meter-Teleskop und beschrieb 338 Objekte, deren Aussehen nicht dem einer normalen Galaxie glich. So entstand der Katalog ungewöhnlicher (besonderer) Galaxien (engl.: Atlas of Peculiar Galaxies), der zu Ehren seines Erstellers auch Arp-Katalog genannt wird. Er umfasst hauptsächlich Galaxien, die auf irgendeine Art und Weise verzerrt erscheinen oder andere ungewöhnliche Merkmale hinsichtlich ihrer Struktur aufweisen.

Auch die Kaulquappengalaxie Arp 188 zeigt einige Besonderheiten in ihrer Struktur, die auf dieser Aufnahme des Weltraumteleskops Hubble eindrucksvoll zu sehen sind. Die markanteste Auffälligkeit ist sicherlich der ausgeprägte Schweif aus unzähligen Sternen und Gas, den sie hinter sich herzieht. Der Schweif ist etwa 280.000 Lichtjahre lang – das entspricht mehr dem doppelten Durchmesser unserer eigenen Milchstraßen-Galaxie, welcher auf 100.000 bis 120.000 Lichtjahre geschätzt wird. In dem Schweif sind viele strahlend blau leuchtende Gebiete erkennbar, bei denen es sich um Sternhaufen aus jungen, massereichen, blauen Sternen handelt.

Die vielen Sternhaufen innerhalb des Schweifs sind die direkte Folge einer nahen Begegnung, die auch den Schweif selbst entstehen ließ. Der Schweif ist ein Gezeitenschweif, verursacht durch gravitative Wechselwirkungen mit einem vorbeiziehenden, massereichen Objekt. Nach Meinung der Astronomen verlief die Begegnung folgendermaßen ab: Eine kleinere Galaxie zog aus dieser Perspektive betrachtet von links nach rechts vor Arp 188 vorbei. Die wesentlich größere Masse von Arp 188 übte eine gewaltige Anziehungskraft auf die kleinere Galaxie aus, wodurch selbige von ihrem eigentlichen Kurs abgebracht und von der Erde aus gesehen hinter Arp 188 geschleudert wurde. Die fragliche Galaxie ist durch die verzerrten Spiralarme von Arp 188 hindurch erkennbar und liegt schätzungsweise 300.000 Lichtjahre von ihr entfernt.

Der Gravitationstanz der beiden Galaxien blieb für Arp 188 aber nicht folgenlos: Er schleuderte auch gewaltige Mengen Sterne und Gas weit in den intergalaktischen Raum hinaus. Schockwellen innerhalb des Gezeitenschweifs destabilisieren und komprimieren größere Gasansammlungen, die daraufhin kollabieren und als Geburtsstätten für massereiche, blau leuchtende Sterne dienen. Gravitative Interaktionen wie diese gehen fast immer mit erhöhten Sternentstehungsraten in den betroffenen Gebieten einher.

Die Beobachtung interagierender Galaxien liefert Astronomen auch neue Einblicke in die Entwicklung des Universums. Die großräumige Struktur des Universums, also die Verteilung der (sichtbaren und unsichtbaren) Materie, wird von extrem massereichen Galaxienhaufen bestimmt. Galaxienhaufen können aus vielen hundert oder sogar tausenden Galaxien bestehen, die alle gravitativ aneinander gebunden sind. Mit fortschreitendem Alter des Universums wird es innerhalb der Galaxienhaufen zwangsläufig vermehrt zu Begegnungen oder Kollisionen dieser Art kommen. An einzelnen Beispielen wie der Kaulquappengalaxie lassen sich diese komplexen Prozesse schon jetzt im kleinen Maßstab untersuchen.

Eine größere Version der Aufnahme gibt es unter:
http://www.nasa.gov/images/content/148678main_image_feature_573_ys_full.jpg

Anmerkung der Redaktion
Die anderen drei Vorschläge für das Astro-Bild der Woche waren:
Bild 2: Galaktische Wasserstoffhalos
Bild 3: Der Komet Encke in Infrarot
Bild 4: Ein Kugelsternhaufen als galaktisches Fossil

(THK)

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