Forscher der Brown University haben neue Hinweise darauf gefunden, dass lunare Swirls – geschwungene, helle Regionen auf der Mondoberfläche – während der letzten 100 Millionen Jahre durch mehrere Kometenkollisionen entstanden.
In einer Studie, veröffentlicht im Journal Icarus, verwenden die Forscher moderne Computermodelle, um die Dynamik von Kometeneinschlägen auf der Mondoberfläche zu simulieren. Die Simulationen sprechen dafür, dass solche Einschläge für viele der Strukturen in den rätselhaften Swirls verantwortlich gemacht werden können. (Anm. d. Red. Momentan gibt es noch keine deutsche wissenschaftliche Bezeichnung für diese Gebiete. Im deutschen Sprachgebrauch findet sich daher häufig die wörtliche Übersetzung: „Mondwirbel“.)
„Wir denken, dies ist ein recht überzeugender Beleg dafür, dass die Swirls Überreste von Kometeneinschlägen darstellen“, sagte Peter Schultz, ein Planetengeowissenschaftler von der Brown University. Er verfasste die Abhandlung gemeinsam mit seiner früheren Doktorandin Megan Bruck Syal, die jetzt am Lawrence Livermore National Laboratory tätig ist.
Lunare Swirls sind seit Jahren Gegenstand von Diskussionen. Die verdrehten, geschwungenen Streifen aus hellem Boden erstrecken sich in manchen Fällen über tausende Kilometer auf der Mondoberfläche. Die meisten von ihnen befinden sich auf der erdabgewandten Seite des Mondes, aber ein berühmter Swirl namens Reiner Gamma kann mit einem Teleskop im Südwesten der erdzugewandten Mondseite beobachtet werden. „Es war mein Lieblingsobjekt, als ich ein Amateurastronom war“, sagte Schultz.
Auf den ersten Blick scheinen die Swirls nicht mit großen Einschlagkratern oder anderen topografischen Formationen zusammenzuhängen. „Sie sehen einfach so aus, als hätte jemand die Oberfläche mit Fingerfarben bemalt“, sagte Schultz. „Es gab eine intensive Debatte darüber, was diese Strukturen verursacht.“
In den 1970er Jahren stellten Wissenschaftler fest, dass viele der Swirls mit Anomalien des lunaren Magnetfeldes in der Kruste in Zusammenhang standen. Diese Beziehung führte zu einer Hypothese darüber, wie die Swirls entstanden sein könnten. Gestein unter der Oberfläche in den Regionen könnte Restmagnetismus aus der frühen Vergangenheit des Mondes aufweisen, als sein Magnetfeld noch viel stärker war als es jetzt ist. Es wurde vermutet, dass diese starken, lokal begrenzten Magnetfelder vor dem Einfluss des Sonnenwinds schützen, der die Mondoberfläche langsam erodiert und vermutlich dunkler werden lässt. Aufgrund dieser magnetischen Schutzschilde würden die Swirls heller als der umgebende Boden erscheinen.
Aber Schultz hatte eine andere Theorie darüber, wie die Swirls möglicherweise entstehen – eine Theorie, die ihre Wurzeln in der Beobachtung der Mondlandungen während des Apollo-Programms hat. „Man konnte sehen, dass das ganze Gebiet um die Mondlandefähren glatt und hell war, weil das Gas aus den Triebwerken die Oberfläche abgetragen hat“, sagte Schultz. „Das war ein Vorgang, durch den ich darüber nachzudenken begann, dass Kometeneinschläge die Swirls verursachen könnten.“
Kometen haben ihre eigene gasreiche Atmosphäre, die als Koma bezeichnet wird. Schultz dachte, dass die Koma losen Boden von der Mondoberfläche abtragen könnte, wenn kleine Kometen dort aufschlagen – ähnlich wie das Gas der Mondlandefähren. Die Abtragung könnte die hellen Swirls erzeugen.
Schultz veröffentlichte eine Abhandlung über die Theorie erstmals 1980 im Journal Nature. Die Studie konzentrierte sich darauf, wie die Abtragung der oberen Schicht der Mondoberfläche eine Helligkeit hervorbringen könnte, die mit der Helligkeit der Swirls übereinstimmt. Die Struktur der Körnchen in der oberen Schicht streut das Sonnenlicht und erzeugt ein schwächeres und dunkleres Aussehen. Wenn diese Struktur entfernt wird, wäre die zurückbleibende, geglättete Oberfläche heller als die nicht betroffenen Gebiete – insbesondere dann, wenn die Sonnenstrahlen in bestimmten Winkeln auftreffen. Im Fall von Reiner Gamma auf der erdzugewandten Seite des Mondes erscheinen diese Gebiete am hellsten bei abnehmendem Mond kurz vor Sonnenaufgang.
Weil die Computersimulationen der Dynamik von Einschlägen besser geworden sind, entschieden Schultz und Bruck-Syal, dass es Zeit sein könnte, einen zweiten Blick darauf zu werfen, ob Kometeneinschläge diese Art von Abtragung produzieren könnten. Ihre neuen Simulationen zeigten, dass der Einschlag einer kometaren Koma und seines eishaltigen Kerns tatsächlich die kleinsten Körnchen in der obersten Schicht der Mondoberfläche fortwehen würden. Die Simulationen demonstrierten, dass sich das abgetragene Gebiet bis in eine Entfernung von tausenden Kilometern vom Einschlagort erstrecken würde. Das stimmt mit den Streifen überein, die über die Mondoberfläche verlaufen. Verwirbelungen, die durch das Auftreffen des Gases erzeugt werden, würden das verdrehte, sinusförmige Erscheinungsbild der Swirls erklären.
Die Kometeneinschlag-Hypothese könnte auch die Präsenz der magnetischen Anomalien in der Nähe der Swirls erklären. Die Simulationen ergaben, dass ein Kometeneinschlag einen Teil der winzigen Teilchen nahe der Oberfläche schmelzen würde. Wenn kleine, eisenreiche Teilchen aufgeschmolzen werden und dann abkühlen, zeichnen sie die Anwesenheit jeglichen Magnetfeldes auf, das zu dem Zeitpunkt vorhanden war. „Kometen besitzen ein Magnetfeld, das durch abströmende, geladene Teilchen erzeugt wird, welche mit dem Sonnenwind interagieren“, sagte Schultz. „Wenn das Gas mit der Mondoberfläche kollidiert, wird das kometare Magnetfeld verstärkt und von den kleinen Teilchen aufgezeichnet, wenn sie abkühlen.“
Zusammengenommen würden die Ergebnisse ein vollständigeres Bild davon zeichnen, wie die Swirls entstehen, sagen die Forscher. „Dies ist das erste Mal, dass jemand diese Angelegenheit mit modernen Computersimulationstechniken betrachtet hat“, sagte Schultz. „Alles was wir in Simulationen von Kometeneinschlägen sehen, stimmt mit den Swirls überein, so wie wir sie auf dem Mond beobachten. Wir denken, dieser Prozess liefert eine konsistente Erklärung, aber es könnten neue Mondmissionen erforderlich sein, um die Debatte letztendlich zu beenden.“
Quelle: https://news.brown.edu/articles/2015/05/swirls
(THK)
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