Forscher präsentieren mögliche Erklärung für die Karakorum-Anomalie

Diese Aufnahme zeigt den K2, den zweithöchsten Berg der Erde (Mitte), mit dem Baltoro-Gletscher im Vordergrund. Forscher haben das Klima in der Bergregion untersucht und eine mögliche Erklärung für die Karakorum-Anomalie gefunden. (Image courtesy of Princeton University)
Diese Aufnahme zeigt den K2, den zweithöchsten Berg der Erde (Mitte), mit dem Baltoro-Gletscher im Vordergrund. Forscher haben das Klima in der Bergregion untersucht und eine mögliche Erklärung für die Karakorum-Anomalie gefunden. (Image courtesy of Princeton University)

Forscher der Princeton University und anderer Institutionen könnten auf eine Erklärung für ein Klimawandel-Rätsel gestoßen sein, das Wissenschaftlern seit Jahren Kopfzerbrechen bereitete, und das helfen könnte, die zukünftige Verfügbarkeit von Wasser für hunderte Millionen Menschen zu verstehen.

Bei dem Phänomen, das als die Karakorum-Anomalie bekannt ist, blieben die Gletscher im Karakorum-Gebirge (einem Gebiet im Himalaya) stabil und gewannen sogar an Masse, während sich viele nahe – und weltweite – Gletscher in den vergangenen 150 Jahren zurückbildeten, insbesondere in den letzten Jahrzehnten. Die Gletscher im Himalaya liefern Trinkwasser für eine dicht bevölkerte Region, zu der China, Pakistan und Indien gehören, und sie sind die Quelle des Ganges und des Indus, zwei der wichtigsten Wasserstraßen der Welt.

Obwohl es viele Versuche gab, um die Stabilität der Karakorum-Gletscher zu erklären, berichten die Forscher im Journal Nature Geoscience, dass das Eis von einem einzigartigen und lokal begrenzten saisonalen Muster erhalten wird, das die Bergkette während des Sommers relativ kalt und trocken hält. Andere Gebiete im Himalaya und das Hochland von Tibet, wo die Gletscher mit dem wärmeren Erdklima stärker zurückgewichen sind, erhalten den Großteil ihres Niederschlags von schweren Sommermonsunen aus den heißen, südlichen und südöstlichen Nationen Asiens, beispielsweise Indien. Die Hauptniederschlagszeit im Karakorum fällt allerdings in den Winter und wird von kalten Winden beeinflusst, die aus zentralasiatischen Ländern wie Afghanistan im Westen kommen. Gleichzeitig blockiert das Hauptgebirge im Himalaya die wärmere Luft aus dem Südosten das ganze Jahr über.

Die Forscher stellten fest, dass der Schneefall im Karakorum, der für die Erhaltung der Gletschermasse entscheidend ist, bis mindestens ins Jahr 2100 stabil bleiben und in Höhen über 4.500 Metern sogar zunehmen wird. Andererseits geht man davon aus, dass der Schneefall über einem Großteil des Himalaya und Tibet abnehmen wird, auch wenn die indischen und südostasiatischen Monsune wegen des Klimawandels stärker werden.

Die Erstautorin Sarah Kapnick ist eine Postdoktorandin des Program in Atmospheric and Oceanic Sciences der Princeton University. Sie sagte, dass ein Mangel an verlässlichen Beobachtungsdaten und die Verwendung von Computermodellen mit geringer Auflösung die Feinheiten des saisonalen Kreislaufs im Karakorum verdeckt und Wissenschaftler daran gehindert hatten, die Ursachen der Anomalie zu entschlüsseln.

Kapnick zufolge ist das Problem bei den Modellen, dass der Karakorum dramatische Höhenveränderungen in einem kleinen Gebiet aufweist. Das Gebirge umfasst vier Berge, die mehr als 8.000 Meter hoch sind, darunter der K2 (der zweithöchste Berg der Erde) und zahlreiche Gipfel, die 7.000 Meter übertreffen. Alle liegen in einem Gebiet von etwa 500 Kilometern Länge.

Kapnick und ihre Kollegen überwanden dieses Hindernis mit einem hochaufgelösten Computermodell, das den Karakorum in 50 Kilometer lange Stücke aufteilte, wodurch die scharfen Höhenveränderungen besser dargestellt wurden.

In ihrer Studie verglichen die Forscher ihr Modell mit Klimamodellen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) der Vereinten Nationen, die eine durchschnittliche Auflösung von 210-Kilometer-Quadraten besitzen. In dieser Größenordnung wird der Karakorum auf eine durchschnittliche Höhe reduziert, die zu klein ist. Das resultiert in Temperaturen, die zu warm sind, um ausreichenden Schneefall im Laufe eines Jahres zu erhalten, und die zu empfindlich gegenüber zukünftigen Temperaturanstiegen sind.

In den IPCC-Modellen würde es so aussehen, dass die Gletscher des Karakorum aufgrund des geringeren Schneefalls durch den Klimawandel gefährdet sind, sagte Kapnick. Seit dem letzten Hauptbericht des IPCC im Jahr 2007 war diese Region Gegenstand großer Kontroversen, da das IPCC fälschlicherweise berichtete, dass die Gletscher des Himalaya wahrscheinlich bis 2035 dem Klimawandel zum Opfer fallen würden. Jüngere Abhandlungen, die auf aktuellen IPCC-Modellen basieren, haben ähnliche Schneefallrückgänge in dieser Region vorausgesagt, weil die Modelle die Topografie des Karakorum nicht exakt wiedergeben.

„Die bessere Auflösung erlaubte uns zu erforschen, was in diesen höheren Lagen geschieht, und zwar auf eine Weise, die bisher nicht möglich war“, sagte Kapnick. „Etwas, das Klimawissenschaftler immer berücksichtigen müssen ist, dass Modelle für bestimmte Fragen nützlich und für andere Fragen nicht notwendig sind. Obwohl die IPCC-Modelle für andere Regionen der Erde besonders nützlich sein können, benötigt man für dieses Gebiet eine bessere Auflösung.“

Jeff Dozier, ein Professor für Schneehydrologie, Geowissenschaften und Fernerkundung an der University of California in Santa Barbara, sagte, dass die Forschungsarbeit existierende Defizite angehe, wie Bergklimata modelliert und vorhergesagt werden – vor allem in besonders steilen und kompakten Gebieten. Dozier, der nicht an der Arbeit beteiligt war, führte einen Teil seiner Forschung im Hindukusch westlich des Karakorum durch.

Entscheidende Informationen über die Wasserverfügbarkeit gehen laut Dozier in Computermodellen, Beobachtungsdaten und anderen Hilfsmitteln oft verloren, da sie Gebiete wie den Karakorum nicht genau genug darstellen. Beispielsweise war eine gravierende Trockenheit in Nordafghanistan 2011 eine Überraschung, teilweise wegen fehlerhafter Abflussvorhersagen basierend auf mangelhaften Modellen und Oberflächendaten. Das hochaufgelöste Modell, das Kapnick und ihre Kollegen für den Karakorum entwickelt haben, löse möglicherweise viele der Modellierungsprobleme hinsichtlich der Bergregionen mit vergleichbarer Landschaft, sagte er.

„Die Karakorum-Anomalie war ein Rätsel und diese Abhandlung liefert eine glaubhafte Erklärung“, sagte Dozier. „Das Klima in den Bergen wird offensichtlich stark von der Höhe beeinflusst, aber die meisten globalen Klimamodelle lösen die Topografie nicht genau genug auf. Deswegen ist das hochauflösende Modell zweckmäßig. Weltweit bekommen etwa eine Milliarde Menschen ihr Wasser aus schmelzendem Schnee und viele dieser Menschen erhalten es aus den Gebirgsregionen Asiens.“

Die Wissenschafler nutzen das hochaufgelöste, globale Klimamodell GFDL-CM2.5 am Geophysical Fluid Dynamics Laboratory (GFDL), das auf dem Forrestal Campus der Princeton University liegt und von der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) geleitet wird. Die Forscher simulierten das globale Klima – mit Fokus auf dem Karakorum – basierend auf Beobachtungsdaten von 1861 bis 2005 und auf IPCC-Treibhausgasvorhersagen für 2006 bis 2100. Die Daten werden im Fifth Assessment Report des IPCC enthalten sein, dessen Veröffentlichung für November 2014 vorgesehen ist.

Die Auflösung von 50 Kilometern offenbarte Bedingungen im Karakorum auf einer monatlichen Datenbasis. Dadurch konnten Kapnick und ihre Kollegen verfolgen, dass die Monsunmonate im Karakorum nicht nur durch starke Niederschläge gekennzeichnet sind, sondern auch schwache Westwinde umfassen, welche die Bedingungen in der Bergregion kalt genug halten, damit es fast das ganze Jahr über schneien kann.

„Es gibt Niederschlag während des Sommers, er dominiert nur nicht den jährlichen Kreislauf. Diese Region liegt zwar auf der gleichen Höhe wie der Rest des Himalaya, aber sie ist kälter“, sagte Kapnick. „Das hochaufgelöste Modell zeigt uns, dass die Dinge im Verlauf der Jahreszeiten nicht perfekt ablaufen. Man kann statistische Variationen in einem Monat haben, aber nicht im nächsten“, fuhr sie fort. „Das erlaubt uns, die entscheidenden Veränderungen von einem Monat zum nächsten zusammenzufügen.“

Obwohl die Forscher zeigen, dass der Karakorum bis ins Jahr 2100 einen stabilen und vielleicht ansteigenden Schneefall verzeichnen wird, ist mehr Modellierungsarbeit erforderlich, um zu verstehen, wie sich die existierenden Gletscher als Reaktion auf Schmelzprozesse, Erdrutsche und andere Faktoren verändern könnten. „Unsere Arbeit ist ein wichtiger Beitrag, um die Karakorum-Anomalie zu verstehen“, sagte Kapnick. „Aber das Gleichgewicht zwischen dem, was von den Gletschern kommt und dem, was sie erhalten, betrifft auch unser Wissen darüber, wie sich die Gletscher in Zukunft verändern werden.“

Kapnick erhielt ihren Bachelor in Mathematik im Jahr 2004 an der Princeton University. Sie arbeitete mit Thomas Delworth (NOAA-Forscher und Dozent für Geowissenschaften und Atmosphären- und Meereswissenschaften), Moestasim Ashfaq (Oak Ridge National Laboratory Climate Change Science Institute), Sergey Malyshev, (Klimamodellersteller am Department of Ecology and Evolutionary Biology der Princeton University) und P.C.D. „Chris“ Milly (Hydrologe des U.S. Geological Survey am GFDL) zusammen. Milly machte seinen Bachelor in Ingenieurswesen 1978 an der Princeton University.

Die Abhandlung „Snowfall less sensitive to warming in Karakoram than in Himalayas due to a unique seasonal cycle“ wurde am 12. Oktober online (vor der Printausgabe) in Nature Geoscience veröffentlicht.

Quelle: http://www.princeton.edu/main/news/archive/S41/39/84Q12/index.xml

(THK)

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