Grönland: Geologen entdecken 2,7 Millionen Jahre alte Landschaft unter dem Eisschild

Eislandschaft in Grönland. Unter dem Eisschild haben Forscher Belege für eine urzeitliche Tundralandschaft gefunden. (Joshua Brown, University of Vermont)
Eislandschaft in Grönland. Unter dem Eisschild haben Forscher Belege für eine urzeitliche Tundralandschaft gefunden. (Joshua Brown, University of Vermont)

Gletscher und Eisschilde werden häufig mit Bandschleifmaschinen verglichen: Während sie sich über das Land bewegen, schleifen sie alles ab – Vegetation, Erdboden und sogar die oberste Schicht des Grundgesteins. Daher war ein Team aus Forschern von verschiedenen Universitäten und einem NASA-Kollegen sehr überrascht, eine urzeitliche Tundralandschaft unter dem Grönländischen Eisschild zu entdecken, unter mehr als drei Kilometer dickem Eis.

„Wir fanden organische Erde, die 2,7 Millionen Jahre lang an der Unterseite des Eisschildes festgefroren war“, sagte der Geologe Paul Bierman von der University of Vermont, der leitende Autor der Abhandlung. Die Entdeckung liefert überzeugende Belege dafür, dass der Grönländische Eisschild viel länger bestand als bislang gedacht und viele vergangene Perioden der globalen Erwärmung überdauerte. Das Team berichtete am 17. April 2014 im Journal Science über seine Entdeckung.

Grönland ist für Wissenschaftler und politische Entscheidungsträger ein Ort von großem Interesse, weil die zukünftige Stabilität seines ausgedehnten Eisschildes (von der Größe Alaskas) fundamentalen Einfluss darauf haben wird, wie schnell und hoch der globale Meeresspiegel aufgrund des anthropogenen Klimawandels steigen wird. Der urzeitliche Erdboden unter dem Grönländischen Eisschild hilft dabei, ein wichtiges Geheimnis zu enträtseln, das den Klimawandel umgibt“, sagte Dylan Rood vom Scottish Universities Environmental Research Center und der University of California in Santa Barbara, ein Co-Autor der neuen Studie. „Wie schmolzen und wuchsen große Eisschilde als Reaktion auf Temperaturveränderungen?“

Die neue Entdeckung spricht dafür, dass das Zentrum Grönlands sogar während der wärmsten Perioden seit Bildung des Eisschildes stabil blieb. „Es ist wahrscheinlich, dass es zu keiner Zeit vollständig abgeschmolzen war“, sagte Bierman. Das erlaubte einer Tundralandschaft, für Jahrmillionen globaler Erwärmung und Abkühlung abgeschlossen und unverändert unter dem Eis zu bleiben.

„Manche Eisschild-Modelle sagen voraus, dass der Grönländische Eisschild während vorheriger Warmzeiten vollständig abschmolz. Diese Daten lassen darauf schließen, dass dies nicht geschah“, sagte Tom Neumann, ein Kryosphärenforscher am Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland) und Co-Autor der Abhandlung. „Wir wissen nicht, wie viel von dem Eisschild übrig blieb. Um das zu schätzen, müssten wir andere Eisbohrkerne in Grönland mit Sedimenten im Boden untersuchen, um zu sehen, ob auch an den anderen Orten urzeitlicher Erdboden konserviert wurde.“

Die Wissenschaftler überprüften 17 Proben „schmutziges Eis“ – Eis mit darin enthaltenen Sedimenten – aus den untersten zwölf Metern des drei Kilometer langen GISP2-Eisbohrkerns, der 1993 in Summit (Grönland) entnommen wurde. Aus diesen Sedimenten extrahierten Bierman und ein Team des Cosmogenic Nuclide Laboratory der University of Vermont eine seltene Form des Elements Beryllium: ein Isotop namens Beryllium-10. Es entsteht durch kosmische Strahlen, fällt aus der Atmosphäre auf die Oberfläche und bindet sich an Gestein und Erde. Je länger die Erde an der Oberfläche bloßliegt, desto mehr Beryllium-10 lagert sich an. Die Messung, wie viel Beryllium-10 in Erde oder in einem Stein vorhanden ist, gibt den Geologen eine Art Bloßlegungsuhr.

Die Forscher gingen davon aus, in den Sedimenten aus dem Boden des Eisbohrkerns nur Erde zu finden, die von dem Grundgestein wegerodiert wurde. Aber der Schlamm, den sie fanden, besaß hohe Konzentrationen von Beryllium-10, als das Team ihn mit einem Teilchenbeschleuniger am Lawrence Livermore National Laboratory in Livermore (Kalifornien) untersuchte.

„Global betrachtet, finden wir diese Beryllium-Konzentrationen nur in Böden, die sich über hunderttausende bis Millionen Jahre entwickelt haben“, sagte Co-Autor Joseph Graly, der die Beryllium-Daten analysierte, als er an der University of Vermont in Burlington tätig war. Die neue Forschungsarbeit, von der National Science Foundation mit finanziellen Mitteln unterstützt, zeigt, dass der Boden stabil war und zwischen 200.000 und eine Million Jahre lang bloßlag, bevor er von Eis bedeckt wurde.

Ein Teil des GISP2-Eisbohrkerns kurz vor der Beryllium-Analyse. (Paul Bierman, University of Vermont)
Ein Teil des GISP2-Eisbohrkerns kurz vor der Beryllium-Analyse. (Paul Bierman, University of Vermont)

Um bei der Interpretation dieser unerwarteten Ergebnisse zu helfen, maß das Team ebenfalls Stickstoff und Kohlenstoff, welcher von Pflanzenmaterial in den Bohrproben zurückgelassen worden sein könnten. „Die Tatsache, dass messbare Mengen organischen Materials in dem Eisschlamm gefunden wurden, deutet darauf hin, dass Erde unter dem Eis vorhanden gewesen sein muss“, sagte der Co-Autor Andrea Lini von der University of Vermont. Die Zusammensetzung des Materials sprach dafür, dass die vorgletscherliche Landschaft eine teilweise bewaldete Tundra gewesen sein könnte.“

„Grönland war wirklich grün. Allerdings war das vor Millionen Jahren“, sagte Rood. „Bevor Grönland von dem zweitgrößten Eiskörper der Welt bedeckt wurde, sah es wie die grüne Tundra Alaskas aus.“ Um ihre Ergebnisse hinsichtlich dieser urzeitlichen Landschaft zu bestätigen, bestimmten die Forscher auch die Beryllium-Konzentrationen in einem heutigen Permafrost-Tundraboden am North Slope in Alaska. Sie stellten fest, dass die Werte sehr ähnlich waren.

Mit einem Auge auf ein besseres Verständnis seines zukünftigen Verhaltens blickend, suchen viele Geologen nach einer langfristigen Aufzeichnung der Geschichte des Grönländischen Eisschildes. Dazu gehören Informationen darüber, wie es sich bewegt und wie es die Landschaft unter ihm gestaltet hat. Seine 1,7 Millionen Quadratkilometer Eis enthalten – wenn vollständig geschmolzen – genug Wasser, um den globalen Meeresspiegel sieben Meter ansteigen zu lassen. „Trotzdem haben wir sehr wenig Informationen darüber, was im Hinblick auf Erosion und Landschaftsgestaltung unter dem Eisschild geschieht“, sagte Co-Autor Lee Corbett, ein Doktorand der University of Vermont, der die Proben für die Analyse vorbereitete.

Was aufgrund der Häufigkeit der weltweiten Belege jedoch klar ist, ist dass die globalen Temperaturen auf dem Weg sind „viel wärmer als die wärmsten Warmzeiten seit Millionen Jahren zu werden“, sagte Bierman. „Es gibt 2,7 Millionen Jahre alte Erde unter Grönland. Der Eisschild über ihr ist nicht verschwunden, seit die Menschen als Spezies entstanden. Aber wenn wir unseren jetzigen Kurs beibehalten, wird der Eisschild nicht überdauern. Und wenn er erst einmal verschwunden ist, ist es sehr schwer, ihn zurückzuholen.“

Quelle: http://www.nasa.gov/content/goddard/researchers-find-3-million-year-old-landscape-beneath-greenland-ice-sheet/index.html

(THK)

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