In tödlicher Umarmung – Millisekundenpulsare verdampfen ihre Begleitsterne

Künstlerische Darstellung des Systems PSR J1311-3430. Die Radiostrahlen (grün) und Gammastrahlen (magenta) des Pulsars überstreichen regelmäßig die Erde. Der Pulsar heizt die ihm zugewandte Seite des viel kleineren Begleitsterns stark auf und verdampft ihn dadurch langsam. (NASA / Goddard Space Flight Center)
Künstlerische Darstellung des Systems PSR J1311-3430. Die Radiostrahlen (grün) und Gammastrahlen (magenta) des Pulsars überstreichen regelmäßig die Erde. Der Pulsar heizt die ihm zugewandte Seite des viel kleineren Begleitsterns stark auf und verdampft ihn dadurch langsam. (NASA / Goddard Space Flight Center)

Schwarze Witwen und ihre australischen Cousins, die Rotrückenspinnen („Redbacks“), sind berüchtigt für ihre gefährliche Liebe, die sich als die verstörende Neigung äußert, ihre männlichen Partner zu töten und zu fressen. Astronomen haben ein ähnliches Verhalten bei zwei seltenen Doppelsternsystem-Typen beobachtet, die einen schnell rotierenden Neutronenstern – einen Pulsar – enthalten.

„Die grundlegenden Merkmale von Doppelsternsystemen des Schwarze-Witwe-Typs und des Redback-Typs sind, dass sie einen normalen, aber sehr massearmen Stern in großer Nähe zu einem Millisekundenpulsar enthalten, was katastrophale Auswirkungen auf den Begleitstern hat“, sagte Roger Romani, ein Mitglied des Kavli Institute for Particle Astrophysics and Cosmology. Das Institut wird gemeinsam von der Stanford University und dem SLAC National Accelerator Laboratory in Menlo Park (Kalifornien) betrieben. Schwarze-Witwe-Systeme enthalten Sterne, die physisch kleiner und masseärmer als jene Sterne sind, die in Redback-Systemen gefunden werden.

Bis jetzt haben Astronomen mindestens 18 Schwarze-Witwen-Systeme und neun Redback-Systeme in der Milchstraßen-Galaxie gefunden. Weitere Mitglieder der beiden Klassen wurden in den dichten Kugelsternhaufen entdeckt, die unsere Galaxie umkreisen.

Ein Schwarze-Witwe-System mit der Bezeichnung PSR J1311-3430 wurde 2012 aufgefunden und hält den Rekord für die engste Umlaufbahn in seiner Klasse – es enthält einen der massereichsten Neutronensterne, welcher der Wissenschaft bekannt ist. Der im Vergleich dazu federleichte Begleiter des Pulsars, der nur ungefähr ein Dutzend Jupitermassen und lediglich 60 Prozent dessen Größe aufweist, benötigt 93 Minuten für eine Umkreisung. Das ist weniger, als man für das Anschauen der meisten Filme braucht. Erste Schätzungen ergaben für den Neutronenstern eine Masse von etwa 2,7 Sonnenmassen, aber neuere Untersuchungen erlauben einen geringeren Wertebereich bis runter auf zwei Sonnenmassen, was immer noch zu den größten bekannten Massen bei Neutronensternen gehört. Das weiter unten eingebettete Video thematisiert dieses System und dessen Entdeckung durch die beteiligten Wissenschaftler.

Wenn ein massereicher Stern als Supernova explodiert, bleibt der kollabierte Kern – ein sogenannter Neutronenstern – zurück. Er vereinigt in sich mehr Masse als die Sonne innerhalb einer Kugel, die nicht größer als Washington DC ist. Ein junger, isolierter Neutronenstern rotiert zig Mal pro Sekunde oder ein paar tausend Mal pro Minute. Er produziert Strahlen im sichtbaren Licht, sowie im Radio-, Röntgen- und Gammabereich des elektromagnetischen Spektrums. Die Strahlen werden von Astronomen beobachtet, wenn sie an der Erde vorbeistreichen. Die Objekte erzeugen auch starke Abströmungen oder „Winde“ aus hochenergetischen Teilchen. Die Energie für all das stammt aus dem schnell rotierenden Magnetfeld des Neutronensterns. Während sich die Rotationsperioden der einsamen Pulsare verlangsamen, schwächen sich ihre Emissionen mit der fortschreitender Zeit ab.

Vor 32 Jahren entdeckten Astronomen eine neue, viel schneller rotierende Pulsarklasse. Mit Rotationsperioden von nur zehn Millisekunden oder weniger, drehen sich diese Neutronensterne mit erstaunlichen Geschwindigkeiten – sie erreichen bis zu 43.000 Umdrehungen pro Minute. Bis heute wurden mittlerweile mehr als 300 dieser als Millisekundenpulsare bezeichneten Objekte katalogisiert. Während junge Pulsare normalerweise isoliert erscheinen, besitzt über die Hälfte der Millisekundenpulsare einen stellaren Partner. Das deutet darauf hin, dass Wechselwirkungen mit einem normalen Stern einen älteren, langsameren Neutronenstern wieder verjüngen können. Aber wie erlangen isolierte Millisekundenpulsare ihre Geschwindigkeit zurück?

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Video-Link: https://youtu.be/VQ-HBxIlvlM

Videobeitrag über die Entdeckung des Systems PSR J1311-3430 und die gewonnenen Erkenntnisse. (NASA / Goddard Space Flight Center; Greenbank Telescope image credit: NRAO / AUI)

Schwarze Witwen und ihre Verwandtschaft

„Die hochenergetischen Emissionen und Winde des Pulsars heizen die Materie des normalen, nahen Begleitsterns auf und blasen sie fort. Im Verlauf von Millionen oder Milliarden Jahren können sie den gesamten Stern aufzehren“, sagte Alice Harding, eine Astrophysikerin vom Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland). „Diese Systeme können ihre Begleitsterne vollständig aufzehren und so entstehen unserer Meinung nach die einsamen Millisekundenpulsare.“

Das Fermi Gamma-ray Space Telescope der NASA brilliert bei der Lokalisierung von Millisekundenpulsaren und hat bislang mehr als vier Dutzend von ihnen entdeckt. Pulsare fallen im Large Area Telescope (LAT) Fermis als helle Gammastrahlungsquellen auf, aber die Suche nach ihren Pulsationen in den Fermi-Daten ist außerordentlich schwierig, wenn man nicht mehr über das System weiß. Nachfolgende Untersuchungen mit Radioteleskopen registrieren die Pulse meist zuerst und liefern die Bestätigung dafür, dass es sich bei dem Objekt tatsächlich um einen Pulsar handelt. Durch die Eingrenzung des Puls-Timings und anderer Parameter erlauben Radiobeobachtungen den Fermi-Wissenschaftlern anschließend, die Gammastrahlungspulse in den Daten des Large Area Telescope aufzuspüren.

„Fast alle bekannten Schwarze-Witwen-Systeme und Redback-Systeme in unserer Galaxie wurden von Fermi registriert und mehr als die Hälfte wurde entdeckt, indem Fermi-Quellen mit verschiedenen Radioteleskopen anvisiert wurden“, sagte Mallory Roberts, ein Forscher von Eureka Scientific, Inc., der momentan als Gastprofessor der New York University in Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate) tätig ist. Er hat an mehreren Radiobeobachtungen von Fermi-Quellen teilgenommen und leitete eine Untersuchung mit dem Robert C. Byrd Green Bank Telescope (GBT) in West Virginia, die fünf Systeme dieser Art nachwies.

Pulsare emittieren intensive Strahlung, weil ihre schnelle Rotation und ihre starken Magnetfelder Teilchen auf immense Energien beschleunigen. Ein für Astronomen aufregender Aspekt der Schwarze-Witwen- und Redback-Systeme ist die Gelegenheit, zu beobachten, wie der stellare Begleiter Energie von dem Pulsar abfängt. Als Folge dient der Stern gewissermaßen als eine Art Frisierspiegel, der die Emissionen des Pulsars in verblüffenden Einzelheiten wiedergibt.

Als Romani mit der Untersuchung einer Fermi-Quelle mit der Bezeichnung PSR J1311-3430 (kurz J1311) begann, fotografierte er das System in sichtbarem Licht. Das offenbarte einen schwachen Stern, der seine Farbe alle 90 Minuten von einem intensiven Blau (was bei Sternen heiß bedeutet) in ein dunkles Rot (was bei Sternen kühl bedeutet) veränderte. Romani schlussfolgerte daraus, dass der Stern ein sehr kompaktes Objekt umkreist und von ihm dramatisch aufgeheizt wird. Höchstwahrscheinlich handelte es sich dabei um einen Pulsar und er vermutete, dass das System ein neues Schwarze-Witwe-System repräsentierte.

Seine Messungen lassen darauf schließen, dass die dem Pulsar zugewandte Seite des Begleitsterns auf über 12.000 Grad Celsius aufgeheizt wird – das ist mehr als doppelt so heiß wie die Sonnenoberfläche. Die kühlere, rote Seite offenbart die wahre Farbe des kleinen Sterns, welcher bei einer Temperatur von 2.700 Grad Celsius leuchtet – das ist etwa die Hälfte der solaren Oberflächentemperatur oder weniger.

Einfache Modelle für andere Schwarze-Witwe-Systeme besagen, dass der „Schneidbrenner“ des Pulsars seinen Partner gleichförmig aufheizt. Auf J1311 angewandt, sprechen sie für eine sehr große Masse des Neutronensterns. Weitere Beobachtungen mit dem Gemini Telescope in Chile und dem Keck Telescope auf Hawaii aus dem Jahr 2013 zeigen jedoch spektakuläre Ausbrüche auf dem Begleitstern, was auf eine veränderliche und nicht gleichförmige Aufheizung hinweist. Das erlaubt eine etwas kleiner Masse des Pulsars bis runter auf etwa die doppelte Sonnenmasse. Im Hinblick dieser Anpassung ergibt sich für den stellaren Begleiter eine Masse zwischen zwölf und 17 Jupitermassen.

Eine Suche in archivierten Beobachtungsdaten des Green Bank Telescope förderte keine Radiopulse zutage. Aber Holger Pletsch vom Albert-Einstein-Institut in Hannover (Deutschland) leitete die Bemühungen eines internationalen Teams, vier Beobachtungsjahre an Fermi-Daten zu durchkämmen, um nach Gammastrahlungspulsen zu suchen. Die von Romanis Arbeit gelieferten Informationen über die Umlaufbahn grenzten die Suche entscheidend ein, aber die unbekannten Parameter des Pulsars ließen noch 100 Millionen Milliarden Kombinationen übrig. Trotzdem registrierten sie mit einer neuen, effizienteren Methode kurz nach Beginn der Analyse ein deutliches Signal.

„Das war das erste Mal, dass ein Millisekundenpulsar ausschließlich durch Gammastrahlenpulse registriert wurde“, sagte Pletsch. „Dieses Signal zu sehen, war extrem aufregend und zufriedenstellend für unser Team und es ist ein weiterer Triumph für das Fermi Gamma-ray Space Telescope.“ Mit 390 Umdrehungen pro Sekunde – das sind mehr als 23.000 Umdrehungen pro Minute – rotiert J1311 durchschnittlich etwa eine Million Mal zwischen zwei Gammastrahlenpulsen, die vom Large Area Telescope registriert wurden.

Nach dieser Entdeckung warf ein Team unter der Leitung von Paul Ray vom Naval Research Laboratory in Washington mit dem Green Bank Telescope und anderen Radioobservatorien einen ausführlichen Blick auf das System. Die Forscher stellten fest, dass das System tatsächlich Radiopulse emittiert, aber nur während kurzer, unregelmäßiger Intervalle. „Die Aufheizung durch den Pulsar erodiert seinen Begleiter und bläst ihn wortwörtlich fort, so dass ionisiertes Gas das System einhüllt. Das Gas streut oder absorbiert die Radioemissionen die meiste Zeit“, sagte Ray. Energiereichere Gammastrahlen durchdringen den Schleier dagegen leicht.

Schwarze-Witwen-Systeme und Redback-Systeme sind einzigartige, natürliche Laboratorien zur Untersuchung von Pulsaren mittels der zerstörerischen Auswirkungen auf ihre stellaren Begleiter, die durch die Gezeitenkräfte des Neutronensterns deformiert und durch dessen Gammastrahlen aufgeheizt werden. Sie werden von Teilchen getroffen, die fast bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt wurden und verdampfen schließlich in einem Auseinanderbrechen gigantischen Ausmaßes.

Quelle: http://www.nasa.gov/content/goddard/with-a-deadly-embrace-spidery-pulsars-consume-their-mates/index.html

(THK)

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