
Mit Daten der NASA-Mission Cassini haben Wissenschaftler beobachtet, dass sich der größte Saturnmond Titan ähnlich wie die Venus, der Mars oder ein Komet verhält, wenn er der schieren Kraft des Sonnenwinds ausgesetzt ist. Die Beobachtungen sprechen dafür, dass unmagnetisierte Himmelskörper wie Titan auf dieselbe grundlegende Art und Weise mit dem Sonnenwind interagieren könnten, ungeachtet ihrer Natur oder Entfernung von der Sonne.
Titan ist groß genug, um als Planet betrachtet zu werden, wenn er selbst die Sonne umkreisen würde. Ein Vorbeiflug der Raumsonde Cassini an dem riesigen Mond im Dezember 2013 simulierte dieses Szenario aus der Perspektive Cassinis. Die Begegnung war einmalig in Cassinis Mission, und es war das einzige Mal, dass die Raumsonde Titan in einem unberührten Zustand beobachtete, außerhalb der Region des Weltraums, die von Saturns Magnetfeld – der sogenannten Magnetosphäre – dominiert wird.
„Wir beobachteten, dass Titan ähnlich wie der Mars mit dem Sonnenwind interagiert, wenn man ihn in dessen Entfernung zur Sonne platzieren würde“, sagte Cesar Bertucci vom Institute of Astronomy and Space Physics in Buenos Aires (Argentinien). Bertucci leitete die Forschungsarbeit mit Kollegen von der Cassini-Mission. „Wir dachten, dass Titan in diesem Zustand anders aussehen würde. Wir waren wirklich überrascht“, sagte er.
Der Sonnenwind ist ein schneller Strom aus geladenen Teilchen, der kontinuierlich von der Sonne emittiert wird und die Planeten umströmt, wie ein Fluss in ihm liegende Inseln umfließt. Die Untersuchung der Auswirkungen des Sonnenwinds auf andere Planeten hilft Forschern zu verstehen, wie die Sonnenaktivität deren Atmosphären beeinflusst. Diese Auswirkungen können Veränderungen der atmosphärischen Zusammensetzung umfassen oder auch das langsame Entweichen der Atmosphäre in den Weltraum.
Titan verbringt etwa 95 Prozent seiner Zeit innerhalb der Magnetosphäre Saturns. Aber während eines Vorbeiflugs der Raumsonde Cassini am 1. Dezember 2013 befand sich der riesige Mond auf der sonnenzugewandten Seite Saturns, als ein starker Ausbruch solarer Aktivität den Planeten erreichte. Die starken Wogen des Sonnenwinds komprimierten die sonnenzugewandte Seite der Magnetosphäre Saturns derart, so dass der äußere Rand der Blase hinter die Umlaufbahn von Titan gedrückt wurde. Dadurch war der Mond dem intensiven Strom energiereicher, solarer Teilchen ungeschützt ausgesetzt.
Mit ihrem Magnetometer-Instrument, das im Prinzip mit einem extrem genauen Kompass vergleichbar ist, hatte die Cassini-Raumsonde Titan mehrmals beobachtet, allerdings immer innerhalb der Magnetosphäre Saturns. Die Raumsonde war nicht in der Lage, ein Magnetfeld bei Titan selbst nachzuweisen. In seinem gewöhnlichen Zustand ist Titan von Saturns Magnetfeld eingehüllt.
Dieses Mal war der Einfluss Saturns nicht vorhanden, was dem Cassini-Magnetometer erlaubte, Titan zu beobachten, während er direkt mit dem Sonnenwind interagierte. Die speziellen Umstände ermöglichten Bertucci und seinen Kollegen, die Schockwelle zu untersuchen, welche sich um Titan bildete, wo der Sonnenwind mit voller Wucht auf die Atmosphäre des Mondes traf.
Auf der Erde agiert das starke Magnetfeld des Planeten wie ein Schild gegen den Sonnenwind, was dabei hilft, unsere Atmosphäre vor dem Entweichen zu bewahren. Im Fall von Venus, Mars und Kometen, die nicht von einem globalen Magnetfeld geschützt werden, streicht der Wind über die Objekte selbst und interagiert direkt mit ihren Atmosphären (oder bei einem Kometen mit seiner Koma). Cassini sah das gleiche bei Titan.
Forscher nahmen an, dass sie Titans Reaktion auf den Sonnenwind mit einem speziellen Ansatz behandeln müssen, weil die Zusammensetzung der dichten Atmosphäre des dunstverhangenen Mondes hochgradig komplex ist. Aber die Cassini-Beobachtungen des „nackten“ Titan wiesen auf eine elegantere Lösung hin. „Dies könnte bedeuten, dass wir dieselben Hilfsmittel verwenden können, um zu untersuchen, wie sehr unterschiedliche Welten in verschiedenen Bereichen des Sonnensystems mit dem Sonnenwind interagieren“, sagte Bertucci. Er betonte, dass die Liste mit vergleichbaren, unmagnetisierten Himmelskörpern auch den Zwergplaneten Pluto einschließen könnte, der in diesem Jahr erstmals von der NASA-Raumsonde New Horizons besucht wird.
„Nach fast einem Jahrzehnt in der Umlaufbahn hat die Cassini-Misson einmal mehr offenbart, dass das Saturnsystem voller Überraschungen steckt“, sagte Michele Doughety vom Imperial College London, der leitende Wissenschaftler des Cassini-Magnetometers. „Nach mehr als hundert Vorbeiflügen ist uns Titan endlich draußen im Sonnenwind begegnet, wodurch wir besser verstehen können, wie solche Monde ihre Atmosphären erhalten oder verlieren.“ Die neue Forschungsarbeit wurde am 28. Januar 2015 im Journal Geophysical Review Letters veröffentlicht.
Die Cassini-Huygens-Mission ist ein Gemeinschaftsprojekt der NASA, der European Space Agency (ESA) und der Italian Space Agency. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA, eine Abteilung des California Institute of Technology in Pasadena, leitet die Mission für das Science Mission Directorate in Washington, D.C. Das JPL entwarf, entwickelte und konstruierte den Cassini-Orbiter. Das Magnetometer-Team hat seinen Sitz am Imperial College London (Großbritannien).
Quelle: http://www.jpl.nasa.gov/news/news.php?feature=4460
(THK)
Antworten