Die Max-Planck-Institute genießen einen ausgezeichneten Ruf in der wissenschaftlichen Forschung, und so nutzten wir die Gelegenheit, die sich am 21. Juni 2015 anlässlich des Tags der offenen Tür am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg bot. Das Max-Planck-Institut für Astronomie – kurz MPIA – befindet sich zusammen mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen inmitten ausgedehnter Wälder auf dem Königstuhl oberhalb von Heidelberg.
Das MPIA wurde 1967 gegründet, um den Aufbau und den Betrieb eines großen Observatoriums im Ausland zu unterstützen. Aufgrund der schlechteren Beobachtungsbedingungen in Deutschland musste man an einen Ort im Ausland ausweichen, wo die Lichtverschmutzung nicht so ausgeprägt und die Wetterbedingungen besser sind. Die Wahl fiel schließlich auf den 2.168 Meter hohen Berg Calar Alto in Südspanien, wo ab 1973 das gleichnamige Calar-Alto-Observatorium errichtet wurde. Das MPIA unter Trägerschaft der Max-Planck-Gesellschaft entwickelte zahlreiche Beobachtungs- und Messinstrumente für die fünf großen Teleskope des Observatoriums.
Der technische Fortschritt in den vergangenen Jahren erlaubte die Entwicklung und den Bau noch größerer, leistungsfähiger Teleskope. Das MPIA ist an vielen Projekten maßgeblich beteiligt, beispielsweise am Large Binocular Telescope (LBT) in Arizona, das mit seinen beiden 8,40 Meter durchmessenden Hauptspiegeln das momentan größte optische Einzelteleskop der Welt darstellt.
Das bekannte Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte in der chilenischen Atacama-Wüste greift ebenfalls auf Instrumente zurück, die am MPIA in Heidelberg entwickelt wurden. In Chile soll 2022 auch das European Extremely Large Telescope (E-ELT) seine ersten Beobachtungen machen. Laut Planungen wird das Teleskop über einen Hauptspiegel mit 39 Metern Durchmesser verfügen. Es erscheint logisch, das für so ein Projekt sehr viel Erfahrung und Know-How erforderlich sind, die das MPIA im Laufe der Zeit gesammelt hat und einbringt.
Das Teilen von wissenschaftlichen Erkenntnissen und technischen Fertigkeiten ist ein Kernpunkt des MPIA. Darüber hinaus ist es ein Ziel, die Astronomie der Öffentlichkeit näherzubringen. Zu diesem Zweck unterstützt das MPIA verschiedene Projekte und arbeitet mit diversen anderen Bildungseinrichtungen zusammen.
Eines dieser Projekte ist das sogenannte Haus der Astronomie in direkter Nachbarschaft zum MPIA auf dem Königstuhl. Das Gebäude wurde von der Klaus Tschira Stiftung errichtet und dient als Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit und Didaktik. Ein erklärtes Ziel des Zentrums ist es, die faszinierende Naturwissenschaft Astronomie an den Schulen zu fördern und Menschen aller Altersgruppen für das Thema zu begeistern. Dieses Ziel zeigt sich auch am Gebäude selbst: Sein Grundriss hat die Form einer Spiralgalaxie.
Im Haus der Astronomie befindet sich ein großer Hörsaal für circa 120 Besucher, das Karl-Tschira-Auditorium. Hier finden Vorträge für Schulklassen, aber auch internationale wissenschaftliche Konferenzen statt. Dank modernster Projektionstechnik kann der Hörsaal als Planetarium genutzt werden, was beim Tag der offenen Tür der Fall war. Der Hörsaal war bis auf den letzten Platz gefüllt, so dass wir die Treppe in Beschlag nehmen mussten. Zu Beginn wurde ein interessanter Kurzfilm über die Geschichte des MPIA und dessen Ziele und Aufgaben gezeigt. Danach nahm uns eine Mitarbeiterin mit auf eine Reise durch das Universum. Die Reise begann bei unserem Heimatplaneten, der riesengroß an die Decke des Hörsaals projiziert wurde. Die Bilder basieren auf realen Beobachtungsdaten zahlreicher Satelliten und vermittelten einem sofort, wie klein und verletzlich unsere Erde eigentlich ist.
Dann flogen wir virtuell zum Zentrum unseres Sonnensystems, wo die Reise in das ferne Universum ihren Anfang nahm. Frau Scorza, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Haus der Astronomie und studierte Physikerin, erklärte den Anwesenden die markantesten Eigenschaften der Sonne und jedes Planeten im Sonnensystem. Die mondähnlichen Kraterlandschaften auf Merkur wurden ebenso erwähnt wie die höllischen Temperaturen und der Schwefelsäureregen auf der Venus oder die imposanten Vulkane in der Tharsis-Region auf dem Mars. Auch auf Jupiter mit seinen mehr als 60 Monden und Saturn mit seinem faszinierenden Ringsystem ging sie näher ein. Bei ihren Ausführungen bezog sie die Besucher mit ein, vor allem natürlich die jüngeren Besucher. Immer wenn sie fragte, welcher Planet als nächstes folgen würde, ließ die Antwort aus dem Hörsaal nicht lange auf sich warten.
Nach den Objekten des Sonnensystems reisten wir virtuell in die Nachbarschaft der Sonne, etwa zum nächstgelegenen Sternsystem Alpha Centauri. Noch weiter hinausgezoomt, zeigte sich langsam aber sicher unsere Milchstraßen-Galaxie in voller Pracht – zumindest so, wie sie laut dem aktuellen Forschungsstand höchstwahrscheinlich aussieht. Die Milchstraßen-Galaxie ist Mitglied einer Ansammlung mehrerer großer und kleiner Galaxien, die als lokale Gruppe bezeichnet wird. In der Simulation konnte man nun die einzelnen Galaxien der lokalen Gruppe, zu der übrigens auch die berühmte Andomedagalaxie gehört, und ihre Lage zueinander erkennen. Dabei konnte die Perspektive beliebig verändert werden, was einen dreidimensionalen Eindruck über die Größen der einzelnen Galaxien und die Entfernungsverhältnisse zwischen ihnen vermittelte.
Bei der weiteren Reise, also dem Hinauszoomen, wurde deutlich, dass die lokale Gruppe, so riesig sie auch sein mag, nur ein kleiner Teil einer viel größeren Struktur ist: dem Virgo-Supergalaxienhaufen, der aus vielen tausend einzelnen Galaxien besteht. Die Grenze des beobachtbaren Universums stellt der kosmische Mikrowellenhintergrund dar. Frau Scorza erklärte, dass das Universum in dieser Zeitperiode aus einem dichten, sehr heißen Nebel bestand, den das Licht erst durchdringen konnte, als sich das Universum langsam abkühlte. Weil sämtliche Informationen von Licht und anderen elektromagnetischen Wellen getragen werden, ist es logischerweise nicht möglich, ohne Licht weiter in die Vergangenheit zu blicken.
Neben den regelmäßigen Vorführungen im großen Hörsaal gab es zahlreiche kleinere Stände mit reich bebilderten Schautafeln oder mit dreidimensionalen Modellen. Auf dem unten eingebundenen Bild ist beispielsweise ein maßstabsgetreues Modell des fliegenden Infrarotteleskops SOFIA zu sehen. SOFIA steht für Stratospheric Observatory for Infrared Astronomy. Es handelt sich dabei um ein leistungsfähiges Infrarotteleskop, das an Bord einer umgebauten Boeing 747SP installiert wurde.
Am beziehungsweise im MPIA selbst waren viele Schautafeln zu den verschiedensten astronomischen Themen aufgebaut – von der Funktionsweise spektroskopischer Beobachtungen bis hin zur großräumigen Struktur des Universums, was eine hervorragende Ergänzung zur Vorführung im Karl-Tschira-Auditorium war.
Für die Entwicklung der wissenschaftlichen Instrumente und der notwendigen Software verfügt das MPIA über gut ausgestattete Abteilungen, Werkstätten und Montagehallen, die man anlässlich des Tags der offenen Tür besichtigen konnte. Die Mitarbeiter nahmen sich Zeit, um die Fragen der interessierten Besucher – laut Zählung des MPIA waren es rund 3.700 – zu beantworten. Das Spektrum der Fragen war breit gefächert und reichte von allgemeinen Fragen über die Kosten der Instrumente bis zu deren detaillierter Funktionsweise. Auch letztere wurden verständlich erklärt, was aufgrund der Komplexität oft gar nicht so einfach ist.
Da die Besucher bei vielen Experimenten direkt eingebunden wurden, ließen sich die Sachverhalte sehr anschaulich erklären. Ein gutes Beispiel waren die Erklärungen zur Funktionsweise der Spektroskopie: Die Besucher konnten spezielle Brillen aufsetzen und verschiedene Lichtquellen betrachten, zum Beispiel eine Kerze, eine Glühlampe oder eine Leuchtstoffröhre. In den Spektren der drei Lichtquellen waren deutliche Unterschiede zu erkennen, was Rückschlüsse auf ihre Zusammensetzung zuließ. Auf dieselbe Art und Weise wird das Licht entfernter Objekte im Universum untersucht, um deren Zusammensetzung zu erforschen.
Der Heidelberger Königstuhl gehört zu den astronomischen Schwergewichten in Deutschland. Neben dem Max-Planck-Institut für Astronomie und dem Haus der Astronomie findet sich hier auch die Landessternwarte Königstuhl, deren Ursprünge bis ins Jahr 1898 zurückreichen. Auf dem Campusgelände des MPIA befinden sich ebenfalls zwei große Spiegelteleskope mit 50 und 70 Zentimetern Spiegeldurchmesser, die in charakteristischen Kuppelgebäuden untergebracht sind.
Das 70cm KING Teleskop diente gewissermaßen als Versuchsteleskop, um einige Instrumente zu testen, die das MPIA für die Teleskope am Calar-Alto-Observatorium entwickelte, welche sich seinerzeit noch in der Erprobungsphase befanden. Dank raffinierter Umbaumöglichkeiten kann mit dem Teleskop eine maximale Brennweite von über 22 Metern erreicht werden, was aber in der Praxis bisher nicht zur Anwendung kam. Wie das nachfolgende Bild zeigt, ist ist das Teleskop dennoch ein beeindruckendes Instrument, nicht zuletzt auch wegen der massiven Montierung, auf der es befestigt ist.
Der Mitarbeiter, der die Führung leitete, beschrieb das Funktionsprinzip des Teleskops und der angeschlossenen Instrumente leicht verständlich. Genau so routiniert beantwortete er die Fragen, die beim Anblick solcher Geräte fast immer aufkommen: Welche Brennweite hat es? Wie schwer ist es? Wie viel kostet so etwas? Geduldig wurde der Wissensdurst der teilnehmenden Besucher gestillt – unser übrigens auch.
Das Fazit unseres Besuchs am Max-Planck-Institut für Astronomie lautet in Kurzform: Lohnt absolut! Etwas ausführlicher kann man sagen, dass jedem an Astronomie interessierten Menschen viel geboten wird. Es gibt auf Kinder zugeschnittene Experimente und Vorträge und reichlich Wissenswertes für die älteren „Kinder“, denn jeder, der auch im fortgeschrittenen Alter noch vom Universum und seinen Geheimnissen fasziniert ist, ist auch ein bisschen Kind geblieben. Vielleicht ist das kindliche Denken auch eine Grundvoraussetzung dafür…
Die Redaktion von astropage.eu dankt den Mitarbeitern des MPIA und des Hauses der Astronomie für die interessanten Einblicke in ihre tägliche Arbeit.
(THK)
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