
Wissenschaftler haben einen starken Wind, der nahe eines galaktischen Schwarzen Lochs erzeugt wird, mit einem nach außen strömenden, 1.000 Lichtjahre großen Schwall kalten Gases in Zusammenhang gebracht. Dies gelang durch kombinierte Beobachtungen des japanischen Röntgensatelliten Suzaku und des Infrarotobservatoriums Herschel der European Space Agency (ESA). Das Ergebnis bestätigt einen lange vermuteten Feedback-Mechanismus, der es einem supermassiven Schwarzen Loch erlaubt, die Entwicklung seiner Heimatgalaxie zu beeinflussen.
„Dies ist die erste Studie, die ein aktiv Materie ansammelndes Schwarzes Loch in einer Galaxie direkt mit Strukturen in viel größeren physikalischen Maßstäben verbindet“, sagte der leitende Wissenschaftler Francesco Tombesi. Tombesi ist Astrophysiker am Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland) und an der University of Maryland in College Park (UMCP). „Wir registrieren den Wind aus der hellen Gasscheibe, die sehr nah an dem Schwarzen Loch liegt, und wir zeigen, dass er dafür verantwortlich ist, sternbildendes Gas aus den Zentralregionen der Galaxie herauszublasen.“ Sternentstehungsprozesse finden in kalten, dichten Molekülwolken statt. Durch die Aufheizung und Zerstreuung des Gases, das eines Tages Sterne hervorbringen könnte, verändert der Wind des Schwarzen Lochs einen Großteil seiner Galaxie für immer.
In einer Studie, die am 26. März 2015 im Journal Nature veröffentlicht wurde, berichten Tombesi und sein Team über den Zusammenhang in einer Galaxie mit der Bezeichnung IRAS F11119+3257 oder kurz F11119. Die Galaxie ist so weit entfernt, dass ihr Licht 2,3 Milliarden Jahre lang zu uns unterwegs war – das entspricht dem halben aktuellen Alter unseres Sonnensystems.
Wie die meisten Galaxien – unsere eigene Milchstraßen-Galaxie eingeschlossen – enthält F11119 ein supermassives Schwarzes Loch. Das Exemplar in F11119 wird auf etwa 16 Millionen Sonnenmassen geschätzt. Die Aktivität des Schwarzen Lochs wird von einer rotierenden Ansammlung aus Gas versorgt, einer sogenannten Akkretionsscheibe, die hunderte Male größer als unser Sonnensystem ist. In nächster Nähe zu dem Schwarzen Loch erreicht die umkreisende Materie Temperaturen von Millionen Grad und ist größtenteils für den enormen Energieausstoß der Galaxie verantwortlich, der den der Sonne um mehr als das Billionenfache übersteigt. Die Galaxie ist stark von Staub verdeckt, deshalb erreicht uns der Großteil dieser Emissionen in der Form infraroten Lichts.
Die neuen Ergebnisse lösen ein lange bestehendes Rätsel: Galaxien zeigen einen Zusammenhang zwischen der Masse ihrer zentralen Schwarzen Löcher und stellaren Eigenschaften in einer deutlich größeren Region, die als zentrale Ausbuchtung („Bulge“) bezeichnet wird. Die Galaxien mit schwereren Schwarzen Löchern besitzen normalerweise Ausbuchtungen mit einer proportional größeren Masse und sich schneller bewegenden Sternen.
Schwarze Löcher wachsen auf die gleiche Weise wie ihre Heimatgalaxien – durch Kollisionen und Verschmelzungen mit ihren Nachbarn. Aber Verschmelzungen stören Galaxien, was zu stark vermehrter Sternentstehung führt und eine Flut von Gas in Richtung des verschmolzenen Schwarzen Lochs schickt. Der Prozess sollte jeden einfachen Zusammenhang zwischen dem Wachstum des Schwarzen Lochs und der Entwicklung seiner Heimatgalaxie verwischen, aber das tut er nicht.

„Diese Zusammenhänge deuteten darauf hin, dass das Schwarze Loch eine Form von Feedback erzeugte, das die Sternentstehungsprozesse in der Galaxie beeinflusste, aber es war schwierig zu sehen, wie das geschieht“, sagte das Teammitglied Sylvain Veilleux, ein Professor für Astronomie an der UMCP. „Mit der Entdeckung starker molekularer Abströmungen aus kaltem Gas in Galaxien mit aktiven Schwarzen Löchern begannen wir, den Zusammenhang aufzudecken.“
Im Jahr 2014 leitete Veilleux eine Suche nach diesen Abströmungen in einer Stichprobe aktiver Galaxien, wobei das Weltraumobservatorium Herschel zum Einsatz kam. In F11119 identifizierten die Forscher einen starken Strom aus Hydroxylmolekülen, der sich mit etwa drei Millionen Kilometern pro Stunde fortbewegt. Andere Studien über andere Moleküle fanden vergleichbare Abströmungen. In der aktuellen Studie schätzen Tombesi, Veilleux und ihre Kollegen, dass dieser Strom in bis zu 1.000 Lichtjahren Entfernung zum Zentrum der Galaxie wirkt. Sie berechnen, dass die Menge des beseitigten Gases ausreichen würde, um 800 Kopien unserer Sonne zu schaffen.
Im Mai 2013 beobachtete das Team F11119 mit dem X-ray Imaging Spectrometer an Bord des Röntgensatelliten Suzaku und erhielten eine effektive Belichtungszeit von fast drei Tagen. Das Spektrum der Galaxie spricht dafür, dass Röntgenstrahlen absorbierendes Gas mit rund 270 Millionen Kilometern pro Stunde aus der innersten Akkretionsscheibe nach außen strömt – das ist etwa ein Viertel der Lichtgeschwindigkeit. Die Region ist vielleicht 800 Millionen Kilometer vom Rand des Schwarzen Lochs entfernt und liegt ungefähr so nahe an dem Punkt, wo nicht einmal das Licht entkommen kann, wie Jupiter von der Sonne entfernt ist.
„Das Schwarze Loch nimmt Gas so schnell auf wie es kann und heizt die Akkretionsscheibe sehr stark auf, was ihm erlaubt, etwa 80 Prozent der Energie zu produzieren, die diese Galaxie emittiert“, sagte Co-Autor Marcio Meléndez von der UMCP. „Aber die Scheibe ist so leuchtkräftig, dass ein Teil des Gases von ihr wegbeschleunigt und den Röntgenwind erzeugt, den wir beobachten.“
Video-Link: https://youtu.be/Ju1mutqtue4
Diese Animation demonstriert, wie der Feedback-Mechanismus von Schwarzen Löchern bei Quasaren funktioniert. Dichtes Gas und Staub im Zentrum nähren das Schwarze Loch und blockieren die freie Sicht. Der Wind des Schwarzen Lochs treibt großräumige Abströmungen aus kaltem Gas an und erzeugt eine Schockwelle, die Gas und Staub aus der Zentralregion der Galaxie fegt. (NASA / Goddard Space Flight Center)
Zusammengenommen vervollständigen der Wind der Scheibe und die molekulare Abströmung das Bild des Feedbacks. Der Wind des Schwarzen Lochs setzt kaltes Gas und Staub in Bewegung, was die molekularen Abströmung verursacht. Er heizt auch den die Galaxie umgebenden Staub auf, was zur Entstehung einer nach außen gerichteten Schockwelle führt, welche weiteres Gas und weiteren Staub wegbläst.
Wenn das Schwarze Loch am hellsten leuchtet, so sagen die Forscher, stößt es auch effektiv seinen Essteller weg und beseitigt das Gas und den Staub aus den Zentralregionen der Galaxie, wodurch die Sternentstehung dort zum Erliegen kommt. Wenn der Staub erst einmal beseitigt wurde, kann Licht mit kürzeren Wellenlängen aus der Scheibe leichter entkommen.
Wissenschaftler denken, dass ultrahelle Infrarotgalaxien wie F11119 eine frühe Phase in der Entwicklung von Quasaren repräsentieren. Quasare sind ein Galaxietyp mit einer extremen Leuchtkraft in einem breiten Wellenlängenspektrum, angetrieben von supermassiven Schwarzen Löchern. Diesem Bild zufolge wird das Schwarze Loch sein umgebendes Gas letztendlich verschlucken und seine spektakuläre Aktivität schließlich beenden. Wenn es das tut, wird es sich von einem Quasar in eine gasarme Galaxie mit relativ wenigen Sternentstehungsprozessen entwickeln.
Die Forscher hoffen, diesen Prozess in anderen Galaxien registrieren und untersuchen zu können, und freuen sich auf die verbesserte Empfindlichkeit von Suzakus Nachfolger, ASTRO-H. ASTRO-H soll im Jahr 2016 starten und wird derzeit am Institute of Space and Astronautical Science der Japan Aerospace Exploration Agency (JAXA) in Zusammenarbeit mit dem Goddard Space Flight Center und japanischen Einrichtungen entwickelt.
(THK)
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