Neue Studie favorisiert den „Big Rip“ des Universums

Mosaik-Aufnahme des galaktischen Zentrums, basierend auf Daten der Weltraumteleskope Hubble und Spitzer. (NASA / ESA)
Mosaik-Aufnahme des galaktischen Zentrums, basierend auf Daten der Weltraumteleskope Hubble und Spitzer. (NASA / ESA)

Kosmologen haben seit Jahrzehnten Probleme damit, die klassische Vorstellung der Viskosität basierend auf den Gesetzen der Thermodynamik mit Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie in Einklang zu bringen. Ein Team der Vanderbilt University hat jetzt allerdings eine völlig neue mathematische Formulierung des Problems erdacht, die diese lange bestehende Lücke zu schließen scheint.

Die neue Formulierung hat einige signifikante Auswirkungen auf das endgültige Schicksal des Universums. Sie tendiert dazu, eines der radikaleren Szenarien zu bevorzugen, die von Kosmologen aufgestellt wurden – bekannt als der „Big Rip“. Sie könnte auch neues Licht auf die grundlegende Natur der Dunklen Energie werfen.

Der neue Ansatz wurde von dem Assistenzprofessor für Mathematik Marcelo Disconzi in Zusammenarbeit mit den Physik-Professoren Thomas Kephart und Robert Scherrer entwickelt und wird in einer Studie beschrieben, die im Journal Physical Review D erschien. „Marcelo hat eine einfachere und elegantere Formulierung gefunden, die mathematisch fehlerfrei ist und allen anwendbaren physikalischen Gesetzen gehorcht“, sagte Scherrer.

Die Art von Viskosität, die kosmologisch relevant ist, unterscheidet sich von der vertrauten „Ketchup“-Form der Viskosität. Letztere wird als Scherviskosität bezeichnet und ist ein Maß für den Widerstand eines Fluids, durch kleine Öffnungen wie den Hals einer Ketchupflasche zu fließen. Die kosmologische Viskosität dagegen ist eine Form von Volumenviskosität – ein Maß für den Widerstand eines Fluids gegenüber der Expansion oder Kontraktion. Der Grund dafür, warum wir im Alltag nicht oft mit dieser Volumenviskosität zu tun haben ist, dass die meisten Flüssigkeiten, denen wir begegnen, nicht stark komprimiert oder ausgedehnt werden können.

Disconzi begann, das Problem relativistischer Fluide anzugehen. Astronomische Objekte, die dieses Phänomen erzeugen, sind beispielsweise Supernovae (explodierende Sterne) und Neutronensterne (Sternüberreste von geringer Größe).

Wissenschaftler haben bemerkenswerte Erfolge bei der Simulation dessen erzielt, was geschieht, wenn ideale Fluide (Fluide ohne Viskosität) auf annähernd Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden. Aber in der Natur sind fast alle Fluide viskos und trotz jahrzehntelanger Anstrengungen hat es niemand geschafft, eine allgemein akzeptierte Möglichkeit zu finden, um mit viskosen Fluiden bei relativistischen Geschwindigkeiten umzugehen. Modelle, die vorhersagen, was geschieht, wenn diese relativistischeren Fluide auf einen Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden, waren in der Vergangenheit von Unsicherheiten durchsetzt: Die hervorstechendste sagte bestimmte Bedingungen voraus, unter denen sich diese Fluide sogar schneller als mit Lichtgeschwindigkeit bewegen konnten. „Das ist völlig falsch, weil experimentell gut bewiesen ist, dass sich nichts schneller als mit Lichtgeschwindigkeit fortbewegen kann“, sagte Disconzi.

Diese Probleme inspirierten den Mathematiker dazu, die Gleichungen der relativistischen Fluiddynamik auf eine Weise neu zu formulieren, die nicht den Makel hat, Überlichtgeschwindigkeit zu erlauben. Er stützte seinen Ansatz auf eine Arbeit, die in den 1950er Jahren von dem französischen Mathematiker André Lichnerowicz durchgeführt wurde. Als nächstes setzte sich Disconzi mit Kephart und Scherrer zusammen, um seine Gleichungen auf eine breitere kosmologische Theorie anzuwenden. Das förderte eine Reihe interessanter Ergebnisse zutage, darunter einige potenziell neue Einblicke in die rätselhafte Natur der Dunklen Energie.

In den 1990er Jahren wurde die Physik-Gemeinde erschüttert, als astronomische Messungen zeigten, dass das Universum mit einer sich beschleunigenden Rate expandiert. Um diese unvorhergesehene Beschleunigung zu erklären, waren die Forscher gezwungen, die Existenz einer unbekannten Form von abstoßender Energie zu postulieren, die im Universum verteilt ist. Weil sie so wenig darüber wussten, nannten sie sie „Dunkle Energie“.

Die meisten Theorien über Dunkle Energie berücksichtigen die kosmische Viskosität nicht, obwohl sie einen abstoßenden Effekt zeigt, der jenem der Dunklen Energie verblüffend ähnlich ist. „Es ist möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich, dass die Viskosität für die gesamte Beschleunigung verantwortlich ist, die der Dunklen Energie zugeschrieben wurde“, sagte Disconzi. „Es ist wahrscheinlicher, dass ein großer Anteil der Beschleunigung diesem nüchternen Grund geschuldet sein könnte. Infolgedessen könnte die Viskosität als eine wichtige Begrenzung der Eigenschaften von Dunkler Energie dienen.“

Ein anderes interessantes Ergebnis dreht sich um das endgültige Schicksal des Universums. Seit der Entdeckung der beschleunigten Expansion des Universums haben Kosmologen eine Reihe dramatischer Szenarien entworfen, was das für die Zukunft bedeuten könnte.

Ein Szenario, der „Big Freeze“, sagt voraus, dass das Universum nach circa 100 Billionen Jahren so groß geworden sein wird, dass die Gasansammlungen zu dünn sein werden, um Sterne zu bilden. Deswegen werden existierende Sterne langsam ausbrennen und nur Schwarze Löcher zurücklassen, die ihrerseits zerstrahlen werden, während der Raum selbst kälter und kälter wird.

Schematische Beschreibung des Big Rip als möglicher Endzustand des Universums. (Jeremy Teaford / Vanderbilt)
Schematische Beschreibung des Big Rip als möglicher Endzustand des Universums. (Jeremy Teaford / Vanderbilt)

Ein noch radikaleres Szenario ist der „Big Rip“. Er wird aufgrund einer Art „phantomhaften“ Dunklen Energie vorhergesagt, die mit der Zeit stärker wird. In diesem Fall wird die Expansionsgeschwindigkeit des Universums so groß, dass Objekte in rund 22 Milliarden Jahren beginnen auseinanderzureißen. Einzelne Atome teilen sich in ungebundene Elementarteilchen und Strahlung.

Der Schlüsselwert in diesem Szenario ist das Verhältnis zwischen dem Druck der Dunklen Energie und der Dichte, der sogenannte Equation-of-State-Parameter. Wenn dieser Wert unter -1 fällt, dann wird das Universum letztendlich auseinandergerissen. Kosmologen haben dies als die „Pantomgrenze“ bezeichnet. In vorherigen Modellen mit berücksichtigter Viskosität konnte das Universum diese Grenze nicht unterschreiten.

In der Desconzi-Kephart-Scherrer-Formulierung existiert diese Grenze aber nicht. Stattdessen liefert die Formulierung eine natürliche Möglichkeit, wie der Equation-of-State-Parameter unter -1 fallen kann. „In den bisherigen Modellen mit Viskosität war der Big Rip nicht möglich“, sagte Scherrer. „In diesem neuen Modell treibt die Viskosität das Universum in Richtung dieses extremen Endzustands.“

Den Wissenschaftlern zufolge sind die Ergebnisse ihrer schriftlichen Analysen dieser neuen Formulierung für relativistische Viskosität recht vielversprechend. Aber es muss eine tiefergehende Analyse vorgenommen werden, um ihre Brauchbarkeit zu bestimmen. Die einzige Möglichkeit, dies zu tun, ist die Verwendung leistungsfähiger Computer, um die komplexen Gleichungen numerisch zu analysieren. Dann können die Forscher Vorhersagen treffen, die mit Experimenten und Beobachtungen vergleichbar sind.

Die Forschungsarbeit wurde von der National Science Foundation (Grant 1305705) und dem US-Energieministerium (Grant DE-SC0011981) unterstützt.

Quelle: http://news.vanderbilt.edu/2015/06/new-model-of-cosmic-stickiness-favors-%E2%80%9Cbig-rip%E2%80%9D-demise-of-universe/

(THK)

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