Turbulenzen – dasselbe Phänomen, das einen holperigen Flug mit dem Flugzeug verursacht, könnte die Lösung für ein lange bestehendes Rätsel über die Sternentstehung oder deren Fehlen sein. Zu diesem Ergebnis kam eine neue Studie unter Verwendung von Daten des Chandra X-ray Observatory.
Galaxienhaufen sind die größten Objekte im Universum, die durch ihre Gravitation zusammengehalten werden. Diese Monster enthalten hunderte oder tausende einzelner Galaxien, die in Gas mit Temperaturen von mehreren Millionen Grad Celsius eingebettet sind.
Dieses heiße Gas, das nach unsichtbarer Dunkler Materie den größten Anteil in den Galaxienhaufen ausmacht, leuchtet hell im Röntgenbereich, der von Chandra registriert wird. Mit der Zeit sollte sich das Gas in den Zentren dieser Galaxienhaufen ausreichend abgekühlt haben, damit intensive Sternentstehungsprozesse stattfinden können. Allerdings entspricht das nicht dem, was Astronomen in vielen Galaxienhaufen beobachtet haben.
„Wir wussten, dass das Gas in Galaxienhaufen irgendwie aufgeheizt wird, was seine Abkühlung und die Bildung neuer Sterne verhindert. Die Frage war, wie genau das geschieht“, sagte Irina Zhuravleva von der Stanford University in Palo Alto (Kalifornien). Sie leitete die Studie, die in der neuesten Onlineausgabe des Journals Nature erscheint. „Wir vermuten, wir haben Belege dafür gefunden, dass die Wärme durch turbulente Bewegungen kanalisiert wird, welche wir in den aufgezeichneten Signaturen auf Röntgenbildern identifiziert haben.“
Vorherige Studien zeigen, dass supermassive Schwarze Löcher, die in den Zentren großer Galaxien in der Mitte von Galaxienhaufen liegen, große Mengen Energie in Form von energiereichen Teilchenjets in ihre Umgebung pumpen, was Leerräume in dem heißen Gas erschafft. Chandra und andere Röntgenteleskope haben diese gigantischen Leerräume bereits zuvor nachgewiesen.
Die neue Forschungsarbeit von Zhuravleva und ihren Kollegen liefert neue Einblicke darin, wie die Energie aus diesen Leerräumen in das umgebende Gas übertragen werden kann. Die Wechselwirkungen der Leerräume mit dem Gas könnten Turbulenzen – chaotische Bewegungen – auslösen, die sich dann ausbreiten, um das Gas über Milliarden Jahre heiß zu halten.
„Jede Gasbewegung der Turbulenz wird sich letztendlich abschwächen und ihre Energie an das Gas weitergeben“, sagte der Co-Autor Eugene Churazov vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in München (Deutschland). „Aber das Gas wird sich nicht abkühlen, falls die Turbulenzen stark genug sind und oft genug erzeugt werden.“
Die Hinweise auf die Turbulenzen stammen aus Chandra-Daten über zwei riesige Galaxienhaufen, den Perseus-Galaxienhaufen und den Virgo-Galaxienhaufen. Durch die Analyse umfassender Beobachtungsdaten jedes Galaxienhaufens war das Team in der Lage, Dichtefluktuationen in dem Gas zu messen. Diese Informationen erlaubten den Wissenschaftlern, die Anzahl der Turbulenzen in dem Gas zu bestimmen.
„Unsere Arbeit gibt uns eine Schätzung darüber, wie viele Turbulenzen in diesen Galaxienhaufen erzeugt werden“, sagte Alexander Schekochihin von der University of Oxford (Großbritannien). „Ausgehend von dem, was wir bislang festgestellt haben, gibt es dort genug Turbulenzen, um die Abkühlung des Gases auszugleichen.“
Video-Link: https://youtu.be/5Xbk8sIeaG8
Videobeitrag über die Chandra-Beobachtungen des Perseus- und des Virgo-Galaxienhaufens. (NASA / CXC / A. Hobart)
Diese Ergebnisse unterstützen das „Feedback-Modell“, an dem supermassive Schwarze Löcher in den Zentren von Galaxienhaufen beteiligt sind. Das Gas kühlt sich ab und stürzt mit zunehmender Rate in Richtung des Schwarzen Lochs, wodurch das Schwarze Loch die Energieabgabe in Form seiner Jets erhöht. Die Jets erzeugen die Leerräume und produzieren die Turbulenzen in dem Gas. Diese Turbulenzen breiten sich schließlich aus und heizen das Gas auf.
Obwohl die Verschmelzung zweier Galaxienhaufen ebenfalls Turbulenzen hervorrufen könnte, denken die Forscher, dass Ausbrüche von supermassiven Schwarzen Löchern die Hauptquelle dieser kosmischen Unruhe in den dichten Zentren vieler Galaxienhaufen sind. Die Abhandlung, die die vorliegenden Ergebnisse beschreibt, ist verfügbar unter http://arxiv.org/abs/1410.6485.
Das Marshall Space Flight Center der NASA in Huntsville (Alabama) leitet das Chandra-Programm für das Science Mission Directorate in Washington. Das Smithsonian Astrophysical Observatory in Cambridge (Massachusetts) steuert Chandras Wissenschafts- und Flugoperationen.
Quelle: http://www.chandra.harvard.edu/press/14_releases/press_102714.html
(THK)
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