WISE-Daten zweifeln „Donut“-Theorie über Schwarze Löcher an

Aktive supermassive Schwarze Löcher in den Zentren von Galaxien lassen sich in zwei Kategorien einteilen: Entblößte Schwarze Löcher und diejenigen, die hinter dichtem Staub verborgen sind. (NASA / JPL-Caltech)
Aktive supermassive Schwarze Löcher in den Zentren von Galaxien lassen sich in zwei Kategorien einteilen: Entblößte Schwarze Löcher und diejenigen, die hinter dichtem Staub verborgen sind. (NASA / JPL-Caltech)

Durch die Untersuchung von mehr als 170.000 supermassiven Schwarzen Löchern mit dem Wide-field Infrared Survey Explorer (WISE) der NASA haben Astronomen eine Jahrzehnte alte Theorie über das veränderliche Erscheinungsbild dieser Objekte nochmals überprüft. Die vereinigte Theorie der aktiven supermassiven Schwarzen Löcher, zuerst in den späten 1970er Jahren entwickelt, wurde erdacht, um zu erklären, warum Schwarze Löcher, die sich im Grunde ähneln, völlig unterschiedlich aussehen können. Manche scheinen in Staub eingehüllt zu sein, während andere freiliegen und leicht zu beobachten sind.

Das vereinigte Modell beantwortet die Frage, indem es besagt, dass jedes Schwarze Loch von einer staubhaltigen, donutförmigen Struktur umgeben ist, die als Torus bezeichnet wird. Abhängig davon, wie diese „Donuts“ im Raum ausgerichtet sind, werden die Schwarzen Löcher verschiedene Erscheinungsbilder zeigen. Wenn der Donut beispielsweise so positioniert ist, dass wir auf seine Kante blicken, dann bleibt das Schwarze Loch verborgen. Wenn der Donut frontal von oben oder von unten beobachtet wird, ist das Schwarze Loch deutlich erkennbar. (Anm. d. Red.: Bei Beobachtungen von Schwarzen Löchern bleiben die Objekte selbst unsichtbar, da sie sogar das Licht nicht entkommen lassen. Die Beobachtungen stützen sich auf die Interaktionen der Schwarzen Löcher mit ihren Umgebungen, zum Beispiel mit heißen Akkretionsscheiben.)

Die neuen WISE-Ergebnisse erhärten diese Theorie jedoch nicht. Die Forscher fanden Belege dafür, dass etwas anderes als eine Donutstruktur unter gewissen Umständen bestimmen könnte, ob ein Schwarzes Loch beobachtbar oder verborgen ist. Das Team hat noch nicht festgestellt, um was es sich dabei handeln könnte, aber die Ergebnisse sprechen dafür, dass das vereinigte „Donutmodell“ nicht alle Antworten bereithält.

„Unsere Entdeckung zeigte ein neues Merkmal von aktiven Schwarzen Löchern, das wir nie zuvor bemerkt hatten – trotzdem bleiben die Details ein Rätsel“, sagte Lin Yan vom Infrared Processing and Analysis Center (IPAC) der NASA am California Institute of Technology in Pasadena. „Wir hoffen, unsere Arbeit wird zukünftige Studien inspirieren, um diese faszinierenden Objekte besser zu verstehen.“

Yan ist Zweitautor der Arbeit, die zur Veröffentlichung im Astrophysical Journal freigegeben wurde. Der leitende Autor ist der Doktorand Emilio Donoso, der zusammen mit Yan am IPAC arbeitete und dann an das Instituto Ciencias Astronómicas de la Tierra y del Espacio in Argentinien ging. Weitere Co-Autoren der Arbeit war Daniel Stern vom Jet Propulsion Laboratory der NASA in Pasadena (Kalifornien) und Roberto Assef von der Universidad Diego Portales in Chile, ehemals am JPL tätig.

Jede Galaxie besitzt ein massereiches Schwarzes Loch in ihrem Zentrum. Die neue Studie konzentriert sich auf diejenigen, die sich „nähren“ – aktive supermassive Schwarze Löcher oder aktive galaktische Kerne (active galactic nuclei, AGN) genannt. Diese Schwarzen Löcher ernähren sich von umgebender gasförmiger Materie, die ihr Wachstum fördert. Mit der Hilfe von Computern waren Wissenschaftler in der Lage, mehr als 170.000 aktive supermassive Schwarze Löcher aus den WISE-Daten auszusortieren. Dann maßen sie die Häufung der Galaxien, die sowohl verborgene als auch freiliegende Schwarze Löcher enthielten. Das ist der Häufungsgrad, mit dem sich Objekte am Himmel zusammenfinden.

Wenn das vereinigte Modell korrekt wäre und die verborgenen Schwarzen Löcher nur durch „Donuts“ in der Kantenstellung blockiert wären, dann würden die Forscher erwarten, dass sie sich in derselben Art und Weise häufen wie die freiliegenden Schwarzen Löcher. Der Theorie zufolge sollten die Schwarzen Löcher ebenfalls zufällig verteilt sein, weil die Donutstrukturen zufällige Ausrichtungen einnehmen würden. Es ist so, als würde man einen Haufen Donuts mit Zuckerglasur in die Luft werfen: Ungefähr der gleiche Prozentsatz der Donuts wird immer in den Kanten- und Frontalstellungen ausgerichtet sein, egal ob sie eng zusammengeballt oder ob sie weit verteilt sind.

Aber WISE fand etwas vollkommen Unerwartetes. Die Ergebnisse zeigten, dass die Galaxien mit verborgenen Schwarzen Löchern stärker zusammengehäuft waren als die Galaxien mit freiliegenden Schwarzen Löchern. Wenn diese Ergebnisse bestätigt werden, werden Wissenschaftler das vereinigte Modell anpassen und neue Möglichkeiten entwickeln müssen, um zu erklären, warum manche Schwarzen Löcher verborgen zu sein scheinen. „Der Hauptzweck des vereinigten Modells war es, eine Vielzahl unterschiedlicher Arten von aktiven Kernen unter einen Hut zu bringen“, sagte Donoso. „Das ist jetzt viel komplexer geworden, wenn wir die WISE-Daten genauer ansehen.“

Eine andere Möglichkeit, um die WISE-Ergebnisse zu verstehen, bezieht Dunkle Materie mit ein. Dunkle Materie ist eine unsichtbare Substanz, welche die Materie im Universum dominiert und die gewöhnliche Materie, aus der Menschen, Planeten und Sterne bestehen, überwiegt. Jede Galaxie befindet sich im Zentrum eines Halos aus Dunkler Materie. Größere Halos besitzen eine stärkere Gravitation und ziehen andere Galaxien daher in ihre Richtung.

Weil WISE festgestellt hat, dass verborgene Schwarze Löcher stärker gehäuft auftreten als die anderen, wissen die Forscher, dass diese versteckten Schwarzen Löcher in Galaxien mit größeren Dunkle-Materie-Halos liegen. Obwohl die Halos selbst nicht für das Verbergen der Schwarzen Löcher verantwortlich sein würden, könnten sie ein Anhaltspunkt dafür sein, was sie verbirgt. „Die vereinigte Theorie wurde erdacht, um die Komplexität dessen zu erklären, was Astronomen beobachten“, sagte Stern. „Es scheint, als wäre das einfache Modell möglicherweise zu einfach gewesen. Wie Einstein sagte, sollten Modelle ’so einfach wie möglich, aber nicht einfacher‘ sein.“

Wissenschaftler verknüpfen derzeit öffentliche Daten des WISE-Teleskops, das 2011 in den Ruhezustand versetzt wurde, nachdem es den gesamten Himmel zweimal gescannt hatte. WISE wurde 2013 unter der Bezeichnung NEOWISE reaktiviert und verfolgt jetzt eine neue Mission, um potenziell bedrohliche erdnahe Objekte zu identifizieren.

Quelle: http://www.jpl.nasa.gov/news/news.php?release=2014-163

(THK)

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