Astronomen haben eine neue Bildverarbeitungstechnik angewandt, um nahinfrarote Streulichtbilder von fünf Staubscheiben zu erstellen, die um junge Sterne beobachtet wurden. Die Aufnahmen stammen vom Hubble Space Telescope und sind in der Datenbank des Mikulski Archive for Space Telescopes gespeichert. Die Scheiben bergen verräterische Hinweise auf neu entstandene Planeten.
Wenn Astronomen bei ihrer Datenüberprüfung zunächst etwas übersehen, können sie neue Entdeckungen machen, indem sie frühere Daten nochmals mit neuen Bildverarbeitungstechniken sichten. Möglich ist das dank der Fülle von Informationen, die im Hubble-Datenarchiv gespeichert sind. Genau das taten Rémi Soummer vom Space Telescope Science Institute (STScI) in Baltimore (Maryland) und sein Team kürzlich, als sie auf der Jagd nach verborgenen Hubble-Schätzen waren.
Die betreffenden Sterne wurden ursprünglich mit dem Near Infrared Camera and Multi-Object Spectrometer (NICMOS) an Bord des Hubble-Teleskops anvisiert, weil das Spitzer Space Telescope und der 1983 aktive Infrared Astronomical Satellite ungewöhnliche Wärmesignaturen von ihnen empfangen hatten. Die vorherigen Daten lieferten interessante Anhaltspunkte dafür, dass um diese Sterne Staubscheiben existieren könnten. Kleine Staubteilchen in den Scheiben können das Licht streuen und die Scheiben dadurch sichtbar machen. Aber als Hubble die Sterne zwischen 1999 und 2006 erstmals beobachtete, wurden auf den NICMOS-Aufnahmen keine Scheiben entdeckt.
Mit Verbesserungen in der Bildverarbeitung, darunter Algorithmen für Gesichtserkennungs-Software, analysierten Soummer und sein Team die archivierten Bilder erneut. Diesmal konnten sie zweifelsfrei die Scheiben erkennen und sogar ihre Formen bestimmen.
Das NICMOS-Instrument, welches mit der Datensammlung 1997 begann, war so modern, dass bodenbasierte Technologien erst jetzt anfangen, seine Leistungsfähigkeit zu erreichen. Weil Hubble seit fast 24 Jahren in Betrieb ist, stellt es eine umfassende Basis für hochqualitative Archivbeobachtungen zur Verfügung. „Mit den neuen Technologien in der Bildverarbeitung können wir jetzt zurück in das Archiv gehen und mit den NICMOS-Daten präzisere Untersuchungen durchführen, als es vorher möglich war“, sagte Dean Hines vom STScI.
„Diese Ergebnisse erhöhen die Anzahl der Scheiben, welche in Streulicht beobachtet wurden, von 18 auf 23. Indem Hubble die bekannte Population deutlich erweitert und die Formenvielfalt dieser neuen Scheiben zeigt, kann es Astronomen dabei helfen, mehr darüber zu erfahren, wie Planetensysteme entstehen und sich entwickeln“, sagte Soummer.
Der Staub in den Scheiben wird vermutlich durch Kollisionen zwischen kleinen planetaren Körpern produziert, beispielsweise Asteroiden. Die Scheiben bestehen aus Staubteilchen, die durch diese zermahlenden Kollisionen gebildet wurden. Die kleinsten Teilchen werden durch den Strahlungsdruck des Sterns stetig nach außen geblasen. Das bedeutet, sie müssen durch weitere Kollisionen ständig ersetzt werden. Dieses „Autoscooter“-Spiel war im Sonnensystem vor 4,5 Milliarden Jahren alltäglich. Der Erdmond und das Satellitensystem Plutos werden als die Nebenprodukte solcher Kollisionen betrachtet.
„Ein besonders interessanter Stern ist HD 141943“, sagte Christine Chen, Expertin für planetare Scheiben und Mitglied des Teams. „Er ist ein exakter Zwilling unserer Sonne aus der Zeit, als die terrestrischen Planeten in unserem eigenen Sonnensystem entstanden.“ Hubble entdeckte, dass der Stern eine asymmetrische Scheibe besitzt – von der Erde aus blickt man auf deren Rand. Diese Asymmetrie könnte ein Beleg dafür sein, dass die Scheibe durch die gravitativen Einflüsse von einem oder mehr unentdeckten Planeten geformt wird. „Diese Scheiben jetzt sehen zu können, hat uns auch weitere Beobachtungen planen lassen, um sie mit anderen Hubble-Instrumenten und großen Teleskopen auf der Erde noch genauer zu untersuchen“, ergänzte Marshall Perrin vom STScI.
„Wir arbeiten auch daran, dieselben Techniken als eine Standardverarbeitungsmethode beim kommenden James Webb Space Telescope der NASA zu implementieren“, sagte das Teammitglied Laurent Pueyo vom STScI. „Diese Scheiben werden auch Hauptziele für das James Webb Space Telescope sein.“ Soummers Team hat seine Arbeit gerade erst aufgenommen. Als nächstes werden die Wissenschaftler in den Scheiben nach Strukturen suchen, die auf die Anwesenheit von Planeten hindeuten.
Das Hubble Space Telescope ist ein Projekt internationaler Zusammenarbeit zwischen der NASA und der European Space Agency (ESA). Das Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland) betreibt das Teleskop. Das STScI in Baltimore führt die wissenschaftlichen Operationen Hubbles durch. Das STScI wird von der Association of Universities for Research in Astronomy, Inc. in Washington für die NASA betrieben.
(THK)
Antworten