
Wie die Bezeichnung Urknall vermuten lässt, entstand das Universum durch eine immense Explosion, die eine „Suppe“ aus Teilchen erschuf. Gigantische Wolken dieser primordialen Materie, hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium bestehend, kollabierten, um die ersten Sterne zu bilden – massereiche, helle, kurzlebige Objekte, die recht bald danach als Supernovae explodierten. Im Zuge solcher Explosionen brachten Gaswolken eine zweite Sterngeneration hervor, die von Teleskopen noch heute beobachtet werden kann.
Wissenschaftler haben angenommen, dass die ersten Sterne im Universum mit gewaltiger Energie explodierten und die ersten schweren Elemente wie Kohlenstoff, Eisen, und Sauerstoff in die Umgebung schleuderten. Aber einer neuen Forschungsarbeit des Massachusetts Institute of Technology (MIT) zufolge sind möglicherweise nicht alle diese Sterne explodiert.
Das Team hat einen mehrere tausend Lichtjahre entfernten Stern namens SMSS J031300.36-670839.3 identifiziert, welcher einen Eisengehalt aufweist, dessen obere Grenze sehr niedrig ist. Dies spricht dafür, dass der Stern zur zweiten Generation gehört und aus der Gaswolke entstand, die durch die allerersten Sterne im Universum angereichert wurde. Aber weil so wenig Eisen in dem Stern vorhanden ist, dürfe der Vorgänger des Sterns nicht sehr energetisch gewesen sein, da er möglicherweise daran scheiterte, all die schweren Elemente in seinem eigenen Kern fortzuschleudern, sagen die Forscher.
Die Ergebnisse wurden diese Woche im Journal Nature veröffentlicht und liefern einen Eindruck davon, wie die Aktivität der ersten Sterne im frühen Universum ausgesehen haben könnte, und sie weisen auf deutlich vielfältigere Eigenschaften unter der allerersten Sternpopulation hin.
„Eine Leitfrage für uns alle ist: Wie entstanden die ersten Sterne und Galaxien?“, sagte die Co-Autorin Anna Frebel, eine Juniorprofessorin für Physik und Mitglied des Kavli Institute for Astrophysics and Space Research am MIT. „Die Explosionsenergie dieses Sterns war geringer als erwartet und auch geringer als heutige gewöhnliche Supernovae, was eine wirklich unerwartete Entdeckung war. Das sagt uns, dass wir teilweise an das Reißbrett zurückkehren müssen, weil es unter diesen allerersten Sterngenerationen eine größere Vielfalt gibt, als wir bislang vermutet hatten.“
Das Sternenfeld reduzieren
Die Oberfläche eines Sterns kann etwas darüber verraten, was davor kam: Die auf der Oberfläche vorhandenen Elemente sind im Grunde genommen die Überreste von der Explosion des vorangegangenen Sterns. Seit dem Urknall sind nachfolgende Sterngenerationen entstanden und haben chemische Elemente in das Universum geschleudert, wodurch sie die Bausteine für Galaxien und Planetensysteme erschufen. Heute bilden sich die jüngsten Sterne aus Gas, das mit jedem Element des Periodensystems verschmutzt ist.
Um die frühesten Sterngenerationen zu finden, suchen Wissenschaftler nach verschwindend geringen Häufigkeiten der ersten erzeugten schweren Elemente wie beispielsweise Eisen. Sterne mit sehr niedrigen Elementhäufigkeiten könnten in der frühesten Epoche des Universums vor mehr als 13 Milliarden Jahren entstanden sein, als sich nur wenige Elemente gebildet hatten.
Um einen solchen Kandidaten aufzuspüren, durchsuchten Frebel, die Postdoktorandin Heather Jacobson und ihre Kollegen vom Mount Stromlo Observatory in Australien die Spektraldaten von Millionen Sternen, die von SkyMapper gesammelt wurden, einem automatischen Teleskop, das Planeten, Sterne und Asteroiden am südlichen Himmel verfolgt. Die Forscher sortierten die Daten und verwarfen alle Sterne mit Spektren, die dem der Sonne ähnelten – einem modernen Stern mit relativ großen Elementhäufigkeiten.
Nachdem sie das Feld reduziert hatten, wählten die Wissenschaftler eine Handvoll Sterne mit sehr schwachen chemischen Signaturen aus. Dann warfen sie mit den Magellan-Teleskopen (zwei großen Teleskopen in Chile) einen genaueren Blick auf die Sterne, um hochauflösende Spektraldaten zu erhalten.
Mit diesen Daten analysierten Frebel und ihre Kollegen die Absorptionslinien jedes Sterns. Jedes chemische Element besitzt eine charakteristische Absorptionslinie oder Wellenlänge. Je schwächer diese Linie ist, desto weniger des betreffenden Elements ist vorhanden. Im Falle von SMSS J031300.36-670839.3 berechneten die Forscher, dass der Eisengehalt des Sterns mindestens sieben Größenordnungen (oder zehn Millionen Mal) kleiner ist als der Eisengehalt der Sonne. Das ist die geringste Häufigkeit von Eisen, die jemals bei einem Stern registriert wurde. Der Stern, so schlussfolgerten sie, müsse ein echter Stern der zweiten Generation sein.
Zoomen auf einen frühen Stern
Die Gruppe maß bei SMSS J031300.36-670839.3 auch die Häufigkeit von Kohlenstoff und stellte fest, dass dieses Element viel stärker präsent war – mehr als das Tausendfache des Eisengehalts. Frebel sagte, die Abweichung sei aufschlussreich: Computermodellen zufolge findet die Sternentstehung von innen nach außen statt. Chemische Elemente, die im Kern eines Sterns gebildet werden, werden weiter nach außen gedrückt, was Platz für neue Elemente macht. Die äußeren Schichten der allerersten Sterngenerationen bestanden wahrscheinlich aus den ersten schweren Elementen und ließen noch schwerere Elemente wie Eisen in ihren Kernen zurück. Laut der Theorie schleuderten diese ersten Sterne all ihre chemischen Elemente in den Weltraum, als sie als Supernovae explodierten.
Aber die neuen Sterne der zweiten Generation könnten das Verständnis der Wissenschaftler verändern, wie aktiv die allererste Sterngeneration war. Weil der neu identifizierte Stern einen sehr niedrigen Eisengehalt und einen relativ hohen Kohlenstoffgehalt besitzt, stellt sich Frebel ein alternatives Szenario vor: Demnach ging dieser Stern aus einem energiearmen Stern der ersten Generation hervor, dessen Explosion zwar den Inhalt seiner äußeren Schichten fortschleuderte, aber nicht stark genug war, um Elemente wie Eisen aus seinen inneren Schichten freizusetzen. Die resultierende Gaswolke, reich an Kohlenstoff und arm an Eisen, ballte sich schließlich zusammen, um SMSS J031300.36-670839.3 zu bilden.
Volker Bromm, ein Juniorprofessor für Astronomie an der University of Texas in Austin, sagte, dass der kürzlich registrierte Stern der ursprünglichste Stern sein könnte, der bislang entdeckt wurde. Die meisten anderen alten, metallarmen Sterne, die in der Vergangenheit identifiziert wurden, besaßen kleine Mengen Eisen und anderer schwerer Elemente. Dieser neueste Stern hat im Gegensatz dazu kein nachweisbares Eisen – nur eine obere Grenze.
„Theoretische Modelle sagen voraus, dass die ersten echten Sterne (auch bekannt als Population III) alle massereich waren – so massereich, dass sie bereits vor langer Zeit starben“, sagte Bromm, der nicht an der Forschungsarbeit beteiligt war. „Dieser neue Stern ist nur haarscharf entfernt von der schwer nachweisbaren Population III, aber er bewahrt die Bedingungen des frühen Universums. Deswegen gelangen wir hier so nah an den Moment des ersten Lichts, wie man hoffen kann.“
Zu verstehen, wie energiereich die ersten Sterne waren, könne Forschern einen Eindruck von der Art Umgebung vermitteln, in der die ersten Galaxien und Planeten entstanden, sagte Frebel. Zum Beispiel könnten gewaltige, stellare Explosionen eine embryonale Galaxie vielleicht in Stücke gerissen haben, wohingegen weniger energiereiche Supernovae die Chancen einer neuen Galaxien erhöht haben könnten, zusammenzubleiben und zu wachsen.
„Durch die genauere Betrachtung eines frühen Sterns und die Entdeckung von etwas Ungewöhnlichem, das der gängigen Sichtweise widerspricht, haben wir die Theorie ein bisschen durchgerüttelt, um zu sagen ‚Vielleicht müssen wir überdenken, wie die ersten Sterne entstanden.'“, sagte Frebel.
Diese Forschungsarbeit wurde von der National Science Foundation, dem Australian Research Council und dem Seventh Framework Program der Europäischen Union finanziert.
(THK)
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